Heinrich Schütz hat so eine Zukunftsmusik schon 1623 komponiert: "Historia der frölichen und siegreichen Aufferstehung unsers einigen Erlösers und Seligmachers Jesu Christi" hat er sein erstes großes Werk genannt. Mit dieser "Auferstehungshistorie" gibt der Hofkapellmeister des sächsischen Kurfürsten dem Osterglauben eine Melodie. Damit das, was die ersten Christinnen und Christen mit Freude und Glück erfüllt hat, damit das auch seine Zeitgenossen erleben können.

Sie sollen es hören durch die Worte, die der Evangelist singt. Und sie sollen es spüren im Takt und in den Tönen. Die Musik soll allen zu Herzen gehen. Damit wirklich Ostern wird für die Hörerinnen und Hörer. Schütz schreibt es auf dem Notenblatt der Auferstehungshistorie so: "In Fürstlichen Capellen oder Zimmern um die Osterliche Zeit zu geistlicher Christlicher Recreation füglichen zu gebrauchen."

Maria: Das ist mein Leben und es ist gut so wie es ist

Damals am Ostermorgen. Maria Magdalena steht weinend am Grab. Sie ist gekommen, um Jesus die letzte Ehre zu erweisen. Er war ihr Leben. Vor vielen Jahren ist sie krank gewesen. So krank, dass sie nicht unter Leute gehen konnte. Dann hat Jesus sie geheilt. Und von da an ist sie mit ihm und seinen Jüngerinnen und Jüngern durch Galiläa gezogen. Sie hat fest dazugehört, war eine von ihnen. Das Leben mit Jesus war gut für Maria. Er war ihr Leben. Und jetzt ist er tot. Was soll aus ihr werden? Sie weiß nicht mehr weiter.

In ihr drin ist es leer.

Leere tief im Inneren. Es ist ein beklemmendes Gefühl. Wenn ich auf mein Leben schaue und sich der Gedanke einschleicht: Das soll es gewesen sein? Ich hatte doch mal Pläne. Und was ist draus geworden?

  • Da ist zum Beispiel eine alleinstehende Frau in den besten Jahren. Sie hat sich immer eine Familie mit vielen Kindern gewünscht. Am liebsten eine ganze Fußballmannschaft. – Aber daraus ist nichts geworden. Von ihrer ersten Liebe hat sie sich getrennt. Seither ist sie allein, kinderlos.
  • Oder: Der Mann, angestellt, gute Position in der Firma. Im Studium war er für ein Jahr in Amerika. Damals stand ihm die große weite Welt offen und er wollte alle Kontinente bereisen. Inzwischen spielt sich sein Alltag in der Firma und in der Wohnung ab. In der U-Bahn und im Supermarkt. Am Sonntag manchmal ein Ausflug in die Fränkische Schweiz.

Jetzt ist es ja nicht so, dass das Singledasein grundsätzlich etwas Schlechtes wäre. Dass irgendetwas auszusetzen ist an einem gut bürgerlichen Leben oder an Wanderungen in der Fränkischen Schweiz. Auch ich habe allen Grund zufrieden zu sein mit meinem Leben. Und doch ertappe ich mich manchmal dabei, dass ich es nicht bin. Mich innerlich leer fühle. Ich muss mir immer wieder eingestehen: Mein Leben ist nicht halb so interessant, wie ich es mir einmal erträumt habe. Ich bin nicht die geworden, die ich werden wollte.

Wenn ich am Grab meiner verpassten Lebensträume stehe, steigt Trauer auf. Es ist der Schmerz darüber, dass sich mein Leben manchmal klein und gewöhnlich anfühlt.

Maria weint noch immer, als der Fremde sie anspricht. Ein Gärtner vielleicht. Ob er weiß, wo der Leichnam ist? Auf ihre Frage bekommt sie keine Antwort. Dabei ist das, das einzige, was sie noch interessiert. Immerhin ist sie deswegen gekommen. Um sich um den Leichnam zu kümmern. Stattdessen hört sie ihren Namen: "Maria! Du bist es! Meine Freundin, so wie Du hier stehst. Maria." Sie schaut auf und erkennt den, mit dem es gut war. Er ist da. Er teilt ihr Leben – immer noch. Maria hört die geliebte Stimme und antwortet:

"Du bist es, Du, dem ich vertraue!"

Am Grab unserer Möglichkeiten und Träume, wandelt sich manchmal die Trauer. Das Weinen und Suchen verschwindet langsam. Stattdessen keimt die Gewissheit auf: Mein Leben hätte an manchen Stellen auch anders verlaufen können. Das stimmt. Aber es ist ja nicht nichts geworden, sondern eben anders.

  • Die Frau, die einmal jedes Jahr elf Kindergeburtstage feiern wollte – heute geht sie auf Singlepartys und trifft dort Freundinnen. Das ist ihr Leben.
  • Der Mann, der früher durch die Welt gejettet ist – heute führt er ein sesshaftes Durchschnittsleben und ist finanziell abgesichert.

Ja, ich bin es. Mit dem, was von meinen Träumen wahr geworden ist und mit dem, was anders gekommen ist. Mit dem, was ich von meinen Plänen umgesetzt habe und mit dem, was sich irgendwie so ergeben hat. All das fügt sich vielleicht nicht zu einem glamourösen Ganzen zusammen. Aber deswegen ist es noch lange nicht klein oder banal.

Wo diese Gewissheit wächst, ist die Stimme dessen erklungen, der durch den Tod gegangen ist. Da bin ich versöhnt mir. Bin ich wirklich ich. Und ganz egal welcher Tag im Kalender steht: Dann ist Ostern. Das Fest des Lebens. Und in meinem Inneren erklingt Osterjubel. Zaghaft zuerst, begleitet noch von leisem Zweifel, aber dann mit wachsender Überzeugung: Ja, das bin ich. Vom Auferstandenen gerufen ins Leben. Da bricht sich das Osterglück Bahn, schwillt an zu einer vielstimmigen Musik.

So hat es Maria erlebt. So erleben es auch zwei Jünger auf dem Weg nach Emmaus.

Emmausjünger: Ich kann neu anfangen und weiter leben.

Kleopas und sein Freund wollen weg aus Jerusalem, weg von dem Ort, wo alles an Jesus erinnert. Als sich ihnen dieser Fremde anschließt, kommen sie ins Erzählen. Sie hatten gehofft, dass Ihr Leben mit Jesus wirklich besser wird. Und jetzt scheint es so, als ob doch alles bloß ein großer Irrtum gewesen wäre. Ach, sie hätten sich erst gar nicht auf ihn einlassen sollen! Sie sind wütend. Und gleichzeitig sind da die Schuldgefühle: Wenn sie im Garten Gethsemane nicht eingeschlafen wären, dann hätten sie Jesus vielleicht noch in Sicherheit bringen können und er wäre nicht gestorben?

Der Tod oder auch eine Trennung lassen die Stimme eines geliebten Menschen verstummen. In der plötzlichen Stille werden dann oft andere Stimmen laut. Man hört sie im Inneren:

  • Die Stimme der Trauer, weil der andere ein wichtiger Teil des eigenen Lebens war. Oft sagen ältere Menschen nach dem Tod ihres Lebenspartners: Morgens sind wir miteinander aufgestanden und abends sind wir gemeinsam schlafen gegangen. Wir haben zusammen eingekauft und gekocht. Wir haben alles miteinander gemacht. Der andere fehlt so sehr.
  • Manchmal ist da auch die Stimme der Wut: Warum ist mein Mann vor mir gestorben? Er hat mich einfach allein gelassen. Wie soll ich denn jetzt zurechtkommen ohne ihn?
  • Nach einer Trennung erhebt manchmal das schlechte Gewissen seine Stimme: Ich hätte ihm nicht vorwerfen dürfen, dass er zu wenig Zeit für mich und die Kinder hat. Er hatte halt wirklich viel zu tun auf der Arbeit. Oder: Sie hat sich so gewünscht, dass wir im Urlaub mal nicht ans Meer fahren, sondern in die Berge. Ich geh halt nicht gern wandern. Aber ihr zuliebe hätte ich es ja schon mal machen können.

Selbstvorwürfe, Zorn, Trauer. Der Fremde, mit dem die Jünger auf dem Weg nach Emmaus sind, zeigt wenig Verständnis für diese Gefühle. Stattdessen fährt er die beiden an und behauptet, dass das mit Jesus alles passieren musste. Er holt weit aus für seine Erklärungen, zitiert Mose und den Propheten Jesaja:

"Gott, der Herr, wird den Tod verschlingen auf ewig. Und er wird die Tränen von allen Angesichtern abwischen. Siehe, das ist unser Gott."

Für manche Ohren klingt das befremdlich: Einen traurigen Menschen mit Bibelstellen aufmuntern? Aber Kleopas und sein Freund fühlen sich wahrscheinlich wirklich getröstet. Denn der Fremde redet ja von dem, was ihnen bisher in ihrem Leben auch schon Halt gegeben hat: Die beiden sind tief verwurzelt in dem Glauben, aus dem auch Mose, die Propheten und eben Jesus gelebt haben. Der Fremde sagt, dass die schrecklichen Ereignisse der letzten Tage mit dem zu tun haben, was sie bisher geglaubt haben. Wenn das stimmt, dann ist es vielleicht nicht nur schrecklich. Es tut immer noch weh, aber so können die zwei den Tod Jesu besser akzeptieren. Sie beginnen, ihn als Teil ihrer Lebensgeschichte zu begreifen. Und langsam zeichnet sich ein Weg ab, der aus der Trauer herausführt.

In Emmaus angekommen, bitten die Jünger den Fremden zu bleiben und er folgt ihrer Einladung. Bei Tisch nimmt er das Brot, dankt, bricht es und gibt es ihnen. – Da gehen den Jüngern die Augen auf. Für einen Moment ist es wie damals. Sie erkennen: Der Tod hat keine Macht über das, was sie mit Jesus erlebt und geteilt haben. Was sie verbunden hat, die Nähe, die Vertrautheit, sie ist da. Jetzt. Und sie wird wieder da sein.

Was die Jünger damals erkennen, ahnen wir heute manchmal: Eine Trennung oder der Tod – sie können die Liebe nicht ungeschehen machen, die zwei Menschen einmal verbunden hat. Diese Ahnung stellt sich bei ganz unterschiedlichen Gelegenheiten ein: Ich wische den Staub von dem alten Radio. Damals stand es in der Küche meiner Eltern. Es lief immer schon, wenn ich morgens zu meiner Mutter in die Küche kam: Morning has broken like the first morning. Wie oft habe ich das gehört. Wie oft hat meine Mutter mich mit freundlichen Worten begrüßt, mir das Frühstück hingestellt. Ich sehe das Radio und spüre, wie sie mir einen Kuss auf die Wange gibt. Morning has broken.

Vergangenes wird gegenwärtig, durch einen Gegenstand, einen Brief, ein Foto. Ja, genauso war es damals. Auch wenn es schmerzhaft bleibt, dass der andere aus meinem Leben geschieden ist: Die tief empfundene Vertrautheit von damals wird wieder lebendig. Noch über den Verlust hinaus ist das geteilte Leben aufgehoben in Gottes Ewigkeit.

Solche Momente sind kostbar. Sie sollen nicht enden. Ich möchte sie festhalten. Dass das nicht geht, erfahren auch Kleopas und sein Freund im Lukasevangelium. In dem Augenblick, in dem sie Jesus erkennen, da verschwindet er.

Ostermomente sind nicht von Dauer, das ist leider so. Und doch verändern sie etwas. Der Schleier aus Tränen, Wut und Schuldgefühlen ist zurückgezogen. Ich kann nach vorne schauen und sehe den Weg ins Leben. Zukunft frei von Furcht. Frei für Neues.

Noch am selben Abend brechen Kleopas und sein Freund auf und laufen zurück nach Jerusalem. Schweigend sind sie losgegangen, lachend kehren sie zurück: "Der Herr ist wahrhaftig auferstanden." Osterjubel. Zukunftsmusik für dein Leben.

Amen.