Viola Kohlberger ist 32 Jahre alt und darf ihren Traumjob nicht antreten, weil die Mehrheit der 27 mächtigsten katholischen Bischöfe in Deutschland sich gegen sie stellte – und das, obwohl die Augsburgerin augenscheinlich top qualifiziert ist.

"Ich fühle mich so ohnmächtig", sagt Kohlberger wenige Tage später im Gespräch am Telefon mit Redakteurin Larissa Launhardt.

Wahl von Viola Kohlberger zur Bundeskuratin

Im Januar 2025 wollte die Augsburgerin das Amt der Bundeskuratin der Deutschen Pfadfinderschaft Sankt Georg (dpsg) übernehmen, wäre damit zur Vorständin, geistlichen Leiterin und somit auch zum Gesicht des mit rund 85.000 Mitgliedern größten Pfadfinderverbands Deutschlands geworden. Bei der Bundesversammlung der dpsg im Mai wollte sie sich als letzten Schritt eines langen Bewerbungsverfahrens offiziell zur Wahl stellen. Doch der ständige Rat, in der katholischen Kirche eines der wichtigsten und mächtigsten Organe der Deutschen Bischofskonferenz, stimmte wenige Tage vorher überraschend gegen die 32-Jährige.

Mitzureden hat der ständige Rat, da es sich bei der dpsg um einen katholischen Jugendverband handelt und die Stelle über die katholische Kirche finanziert wird. Die Zustimmung der Bischöfe ist jedoch üblicherweise eine Formalie.

Arbeiten für die katholische Kirche

"Ich habe mir das erste Mal letztes Frühjahr darüber Gedanken gemacht, ob das eine Stelle für mich wäre, bin dann auch viel in Gespräche gegangen und hab mich dann im September 2023 dafür entschieden, dass ich kandidiere", so Kohlberger. Und weiter:

"Ich habe lange überlegt, ob ich mich in den Dienst der katholischen Kirche stelle. Kann ich die oberste geistliche Leitung übernehmen, wenn ich so Kritik habe an Kirche und wenn ich mich so unwohl fühle in manchen kirchlichen Kontexten und auch weiß, wie unfair viele Sachen ablaufen?"

Trotz ihrer Bedenken entschied sich die Theologin für das Amt, wollte aktiv gestalten, ihrer Kirche eine weitere Chance geben. Im Dezember begann sie offiziell ihre Bewerbung, reichte Empfehlungsschreiben ein, ließ ihre Unterlagen auch im Hinblick auf ihre theologische Eignung von den zuständigen Ämtern prüfen, führte im Februar 2024 ein erfolgreiches Bewerbungsgespräch mit dem zuständigen Bischof Michael Gerber und stellte sich anschließend sogar bereits bei den entsprechenden Gremien des Verbands vor. Ein monatelanger Prozess, der nicht nur Zeit, sondern auch Nerven kostete.

Fachliche Qualifikation

Auf dem Papier spricht nichts gegen die 32-Jährige. Sie promoviert aktuell in katholischer Kirchengeschichte, arbeitet parallel als Diözesankuratin im Bistum Augsburg, hat also bereits Erfahrung im Bereich der geistlichen Leitung und ist seit rund 25 Jahren "aus vollem Herzen" Mitglied der dpsg. Auch der Aufschrei, der auf die Entscheidung des ständigen Rats gegen Viola Kohlberger folgte, spricht für sich.

"Die Entscheidung des Ständigen Rates ist für uns in keiner Weise nachvollziehbar. Wir kennen Viola als engagierte Jugendverbandlerin unter anderem aus der gemeinsamen Arbeit im Synodalen Weg und schätzen ihr Engagement und ihre Begeisterung. Viola gilt unsere ganze Solidarität!", teilt der Bundesverband des Bundes der Deutschen Katholischen Jugend mit.

Das Zentralkomitee der deutschen Katholiken schrieb außerdem auf X: "Das Präsidium des Zentralkomitees der deutschen Katholiken ist irritiert über die Nachricht, dass Viola Kohlberger nicht die notwendige Zustimmung (…) erhalten hat." Sie stehe stellvertretend für die nächste Generation von Katholik*innen, die bereit steht, um "unsere Kirche zukunftsfähig zu machen." Die Entscheidung sei nicht nachvollziehbar.

Und natürlich äußerte sich auch der dpsg selbst, schrieb über Instagram: "Enttäuschung, Unverständnis, Ärger… Die vergangene Woche war auch für uns als Bundesvorstand geprägt von unterschiedlichen Emotionen." Der Verein wolle nun gemeinsam mit Kohlberger mögliche nächste Schritte ausloten und das Thema mit allen Mitgliedern auf der Bundesversammlung besprechen. "Wir hoffen, dass wir so alle gemeinsam den bestmöglichen Umgang mit dieser schwierigen Situation finden, in die die Entscheidung des ständigen Rates Viola und unseren Verband gebracht hat", so der dpsg weiter. Über Soziale Medien solidarisierten sich zahlreiche Weitere mit Kohlberger und äußerten sowohl Unverständnis als auch Ratlosigkeit.

Ratlosigkeit über die Entscheidung der Bischöfe

Ratlosigkeit sei auch ihr vorherrschendes Gefühl im Moment, so Kohlberger weiter am Telefon. "Normalerweise ist es so, wenn der zuständige Bischof sich für eine Person ausspricht, dann stimmt das restliche Gremium zu. Dass mal jemand wegen formaler Sachen abgelehnt wird, klar, aber zumindest im Jugendbereich wurde in den letzten Jahren nie jemand abgelehnt, weil die Person nicht gepasst hat und es sozusagen persönliche Gründe gab."

Was die genauen Gründe waren, wird die 32-Jährige wahrscheinlich nie erfahren, denn der ständige Rat ist nicht dazu verpflichtet, Argumente für seine Entscheidung mitzuteilen. "Das ist die typische Strategie, es wird ausgesessen. Und dann beruhigen sich alle Gemüter wieder, alle Personen haben ihren Ärger einmal ausgesprochen und dann geht’s zurück zum normalen Tagesgeschäft", sag Kohlberger frustriert. Auch beantragten die Bischöfe extra eine geheime Abstimmung, sodass nicht einmal deutlich wird, wer die Männer waren, die gegen sie stimmten.

Mögliche Gründe für die Ablehnung

Offensichtlich scheint, dass der ständige Rat Viola Kohlberger nicht in solch einem repräsentativen und einflussreichen Amt sehen wollte. Auch scheint sie einigen Bischöfen unbequem zu sein. Die 32-Jährige äußert sich auf Instagram immer wieder öffentlich zur Kirchenpolitik und arbeitete aktiv am katholischen Reformprozess Synodaler Weg mit.

Sie selbst vermutet, dass ihr dies nun zum Verhängnis wurde:

"Ich glaube, es geht schon auch darum, dass ich immer wieder öffentlich Kritik geübt habe an einzelnen Bischöfen und natürlich auch an der Bischofskonferenz im Gesamten. Insbesondere an Bischöfen, die ihre Macht missbrauchen, auch mir gegenüber. Und ich denke, gerade diejenigen Männern, die ihr Amt nicht mehr von ihrer Person trennen können, sehen eine Kritik am Amt oder ihrer Amtsführung natürlich auch immer als Kritik an ihrer Person. Und das ist halt superschwierig."

Dabei war sich Kohlberger stets der Folgen bewusst: "Mir war das auch völlig klar, als ich beim Synodalen Weg eingestiegen bin und ich hab auch mein Instagram-Profil bewusst auf öffentlich gestellt. Ich wusste, dass mir Konsequenzen drohen können und bin da jetzt nicht so naiv reingegangen."

Die Folgen

Dass ihr nun so ein massiver Riegel vorgeschoben wurde, schockiert Kohlberger dennoch. "Ich weiß gerade nicht weiter", sagt sie. "Ich muss nun wirklich gucken, ob ich noch für die katholische Kirche arbeiten möchte. Das war das letzte Stück Vertrauen, das jetzt noch zerschlagen wird." Eine Freundin von ihr sei als Reaktion aus der Kirche ausgetreten, weitere in ihrem Bekanntenkreis würden mit dem Gedanken spielen.

Der dpsg steht nun ohne Bundeskuratin da, Viola Kohlberger war die einzige Bewerberin. Auch tagt der ständige Rat nur alle paar Monate. Ein Pressesprecher Rats erklärte auf Anfrage unserer Redaktion, zu Personalentscheidungen grundsätzlich keine Stellungnahme abzugeben. Insofern sei auch keine Erklärung geplant.

Die Hauptforderungen, für die die 32-jährige Augsburgerin stets so leidenschaftlich eintritt, sind übrigens: Mehr Machtteilung, größere Geschlechtergerechtigkeit, Zugang zu allen Ämtern für alle Personen. Themen, die der Mehrheit der deutschen Ortsbischöfe wohl zu radikal scheinen.

 

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