Er war theologisch, kirchenpolitisch, musikalisch, im Kirchenbau und nebenbei auch als Maler und Fotograf aktiv. Und er hat die Jahreslosung erfunden.

Der württembergische evangelische Pfarrer Otto Riethmüller (1889-1938) wirkte zwar zuletzt in Berlin, aber besonders in seiner früheren Gemeinde in Esslingen wird sein Andenken bewahrt. Dort gibt es eine Vielzahl an gesammelten Dokumenten zu dem Pfarrer und Liederdichter. Daraus könnte ein Riethmüller-Archiv entstehen.

Pfarrer Otto Riethmüller: Der Erfinder der Jahreslosung

Die erste Jahreslosung gab Riethmüller 1930 heraus, damals schon Vorsitzender des Reichsverbandes weiblicher Jugend in Berlin. Ab 1934 wurden die Jahreslosungen allgemein veröffentlicht, auch als eine Form des Widerstands gegen nationalsozialistische Parolen.

Für jedes Jahr ein Bibelwort auszusuchen, das in besonderer Weise ermutigen, trösten und Hoffnung wecken oder auch aufrütteln und provozieren kann, war die Idee. Heute wird die Jahreslosung der christlichen Kirchen von der Ökumenischen Arbeitsgemeinschaft für Bibellesen (ÖAB) ausgewählt.

Pfarrer in Esslingen

Frauke Velden-Hohrath, die Vorsitzende der Evangelischen Stadtkirchengemeinde Esslingen, vermutet, dass die Idee der Jahreslosungen wohl schon in Esslingen entstanden sei. Dort war Riethmüller von 1918 bis 1928 Pfarrer in der Pliensauvorstadt, wo er auch am Neubau der expressionistischen Südkirche mitwirkte.

Die Esslinger Gemeinde verfügt über eine Vielzahl an Archivalien zu Riethmüller, die teilweise sonst nirgends mehr zu finden sind. Sie zu erschließen, wäre Velden-Hohraths Wunsch. Den hatte im Jahr 1989 auch schon der damalige Esslinger Gemeindepfarrer Christoph Plag.

Vielseitiges Schaffen

Die Öffentlichkeitsbeauftragte des Evangelischen Kirchenbezirks Esslingen, Ulrike Rapp-Hirrlinger, hat zusammengetragen, was Plag seinerzeit an Vorarbeit für ein Riethmüller-Archiv geleistet hatte. Es seien zahlreiche Publikationen, Predigten, Briefe, Lieder und andere Erinnerungsstücke an Riethmüller.

Darunter sei "eines der ganz wenigen erhaltenen Ölgemälde", das vermutlich Riethmüller zugeordnet werden könne. Die meisten von Riethmüllers Bildern seien in Berlin verbrannt, erklärte Plag.

"Die Zuwendungen kamen nicht nur von Esslingern oder auswärts wohnenden Spendern, sondern auch von den Riethmüller-Kindern und Anverwandten."

In den Beständen des Pfarramts fand Plag zudem "einige charakteristische Dokumente" wie das Konfirmandenbuch Riethmüllers, in dem "zahlreiche Notizen und Dispositionen zu den Katechismusstücken" enthalten sind.

"Die Menge des Zusammengekommenen drängte unwillkürlich zu dem Entschluss, ein spezielles Riethmüller-Archiv anzulegen", schrieb Plag seinerzeit in seinen biografischen Aufzeichnungen.

Nicht nur die Publikationen Riethmüllers liegen im Archiv, auch alle Predigten aus seiner Esslinger Zeit und viele aus späteren Jahren bis etwa 1937. "Wer den Grundansatz von Riethmüllers Theologie und seines Glaubens sucht, wird hier fündig", sagt Frauke Velden-Hohrath. Riethmüller habe seine Predigten gerne mit Liedern, Dank- und Bittgebeten umrahmt. Auch davon finde sich einiges im Esslinger Archiv, etwa das Singspiel "Die Königshochzeit".

Bestandsliste

Pfarrer Plag, der von 1970 bis 1996 in Esslingen wirkte, legte eine Bestandsliste an. Doch Dinge, die später zugefügt wurden, sind nicht mehr archiviert. "Deshalb ist unklar, wie vollständig die Sammlung ist", bedauert Velden-Hohrath. Klar sei jedoch, dass sie weit über die Zeit von Riethmüllers Wirken in Esslingen hinausgeht. Auch die Korrespondenz des in Bad Cannstatt geborenen Theologen wolle noch erforscht werden.

Michael Bing vom Landeskirchlichen Archiv in Stuttgart weiß, dass die Personalakte Riethmüllers auf der Stuttgarter Gänsheide aufbewahrt wird. Weitere Materialien müssten im Dekanatsarchiv Esslingen liegen und beim Evangelischen Jugendwerk in Württemberg.

Aus seiner Sicht sind die Esslinger Bestände spannend, und das Landeskirchliche Archiv werde gerne seine Unterstützung für den Aufbau eines Riethmüller-Archivs anbieten.