Die Nachrichten über das Mpox-Virus verunsichern viele Menschen, insbesondere, seitdem die WHO vergangene Woche einen internationalen Gesundheitsnotstand ausgerufen hat. Wir haben mit Ulrich Seybold, stellvertretender Leiter der Sektion Klinische Infektiologie an der Medizinischen Klinik und Poliklinik IV am LMU-Klinikum in München, über das tatsächliche Ausmaß der Bedrohung gesprochen.
"Betrifft uns deutlich weniger als eine durch die Atemluft übertragbare Infektion wie COVID-19"
Die Nachrichten über Mpox verunsichern viele Leute. Müssen wir uns auf ähnliche Entwicklungen wie in der Corona-Pandemie einstellen oder ist es nicht so dramatisch?
Ulrich Seybold: Die Situation ist längst nicht so dramatisch, zumindest nicht für uns, die wir in Mitteleuropa leben und Zugang zu einem hervorragenden medizinischen Versorgungssystem haben. Die Verwirrung entsteht möglicherweise dadurch, dass momentan verschiedene Infektionen im Umlauf sind. Vor zwei Jahren gab es eine Welle, die vor allem Männer, die Sex mit Männern haben, betroffen hat. Diese Verbreitung war primär sexuell bedingt, was eben die intensivste Form engen Kontakts darstellt. Allerdings war und ist die betroffene Bevölkerungsgruppe sehr spezifisch.
Der aktuelle Ausbruch, oder eher die Welle, betrifft Zentralafrika. Dort sind vor allem Erwachsene betroffen, wobei die Übertragung ebenfalls oft durch sexuelle Kontakte erfolgt. Enge Haushaltskontakte spielen auch eine Rolle, insbesondere wenn es um die Pflege eines erkrankten Familienmitglieds ohne hygienische Vorkehrungen geht. Für die meisten von uns ist Zentralafrika jedoch weit entfernt, und sexuelle Kontakte mit Menschen aus Hochrisikogruppen sind für die meisten in Deutschland kein realistisches Szenario. Daher betrifft uns dieser Ausbruch deutlich weniger als eine durch die Atemluft übertragbare Infektion wie COVID-19.
Mpox ist also weniger ansteckend als Covid?
Es ist anders ansteckend. Es erfordert direkten Kontakt, da es nicht über die Luft übertragen wird. Das bedeutet, dass für eine Ansteckung am besten ein direkter Schleimhautkontakt notwendig ist. Ein typisches Beispiel dafür wäre sexueller Kontakt, der naturgemäß Schleimhäute einbezieht. Deshalb wird sich die Ausbreitung auch ganz anders entwickeln als bei COVID-19.
Das Mpox-Virus
Das Mpox-Virus – früher auch Affenpocken genannt, inzwischen verzichtet man auf diese als diskriminierend eingestufte Bezeichnung – hat sich in den vergangenen Wochen innerhalb Zentralafrikas stark ausgebreitet. Deshalb hat die Weltgesundheitsorganisation (WHO) am 14. August einen internationalen Gesundheitsnotstand ausgerufen.
Insbesondere in den überfüllten Einrichtungen für Vertriebene, in denen wegen der anhaltenden Kämpfe im Osten des Landes täglich neue Geflüchtete eintreffen, ist die Ansteckungsgefahr hoch. Das Virus wird durch engen Körperkontakt übertragen.
Die Krankheit, die tödlich verlaufen kann, beginnt mit grippeähnlichen Symptomen, Fieber und verursacht Hautläsionen (Pocken), die den Körper und das Gesicht der infizierten Person bedecken.
Wie dramatisch ist die Lage in Zentralafrika?
Wenn man sich die absoluten Zahlen anschaut, sieht man, dass sie deutlich höher sind als noch vor Kurzem. Aber es ist nicht vergleichbar mit der Hochphase der COVID-19-Welle, als es schien, als wären fast alle Menschen krank und im Krankenhaus. Die aktuellen Zahlen bringen die lokalen Gesundheitssysteme noch nicht an die Grenze ihrer Belastungsfähigkeit.
Die Ausrufung des "Public Health Emergency" durch die WHO hat bei vielen für Unruhe gesorgt. Dabei ist es wichtig zu verstehen, dass diese Maßnahme nicht dazu dient, dass die Bevölkerung ihr Verhalten ändert oder in Panik verfällt. Stattdessen ermöglicht sie es, dass finanzielle Mittel schneller an die entsprechenden Stellen fließen, damit Maßnahmen zur Eindämmung von Ausbrüchen rascher umgesetzt werden können.
"Dieser Notfall heißt nicht, dass ein Notfall über Deutschland hereingebrochen ist"
Welche Maßnahmen, zum Beispiel?
Ein Beispiel dafür ist, dass durch das bereitgestellte Funding Impfstoffe gekauft werden können, die dann beispielsweise in die Demokratische Republik Kongo gebracht werden. Es geht dabei in erster Linie um finanzielle Mittel und Ressourcen, die Organisationen wie die WHO bereitstellen können. Dieser Notfall heißt nicht, dass ein Notfall über Deutschland hereingebrochen ist.
Es bestehen also gute Chancen, dass das Ausbruchsgeschehen lokal bleibt?
Derzeit ist es definitiv ein Problem, das vor allem in Zentralafrika besteht. Dennoch wird es sicherlich auch in anderen Teilen der Welt vereinzelt zu Infektionen kommen. Ein Beispiel dafür ist der kürzlich in Schweden gemeldete Fall, der es in die Schlagzeilen geschafft hat. Es ist zu erwarten, dass auch in anderen Regionen der Welt vereinzelt Fälle oder kleinere Ausbrüche auftreten könnten.
Deshalb sind nun auch die europäischen und nationalen Gesundheitsbehörden gefordert, wachsam zu bleiben. Sie müssen sicherstellen, dass bei Auftreten solcher Fälle die Kontaktnachverfolgung und Quarantänemaßnahmen konsequent durchgeführt werden. In Europa handelt es sich aktuell jedoch nur um seltene Einzelfälle. Auch die Fälle von vor zwei Jahren sind noch nicht vollständig verschwunden, und es gibt immer wieder vereinzelte Meldungen.
Für die Bevölkerung in Deutschland besteht also kaum ein Risiko?
Für Ärztinnen und Ärzte ist es wichtig, die möglichen Symptome zu kennen, um solche Fälle schnell zu erkennen und angemessen zu reagieren. Allerdings besteht für die Gesamtbevölkerung derzeit keine Bedrohung, und es wäre auch nicht sinnvoll, die wenigen verfügbaren Impfdosen jetzt wahllos zu verabreichen. Die Impfempfehlung bleibt weiterhin auf Männer beschränkt, die Sex mit Männern haben und dabei häufig anonyme Kontakte pflegen, da diese Gruppe einem höheren Risiko ausgesetzt ist. Und natürlich sollten auch Menschen, die in aktuell betroffene Länder wie den Kongo, Ruanda oder Burundi reisen und dort engen Kontakt zur einheimischen Bevölkerung haben werden, in Betracht gezogen werden. Das betrifft beispielsweise Personen, die ihre Familie dort besuchen oder in der Entwicklungszusammenarbeit tätig sind. Für diese Gruppen wäre es sinnvoll, über eine Impfung nachzudenken.
"Es ist derselbe Impfstoff, der sowohl gegen Pocken als auch gegen Mpox wirkt"
Wäre das dann eine Pockenimpfung?
Ja, es handelt sich tatsächlich um die Pockenimpfung. Diese Impfung wurde ursprünglich für Pocken entwickelt, aber da Pocken und Mpox genetisch sehr eng verwandt sind, bietet sie auch Schutz gegen Mpox. Deshalb wurde schon beim Ausbruch vor zwei Jahren die Impfempfehlung für Pocken auf Mpox ausgeweitet. Es ist also derselbe Impfstoff, der sowohl gegen Pocken als auch gegen Mpox wirkt.
Zusammengefasst: Wir müssen also nicht losrennen und Klopapier kaufen?
Doch, immer wieder mal, aber in handelsüblichen Mengen.
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