Das rassistische Party-Video aus Sylt sorgt bei den Spitzen des Staates für Empörung. Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier zeigte sich besorgt über "die Verrohung der politischen Umgangsformen". Es seien "offensichtlich nicht nur die Randständigen, Abgehängten, die sich radikalisieren, sondern es ist eine Radikalisierung, die mindestens in Teilen in der Mitte der Gesellschaft auch stattfindet", sagte er am Samstag am Rande des "Fests der Demokratie" in Bonn.

Auch Konfliktforscher Andreas Zick betont, dass es nicht um Einzelfälle geht: "Wir sehen nur die Spitze des Eisbergs solch radikaler Gemeinschaft der Bessergestellten", sagte er dem Evangelischen Pressedienst (epd).

Rassistische Texte, Hitlergruß, Volksverhetzung

Das am Donnerstag auf breite Aufmerksamkeit gestoßene Video zeigt, wie Gäste einer Kampener Bar auf Sylt rassistische Texte zur Melodie des Party-Hits "L’amour toujours" von Gigi D'Agostino grölen. Zudem ist zu sehen, wie ein Mann einen Hitlergruß und mit der anderen Hand einen Hitlerbart an der Oberlippe andeutet. Der Staatsschutz ermittelt wegen Volksverhetzung und des Verwendens verfassungswidriger Kennzeichen.

Bundestagspräsidentin Bärbel Bas (SPD) sagte dem Fernsehsender Phoenix, wenn man solche unappetitlichen Auftritte sehe, frage man sich, was in den Köpfen dieser jungen Menschen vorgehe. "Ich wünsche mir viel Zivilcourage und dass andere dagegen halten", sagte sie am Samstag in Bonn. Vizekanzler Robert Habeck (Grüne) nannte die Szenen "verstörend und absolut inakzeptabel". "Solche widerlichen Pöbeleien dürfen keinen Platz haben", sagte er den Zeitungen der Funke Mediengruppe (Samstag).

Konfliktforscher Zick: Erlebnisorientierter Rassismus

Die rassistischen Gesänge machen nach Einschätzung des Konfliktforschers Zick einmal mehr deutlich, dass Rechtsextremismus "kein Arme-Leute-Extremismus" ist. Im Hinblick auf rechtsextreme und menschenfeindliche Einstellungen zeige sich immer wieder, "dass sogenannte neoliberale soziale Orientierungen, die Vermögende prägen, und die Behauptung, ihnen stünde mehr zu, die Demokratiedistanz der Abgesicherten prägt", sagte der Leiter des Instituts für Interdisziplinäre Konflikt- und Gewaltforschung der Universität Bielefeld dem epd. In den radikalen Parteien seien zudem viele Vermögende in Spitzenpositionen.

Stark verbreitet ist laut Zick ein neuer "erlebnis- und unterhaltungsorientierter Rassismus und Rechtsextremismus", den soziale Medien salonfähig gemacht hätten. Rassismus und der eigene Extremismus würden inszeniert, karikiert, verharmlost und gerechtfertigt. Der Experte forderte Zivilcourage, eine stärkere Prävention und "einen Ruck in der Gesellschaft in Richtung Verpflichtung zum Grundgesetz".

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