Der Sonntag zum 1. Juni 2025 trägt den schönen Namen "Exaudi". Das ist keine aktuelle Zustandsbeschreibung der deutschen Autoindustrie oder des Standorts Ingolstadt, aber durchaus auch ein Stoßseufzer. Und zwar einer, der Gotteshoffnung und Christusvertrauen in einer brüchigen und krisenhaften Wirklichkeit ausdrückt.
"Exaudi, Domine, vocem meam" – "Herr, erhöre meine Stimme"
Der Name kommt vom lateinischen Gebetsruf "Exaudi, Domine, vocem meam" – "Herr, erhöre meine Stimme". Sich in die Jüngerinnen und Jünger in der Zeit nach der Himmelfahrt Jesu einzufühlen, fällt in unserer Multi-Krisen-Zeit mit unsicheren Zukunftsperspektiven nicht schwer: Vor Pfingsten und noch ohne den "Tröster" des Heiligen Geists schieben sich die Unveränderlichkeit des Todes und des Siegs der Mächte, die in unserer Welt so alle regieren, mit zunehmender Wirklichkeit vor die Auferstehungserfahrung.
Es dürfte eine verunsicherte, zweifelnde, desorientierte, sich verlassen fühlende, vielleicht mutlose Gemeinde von Jesus-Anhängern gewesen sein, die sich da in Jerusalem versammelte, um 50 Tage nach Pessach, nach Kreuzestod und Auferweckung Jesu das jüdische Wochenfest zu feiern. Muss man ein Schelm sein, um das im Blick auf heute und vor allem auf die Kirche heute ziemlich aktuell zu finden?
Keine Klimawende ohne eine Wende der Herzen und des Geistes!
Mindestens zwei Zusammenhänge gibt es: Die Kirchen haben sich in der Gegenwart vielfach in einen entgeistlichten, vorpfingstlichen Zustand hineinmanövriert. Und: Die Verbindung zum Judentum, das mit dem "Schawuot"-Erntefest fürs Pfingstfest Pate stand, fällt vielen Christen noch immer schwer.
Daher zwei provokante Thesen. Zunächst zur Politik am Beispiel des Klimaschutzes: Könnte es sein, dass es keine nachhaltige Transformation zu einem bewussteren Umgang mit der göttlichen Schöpfung geben kann, ohne eine auch spirituelle Transformation? Machbarkeitsfantasien erscheinen eher als Teil des Problems als der Lösung.
Heißt: Keine Klimawende ohne eine Wende der Herzen und des Geistes! Christen sollten ihren ureignen Beitrag dabei der Welt nicht vorenthalten: Sie wissen schon immer, dass die Welt der Erlösung bedarf, aber auch, dass Menschen diese Erlösung nicht "machen" können. Warum sagen sie das nicht deutlicher?
Welt der Gewalt und der Lügen der Mächtigen
Und könnte es sein, dass die Christen auf dem Weg zu neuer geistlicher Kraft besonders dort Entdeckungen machen können, wo sogar das sonst ziemlich judenfeindliche Johannesevangelium betont: "Das Heil kommt von den Juden!"? (4, 23)
In einer mitunter gottverlassen anmutenden Welt der Gewalt und der Lügen der Mächtigen sollten wir Christen uns jedenfalls weniger auf die Politik oder auf Selbsterlösungsverheißungen verlassen, die nichts anderes als trügerisch sein können. Sondern heißer und leidenschaftlicher beten: "Exaudi, Domine, voces nostras!" – "Herr, erhöre unsere Stimmen!"
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