Mit einer Warnung vor dem Kippa-Tragen hat der Antisemitismus-Beauftragte der Bundesregierung, Felix Klein, eine Debatte über die Sicherheit der Juden in Deutschland ausgelöst. Israels Staatspräsident Reuven Rivlin reagierte schockiert und bezeichnete die Äußerung als "Kapitulation vor dem Antisemitismus". Der Präsident des Zentralrates der Juden, Josef Schuster, zeigte sich ebenso besorgt über Gewalttaten gegen Juden wie Bayerns Landesbischof Heinrich Bedford-Strohm. Die Innenminister von Nordrhein-Westfalen und Bayern widersprachen Klein. Juden müssten sich in Deutschland sicher fühlen können.

Ängste über die Sicherheit deutscher Juden seien ein Eingeständnis, dass "Juden in Deutschland wieder nicht sicher sind", sagte Rivlin am Sonntag. Die Verantwortung für das Wohlergehen, die Freiheit und das Recht auf Religionsausübung liege in den Händen der deutschen Regierung und der Strafverfolgungsbehörden.

Klein hatte der Funke Mediengruppe gesagt, er könne "Juden nicht empfehlen, jederzeit überall in Deutschland die Kippa zu tragen". Zur Begründung verwies er auf die gestiegene Zahl antisemitischer Straftaten, von denen etwa 90 Prozent dem rechtsradikalen Umfeld zuzurechnen seien. Der Anstieg habe mit einer "zunehmenden gesellschaftlichen Enthemmung und Verrohung zu tun, die einen fatalen Nährboden für Antisemitismus darstellt".

Mit seinem provozierenden Statement habe er "bewusst eine Debatte über die Sicherheit der jüdischen Gemeinschaft in unserem Land anstoßen" wollen, sagte Klein dem Evangelischen Pressedienst (epd). "Natürlich bin ich der Auffassung, dass es nirgendwo in Deutschland No-Go-Areas für Juden oder Angehörige von anderen Minderheiten geben darf." Von Politik, Gesellschaft und Sicherheitsbehörden seien aber jetzt Wachsamkeit, Zivilcourage und konsequentes Eingreifen gefordert.

Schuster: Ganze Gesellschaft muss gegen Antisemitismus eintreten

Zentralrats-Präsident Schuster nannte es "seit längerem eine Tatsache, dass Juden in einigen Großstädten potenziell einer Gefährdung ausgesetzt sind, wenn sie als Juden zu erkennen sind". Es sei daher gut, wenn diese Situation "auch auf höchster politischer Ebene mehr Aufmerksamkeit erfährt", sagte er dem epd. Die ganze Gesellschaft müsse sich die Bekämpfung des Antisemitismus zu eigen machen.

Bedford-Strohm: Null Tolerenz gegenüber dummen Sprüchen

Der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland, Heinrich Bedford-Strohm, zeigte sich bestürzt: "Es macht mich unendlich traurig, dass wir in unserem Land überhaupt diese Diskussion führen müssen", sagte er den Zeitungen der Funke Mediengruppe. "Und ich schäme mich dafür." Die einzig angemessene Reaktion darauf sei "null Toleranz gegenüber dummen antisemitischen Sprüchen oder allen anderen Formen von antisemitischen Angriffen auf Juden". Antisemitismus widerspreche allem, wofür das Christentum stehe.

Barley: Jüdisches Leben muss geschützt werden

Bundesjustizministerin Barley nannte die "immer häufigeren" Gewalttaten gegen Juden beschämend. "Rechte Bewegungen greifen unsere Demokratie an und zielen auf unser friedliches Zusammenleben", sagte sie dem "Handelsblatt". Polizei und Justiz seien jedoch wachsam, dies müsse die gesamte Gesellschaft sein: "Jüdisches Leben müssen wir mit allen Mitteln unseres Rechtsstaats schützen und Täter unmittelbar zur Verantwortung ziehen."

Der nordrhein-westfälische Innenminister Herbert Reul (CDU) sagte dem WDR, er können Juden "nur ermuntern, sich nicht einschüchtern zu lassen und stattdessen stolz und erhobenen Hauptes durch Deutschland zu gehen - selbstverständlich auch mit Kippa". Es dürfe in Deutschland "nie wieder No-Go-Areas für Mitbürger jüdischen Glaubens geben".

Bayern: es darf keine No-Go-Areas geben

Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU) betonte im Bayerischen Rundfunk, antisemitischen Gewalttaten dürfe auf keinen Fall nachgegeben werden, daher sei die Kippa-Warnung Kleins nicht akzeptabel: "Wir müssen für alle Menschen in unserem Land die Religionsfreiheit gewähren", sagte Herrmann.

Der Antisemitismus-Beauftragte der bayerischen Staatsregierung, der frühere Kultusminister Ludwig Spaenle (CSU), warnte davor, sich mit der von Klein angesprochenen Tatsache abzufinden. "Es darf keine No-Go-Areas in Deutschland für Jüdinnen und Juden geben." Diese müssten "wissen und darauf vertrauen dürfen, dass sie sich sicher in Deutschland und Bayern bewegen können". Ex-Kultusminister Spaenle erneuerte in diesem Zusammenhang seine Forderung nach einer Kultur des Hinschauens in der deutschen Gesellschaft.