Zielstrebig erzählt Schülerin Zarlasht von ihren Zukunftsplänen:
"Ich will Operationsassistentin werden."
Ein Praktikum im Krankenhaus hat die 15-Jährige bereits absolviert, doch bis dahin ist es noch ein weiter Weg. Ihre Lehrer, allen voran Schulleiter Thomas Häns, sind überzeugt: Die junge Frau wird ihren Weg machen - über die Realschule zum Abitur und später zum Studium.
Sie gehört zu den Jugendlichen, die im deutschen Bildungssystem oft unsichtbar bleiben, vor allem, wenn sie mit anderen Voraussetzungen starten als ihre Mitschüler. Ihre Eltern kommen aus Afghanistan und Zarlasht kämpft mit Sprachbarrieren, einem fremden kulturellen Hintergrund und der Unsicherheit des Alltags. Vorurteile und mangelnde Unterstützung begleiten sie auf ihrem Weg.
15-jährige Schülerin beweist Führungsqualitäten
In der Schülervertretung der Mittelschule am Winthirplatz beweist Zarlasht bereits Führungsqualitäten. Gemeinsam mit fünf anderen Schülerinnen setzt sie sich für Chancengleichheit ein: Bezahlbares Essen in der Mensa, Hygieneartikel auf der Damentoilette. Aber auch der Spaß kommt nicht zu kurz. Gerade planen sie ein Fußballturnier in der Schule. Ihr Herzensanliegen ist eine kostenlose Nachhilfebörse. "Ich bin gut in Englisch und Mathe und kann anderen helfen", sagt die 15-Jährige selbstbewusst. Bei den Halbjahreszeugnissen hofft sie, einen Nachhilfebörsenstand organisieren zu können, bei dem sich Nachhilfelehrer:innen und -suchende eintragen können.
Zarlashts Engagement ist beispielhaft für eine Gruppe, die im Bildungssystem oft übersehen wird: Kinder und Jugendliche mit Migrationshintergrund. Das wurde bei einem Treffen mit Landesbischof Christian Kopp, der Evangelischen Jugendsozialarbeit Bayern (EJSA) und der Evangelischen Jugend München (EJM) deutlich.
EJSA-Geschäftsführerin Barbara Klamt brachte es auf den Punkt: "Wir müssen von den Schwächsten her denken". Denn: "Nur wer die bedürftigsten Jugendlichen erreicht und ihnen kostenlose, passgenaue Angebote macht, kann nachhaltig etwas bewegen." Die ab 2026 geplante Ganztagsbetreuung biete dafür eine neue Chance, so Klamt.
Landesbischof Kopp, selbst erfahrener Religionslehrer, sieht die enormen Herausforderungen: "Kinder bekommen heute alle Krisen mit. Das belastet ihre Seelen." Junge Menschen bräuchten deshalb Freiräume und Menschen, die sie auf guten Wegen begleiten. Sein Plädoyer: "Menschen prägen Menschen". Jede zwischenmenschliche Begegnung habe einen großen Einfluss auf Kinder und Jugendliche. "Das können gute Eltern sein. Das können aber auch gute Sozialarbeiter in den Schulen sein."
Nächstenliebe als Kern des Tuns
Doch wo viel erreicht wird, gibt es auch große Hürden: Petra Schweiger und Jenny Dirmeier von der Jugendsozialarbeit an Schulen (JaS) sind in ihrer täglichen Arbeit mit zunehmender Gewaltbereitschaft unter Jugendlichen, schwindender Sozialkompetenz und der ständigen Präsenz des Smartphones konfrontiert. "Was wir machen, ist nur die Spitze des Eisbergs", sagt Schweiger.
Dirmeier ergänzt: Ohne den engen und regelmäßigen Austausch mit meiner Kollegin und der Schulleitung wäre die Arbeit nicht möglich. Trotz der Herausforderungen sind beide dankbar für das offene Ganztagsangebot und die Möglichkeit, ihren Beitrag zu leisten. "Unsere Arbeit basiert auf christlichen Werten - Nächstenliebe ist der Kern dessen, was wir tun", sagt Schweiger.
Und genau darum geht es: Hilfe und Unterstützung - eben Nächstenliebe - für die Jugendlichen, die die Gesellschaft am meisten braucht. Die Zusammenarbeit der verschiedenen Institutionen schaffe eine Kultur der Wertschätzung, die das gesamte Schulklima präge, sagt Kopp.
"Nur wenn wir alle an einem Strang ziehen, können wir den Jugendlichen die Unterstützung geben, die sie wirklich brauchen", betont er. Wichtig ist ein Umfeld, in dem sich jeder Einzelne gesehen und ernst genommen fühlt. Zarlasht ist dafür das beste Beispiel: Früher selbst auf Hilfe angewiesen, setzt sie sich heute für andere ein - eine junge Frau, die Mut macht.
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