Dass ab September Lebkuchen in den Supermarktregalen stehen, in Kaufhäusern nach Halloween ohne Schonzeit an allen Ecken kleine Plastikweihnachtsbäume, gigantische Rentiere und absurde Gebilde aus Christbaumkugeln aufploppen und die Gehörgänge beim Einkaufen in manchen Läden schon den ganzen November lang mit ohrenbetäubend lauter Weihnachtsmusik malträtiert werden - geschenkt. Weihnachten ist bekanntermaßen ein Fest des Konsums. Es muss so früh wie möglich so viel wie möglich verkauft werden und dafür braucht es die richtige "Stimmung". Sei es dem Handel gegönnt. Gerade in diesem Jahr versuchen alle um die paar Groschen zu buhlen, die die Menschen noch locker sitzen haben.

Das Christkind ist zu früh dran

Was mich wirklich stört, alle Jahre wieder, ist die Taktlosigkeit, mit der Städte mir schon Mitte November ihre Weihnachtsbeleuchtung um die Ohren hauen. Gestern Abend war ich in Nürnberg unterwegs. Schon von fern strahlte mich das Christkind zusammen mit der Nürnberger Skyline an und breitete seine Arme bedrohlich über mir aus. Warum? "Komm gefälligst in Weihnachtsstimmung!" schien mich das Christkind anzuschreien. Doch dafür ist einfach noch nicht die Zeit.

Innere Einkehr statt Weihnachtsstimmung

Der November gehört dem Gedenken an die Toten und der inneren Einkehr. In den christlichen Kirchen fallen die Feiertage Allerheiligen, Allerseelen, der Buß- und Bettag und der Totensonntag, der das Ende des Kirchenjahres markiert, in den November. Auf weltlicher Seite ist es der Volkstrauertag. Natürlich könnte man nun sagen, dass man der Toten ja wohl das ganze Jahr gedenken kann, aber der November bietet einen Rahmen, um als Gesellschaft einen Schritt zurückzutreten, sich aus dem Gehechel des Alltags zu befreien und über die ganz grundlegenden Fragen des Lebens nachzudenken.

Manche Traditionalisten betonen ja unermüdlich die christlich-abendländische Prägung unseres schönen Landes und würden gern jede freie Wand mit einem Kreuz zupflastern. Mal abgesehen davon ist auch Weihnachten ein christliches Fest - echt wahr! Wieso schaffen es Städte dann nicht mal, aus Rücksicht auf das Gedenken bis nach Totensonntag die festlich geschmückten Füße still zu halten? Gerade das CHRISTkind sollte doch verstehen, dass es sich in seinem golden strahlenden Gewand noch ein paar Tage bedeckt halten sollte, bis die Adventszeit beginnt. In diesem Fall fordere ich also gegenteilig zu Goethe: Weniger Licht! Und wenn dann seine Zeit kommt, kann ich es umso mehr genießen.