Mit der Aktion "einfach heiraten" setzt die Evangelisch-Lutherische Kirche in Bayern ein starkes Zeichen: unkomplizierte, berührende Trauungen mit geistlicher Tiefe – ohne großen Planungsstress.
Ein Blick auf die Zahlen verrät, dass die Aktion sehr gut ankommt: Seit dem Start 2023 hat die Zahl der teilnehmenden Kirchen stetig zugenommen. Standen 2023 dreizehn Kirchen bereit, waren es 2024 bereits 49. Heuer sind es über 60.
Auch die Zahl der Interessierten wächst deutlich: Vergangenes Jahr ließen sich 626 Paare trauen oder segnen, im Vergleich zu 2023, als es 230 Paare waren. Kirchenrat Michael Wolf erklärt im Interview, warum die Initiative so erfolgreich ist, wie auch kritische Stimmen überzeugt werden konnten und welche Kraft sie der Kirche selbst zurückgegeben hat.
Was ist aus Ihrer Sicht das Erfolgsgeheimnis der Aktion "einfach heiraten"?
Michael Wolf: Der große Reiz ist: Es war keine Einzelaktion einer Gemeinde, die für sich etwas bastelt, sondern eine konzertierte Aktion. Wir haben ein gemeinsames Logo, einen abgestimmten Ablauf mit dem Gottesdienst-Institut, und wir haben uns mit der Segen.Servicestelle Gedanken gemacht, wie wir das gut kommunizieren können. Das war echte Teamarbeit über alle Ebenen hinweg – von der Basis bis zum Landeskirchenamt.
Die Rückmeldungen aus den Gemeinden waren entsprechend: Es war spürbar, dass wir gemeinsam unterwegs sind. Und das hat viel zur Kraft und Wirkung der Aktion beigetragen.
"Im ersten Jahr gab es innerkirchlich durchaus Gegenwind"
Gab es zu Beginn auch kritische Stimmen?
Ja, im ersten Jahr gab es innerkirchlich durchaus Gegenwind – bis hin zu schriftlichen Stellungnahmen an den Landesbischof mit der Forderung, das sofort zu stoppen. Es wurde befürchtet, wir würden die Kasualien, vor allem die Trauung, "verramschen". Manche hatten bei "einfach heiraten" Assoziationen zu Las Vegas und wilden Partys.
Aber wer das einmal miterlebt hat, merkt schnell: Es geht den Paaren um etwas ganz anderes. Sie kommen ganz bewusst – oft sehr bewegt, mit viel Sehnsucht – für den Segen. Und genau das war für mich persönlich auch so eindrucksvoll: Ich habe viele Trauungen erlebt, aber die bei "einfach heiraten" gehörten zu den berührendsten meiner Laufbahn. Keine Hochzeitstorte, keine Gästeliste – es geht nur um den Segen. Das ist eine tiefe, ehrliche Form des Rituals.
Wie kam es zur Bezeichnung "einfach heiraten" – und was steckt dahinter?
Der Name ist tatsächlich eine bayerische Erfindung. Wir wollten bewusst nicht von "spontanen Hochzeiten" sprechen, weil das zu viele Missverständnisse erzeugt hätte. "einfach heiraten" bringt es besser auf den Punkt: ein niedrigschwelliger Zugang zum Segen, ohne großes Tamtam – aber mit geistlicher Tiefe.
Mittlerweile haben viele andere das Konzept übernommen – von Erfurt bis Pforzheim. Die Rheinische Kirche plant für nächstes Jahr ihre eigene ‚einfach heiraten‘-Aktion. Präses Thorsten Latzel hat bereits mit unserem Landesbischof Christian Kopp darüber gesprochen. Es ist noch offen, ob sie den gleichen Termin wählen – was natürlich toll wäre für die öffentliche Wirkung. Und wir freuen uns darüber! Wir erheben keine Markenrechte. Wenn etwas gut ist, darf es gern geteilt werden. Wir geben auch Materialien weiter – Flyer, Logos, Ablaufpläne. Wichtig ist, dass die Idee sich verbreitet.
"Es funktioniert nicht nur in Großstädten wie München oder Nürnberg, sondern auch auf dem Land"
Gab es auch überraschende Erfahrungen bei der Umsetzung vor Ort?
Ja, viele! Ich erinnere mich besonders an Kalbensteinberg – ein kleines Dorf mit rund 300 Einwohnern. Ich bin dorthin gefahren, weil eine junge Kollegin das Projekt umsetzen wollte und von anderen zunächst Gegenwind bekam. Ich wollte sie unterstützen – hatte aber ehrlich gesagt Zweifel, ob sich dort überhaupt Paare melden würden.
Und dann waren es elf Trauungen an einem Tag! Zwei Paare hatten sogar durch Antenne Bayern genau an diesem Morgen davon erfahren. Das hat mir gezeigt: Es funktioniert nicht nur in Großstädten wie München oder Nürnberg, sondern auch auf dem Land.
Ist "einfach heiraten" auch eine innerkirchliche Erfolgsgeschichte?
Unbedingt. Als Kirche erleben wir momentan oft Rückbau – schrumpfende Strukturen, weniger Ressourcen. Umso wichtiger sind Aktionen, die Kraft geben. Und genau das war hier der Fall. Viele haben berichtet: Das war wie eine Teambuilding-Maßnahme. Es hat viel Energie gekostet, aber mindestens genauso viel Energie zurückgegeben.
Besonders war auch das Miteinander: Das Landeskirchenamt, der Landeskirchenrat, die Segen.Servicestelle und die Gemeinden – alle haben ihren Teil beigetragen. Es war kein Kirchturmdenken, sondern echtes Zusammenwirken. Und genau das war wohl auch ein Grund für den Erfolg.
"Ein einfacher Zugang zur Liebe Gottes, ein ehrliches, persönliches Ritual. Das ist der Kern von 'einfach heiraten'"
Wie wichtig sind besondere Orte für das Konzept?
Die Vielfalt an Orten ist sicher reizvoll – vom Baumwipfelpfad im Steigerwald bis zum Flughafen in Freising. In Fürth gab es sogar eine Mitternachtstrauung auf dem Kirchturm. Das ist toll für die, die sich so etwas wünschen.
Aber für die meisten Paare war das gar nicht entscheidend. Es ging ihnen nicht um den spektakulären Ort, sondern darum, dass eine Pfarrerin oder ein Pfarrer da ist, eine Kirche oder ein schlichter Raum – und das Segensritual.
Genau darin liegt die eigentliche Stärke: Ein einfacher Zugang zur Liebe Gottes, ein ehrliches, persönliches Ritual. Kein Event, sondern echte Tiefe. Das ist der Kern von "einfach heiraten".
Wie haben sich die Rahmenbedingungen für kirchliche Trauungen insgesamt verändert?
Die kirchliche Trauung ist heute keine Selbstverständlichkeit mehr. Immer mehr Menschen entscheiden sich für freie Rednerinnen und Redner, viele sagen: "Standesamtlich reicht uns." Deshalb haben wir als Landeskirche in den letzten Jahren bewusst investiert – unter anderem mit Präsenz auf Hochzeitsmessen, nicht nur in München und Nürnberg, sondern zunehmend auch in kleineren Städten und Regionen.
Dabei geht es uns darum, zu zeigen: Wir können Rituale. Wir haben wunderschöne Kirchen, eine reiche Tradition – und wir haben den Segen Gottes. Das ist unser Alleinstellungsmerkmal.
"Viele sind längst offen für besondere Orte: am See, auf dem Berg, in der Eventlocation"
Wie gehen Sie mit dem Wunsch vieler Paare nach einer Trauung im Freien um?
Wir hören oft: "Eigentlich hätten wir uns eine kirchliche Trauung vorstellen können, aber wir wollten draußen heiraten – also haben wir eine freie Trauung gemacht." Und dann sind viele überrascht, wenn wir sagen: Auch Pfarrerinnen und Pfarrer der evangelischen Kirche trauen im Freien.
Das ist noch nicht überall selbstverständlich – es gibt Regionen und Kolleginnen und Kollegen, die sagen: Nur in der Kirche. Aber viele sind längst offen für besondere Orte: am See, auf dem Berg, in der Eventlocation. Da hat sich spürbar etwas bewegt.
Kommentare
Diskutiere jetzt mit und verfasse einen Kommentar.
Teile Deine Meinung mit anderen Mitgliedern aus der Sonntagsblatt-Community.
Anmelden