Mittsommer - manchen stimmt das wehmütig. Die Tage werden wieder kürzer. Ab dem 21. Juni geht die Sonne später auf und früher unter. Mich tröstet, dass der Sommer gefühlt noch deutlich an Fahrt gewinnen wird - durch steigende Temperaturen. Ich liebe es, abends draußen zu sitzen in den lauen Sommernächten des Juli und August.
 

Der St.-Johannistag gehört zur Sommersonnenwende

"Mittsommer - das schwedische Fest" lautet die Überschrift eines Internetartikels. Dort heißt es dann, es sei nach dem Weihnachtsfest das zweitgrößte Fest in Schweden. Und dann kommt ein durchaus zwiespältiger Satz: "Das Mittsommerfest in Schweden hat jedoch keinerlei religiösen Bezug." Stimmt das? Ja und nein. Denn so wie in christlichen Ländern - nicht nur in Schweden - zur Wintersonnenwende Weihnachten gehört, so gehört zur Sommersonnenwende Johanni, der St.-Johannistag, oder wie ihn die Dänen nennen: St. Hans.
 
Es gibt auch bei uns eine Bewegung, die germanische Bräuche wieder reaktivieren will - bewusst auf Kosten der christlichen. Dazu gehört auch das Mittsommerfest. Das kennen wir eigentlich schon - aus dem Dritten Reich. Die Sommersonnenwende, die vom 23. auf den 24. Juni begangen wurde, hatte ihren festen Platz im nationalsozialistischen Festkalender. Eine führende Rolle hatte dabei die SS mit Heinrich Himmler, dessen Anliegen es war, feste Riten als Religionsersatz zu formen. Ab 1937 fand die zentrale Sonnwendfeier im Berliner Olympiastadion statt.
 
Die Reaktivierung germanischer Bräuche sollten wir daher wach und kritisch beachten. Natürlich ist das Sonnenjahr seit Menschengedenken mit Riten begangen worden. Die Stärke des Christentums war, dass es diese Riten nicht verbot, sondern anders deutete und mit neuem Inhalt füllte.
 
An Weihnachten ist das gut gelungen. Wurde im Römischen Reich in der dunkelsten Zeit des Jahres das Fest des Sol invictus - des unbesiegbaren Sonnengottes - begangen, so nahmen die Christen dies auf und feierten genau da die Geburt des Lichtes der Welt. "Christus verus sol" - Christus ist die wahre Sonne. Jesus bringt Licht und Wärme in unser Leben.
 
Nicht ganz so prägend ist das mit der Sonnenwende im Sommer gelungen. Aber auch dieser Höhepunkt im Jahr wurde sehr bewusst gefüllt mit dem Geburtstag Johannes des Täufers, dessen am 24. Juni gedacht wird.
 

Johannes der Täufer – ein Heiliger, den Lutheraner verehren

Vielleicht mag nun mancher fragen, seit wann verehrt die evangelische Kirche Menschen als Heilige. Antwort: Schon immer! Wir Lutheraner haben zwar weniger Heilige, aber Johannes der Täufer gehört dazu. Wir beten nicht zu den Heiligen, sondern wir beten mit ihnen zu Christus. Wir beten sie nicht an, aber wir ehren sie als Vorbilder im Glauben.
 
Und bei Johannes gibt es wirklich viele Gründe, ihn als Vorbild zu nehmen. Einen der Gründe finden wir im Johannesevangelium im 3. Kapitel. Dort finden wir eine Rede Johannes des Täufers: Ihr selbst seid meine Zeugen, dass ich gesagt habe: Ich bin nicht der Christus, sondern ich bin vor ihm her gesandt. ... Er muss wachsen, ich aber muss abnehmen. Seine Überzeugung: "Jesus ist wichtig" und seine Bescheidenheit: "hinter ihn trete ich zurück und für ihn bin ich da" - machen ihn zum Vorbild. Und weil die Menschen sich Johannes genau in dieser Haltung merken wollten, wird sein Geburtstag auf den Tag genau ein halbes Jahr vor Jesus begangen.
 

Jesu Geburt am 24. Dezember, die Geburt des Johannes am 24. Juni

Die Geburt Jesu am 24. Dezember, die Geburt des Johannes am 24. Juni. Die Verbindung beider wollte man im Sonnenjahr abbilden: "Er muss wachsen!" sagt Johannes über Jesus - die Sonne nimmt mit der Geburt Jesu nach der Wintersonnenwende an Kraft zu. "Ich muss abnehmen!" sagt er über sich - die Kraft der Sonne nimmt nach der Sommersonnenwende ab.
 

Ich freue mich über jede Gemeinde, die Johanni begeht. Einige entzünden Johannifeuer - auch ein Lichtsymbol, so wie die Kerzen am Weihnachtsbaum. Der Posaunenchor, in dem ich Posaune spielen lernte, traf sich an einem Abend um den 24. Juni auf einer großen Wiese, auf der bei Einbruch der Dunkelheit ein Feuer entzündet und christliche Abendlieder gespielt wurden. "Mein schönste Zier und Kleinod bist, auf Erden Du, Herr Jesu Christ. Es will nun Abend werden, lass doch Dein Licht auslöschen nicht, bei uns allhier auf Erden". Viele Umstehenden sangen mit.

Christliche Riten lassen sich neu beleben

Manche christlichen Riten lassen sich auch neu beleben. Indem wir besondere Zeiten mit christlichen Inhalten füllen und diesen Inhalten so eine Form geben, halten wir sie wach und bringen sie unter die Menschen. Das ist wohl die nachhaltigste Weise, bewusster und unbewusster Entchristlichung spielerisch und gekonnt entgegenzutreten.