Isabell Langkau, die neue Leiterin der Fachstelle für sexualisierte Gewalt bei der evangelischen Kirche in Bayern, wünscht sich, dass die Täter von sexuellem Missbrauch "begreifen, was die Zerstörung eines Lebens bedeutet."Sie wünsche sich, dass Täter erfahren, welche Schwierigkeiten Betroffene auch noch nach Jahrzehnten in ihrem Leben hätten.

"Ich habe noch niemanden erlebt, der nicht ein Riesenproblem hatte, Vertrauen zu fassen".

Eine "Heerschar von Therapeuten" könnte solche Folgen nicht wettmachen.

Stigmatisierung von Betroffenen

Langkau warnt aber davor, Betroffene von sexualisierter Gewalt als Opfer zu bezeichnen. Wer "Opfer" genannt wird, könne in eine "Spirale der Hilflosigkeit" geraten, sagte sie. Er werde damit stigmatisiert und auf ein Defizit festgelegt.

Es sei nicht automatisch gegeben, dass ein Betroffener oder eine Betroffene traumatisiert sei:

"Jeder Mensch, der älter wird, lebt mit größeren krank machenden Ereignissen, manche haben eine Form von Resilienz, andere weniger."

Neue Wege suchen 

Die neue Fachstellen-Leiterin möchte Formen einer "echten Beteiligung" für Betroffene bei der Aufarbeitung der Missbrauchsfälle schaffen.

Bisherige von den Kirchen eingerichtete Betroffenenbeiräte seien zum Scheitern verurteilt, "weil sich die Betroffenen gegenseitig triggern, wenn sie sich ihre Erfahrungen berichten", sagte sie. 

Wir müssen da neue Wege suchen

Es brauche kleinere, individuellere Beteiligungsformen mit unkompliziertem Zugang, eventuell auch per Video. Betroffene sollten so "auf Augenhöhe" ihre Stärken und ihre Erfahrungen einbringen können.

Als ehemalige Redakteurin beim Westdeutschen Rundfunk (WDR) kann Langkau verstehen, warum Medien über die Missbrauchsfälle in der Kirche besonders stark berichten. "Die Fallhöhe von Priestern oder Pfarrern ist besonders groß", betonte sie.

Ein verschwiegenes Thema 

Sie weist aber darauf hin, dass Täter sich ihre "Opfer" auch in anderen Bereichen suchten. "Ich will nicht ablenken", erläuterte sie, "aber es gibt jeden Tag unzählige Fälle in diesem Land, in denen Jugendlichen und Kindern Gewalt angetan wird".

Es werde wenig davon gesprochen, was in Flüchtlingslagern passiert oder dass behinderte Menschen sexueller Gewalt ausgesetzt sind. Besonders tief berühre sie das Leid, das in früheren Jahrzehnten Heimkindern angetan wurde: 

Es ist entsetzlich, dieses Leid geht durch unser Hilfesystem nicht weg.

Über Isabell Langkau

Die 59-jährige Langkau stammt aus dem Ruhrgebiet. Sie arbeitete unter anderem für das ARD-Morgenmagazin und war später Leiterin einer Fernseh-Wissenschaftsredaktion. Sie hat Stabsstellen in der Intendanz des WDR aufgebaut und verantwortet, unter anderem im Bereich sexueller Belästigung, Diskriminierung, Mobbing und des Machtmissbrauchs.

Zuletzt hatte Langkau in der Erzdiözese Freiburg die Verantwortung für den Aufbau einer Interventionsstruktur bei sexuellem Missbrauch in der katholischen Kirche, teilte die Landeskirche mit.

Ziele ihrer Arbeit

Langkau will sich dafür einsetzen, dass die systemischen Zusammenhänge im gesamten Komplex von Missbrauch erkannt werden. "Es geht auch um die Frage, warum gucken so viele weg", so Langkau. Man müsse schauen, ob bereits die Auszubildenden für bestimmte Signale sensibilisiert würden.

Alle Mitarbeitenden müssten über gendergerechtes Verhalten oder ein professionelles Nähe-Distanz-Verhalten Bescheid wissen. Und bei der Auswahl von Personal in Führungsfunktionen würden in Unternehmen in Deutschland noch nicht häufig genug die "dunklen Seiten" der Kandidaten betrachtet, stellt sie fest.

Aufgabe im Landeskirchenamt

Im Landeskirchenamt ist Langkau für die Zusammenarbeit aller Teams zuständig, die sich mit dem Bereich sexualisierter Gewalt befassen. Darüber hinaus ist sie zuständig für den Bereich Chancengerechtigkeit mit Genderfragen, geschlechtliche Vielfalt (LSBTIQ), Diversity und Inklusion, sowie Fragen zur Familienfreundlichkeit, heißt es in einer Mitteilung der evangelischen Landeskirche.