Mit Zollstock und Maßband "bewaffnet" wurden die Kirchen im Kirchenkreis Nürnberg ganz neu erkundet und individuell Platzkonzepte erstellt, um festzustellen, wie viele Personen unter Berüksichtigung der Abstandsregel nun hinein passen.
Im Dekanat Fürth variiert die Personenzahl somit von 23 Personen in der Heilig-Geist-Kirche auf der Hardhöhe bis zu 79 Plätzen in der Altstadtkirche St. Michael. Ein Sicherheitsabstand von zwei Metern muss allerorts eingehalten werden.
Es herrscht gottesdienstliche Maskenpflicht, im Kirchenraum werden aus hygienischen Gründen keine Gesangbücher aufgelegt, es gibt auch keine Hand vom Pfarrer zum Abschied. Reduzierter Gemeindegesang ist nur mit Mund-Nase-Bedeckung möglich. Kein Covid-19-Kranker noch Kontaktpersonen dürfen am Gottesdienst teilnehmen.
Gottesdienste wieder erlaubt: 7 Regeln, die Sie jetzt zum Schutz beachten müssen
St. Sebald in Nürnberg
Die sind nur einige der Regeln, die seit dem 4. Mai gelten. Die Umsetzung vor Ort wurde umsichtig gestaltet und ist manchmal erst auf dem zweiten Blick erkennbar. Beispiel St. Sebald in Nürnberg: Hier stehen im Kirchenraum plötzlich drei Bänke zusammen, sodass der Abstand zur nächsten freien Bank sich zwangsläufig ergibt.
Die Bänke an den Seiten wurden nicht mit rot-weißen Absperrband versiegelt, sondern dezent mit einer Schnur. "Das war eine ganz schöne Arbeit, die Holzbänke herum zu wuchten", schnauft Andrea Franke tief durch.
Die Vertrauensfrau des Kirchenvorstands von St. Sebald zeigt alleine schon am Austeilen von Liedzetteln, auf welche Details man jetzt achten muss: Selbst die Blätter müssen in ausreichendem Abstand ausgelegt werden, damit keiner auf die Idee kommt, sich zu nahe an den Nachbarn heran zu setzen.
Wie feiern Gemeinden im Dekanat Nürnberg Gottesdienst?
In nahezu allen evangelischen Gemeinden im Dekanat Nürnberg wurde ab dem 10. Mai wieder Gottesdienst gefeiert. Eine Woche später zogen dann die Osterkirche in Worzeldorf, die Stephanuskirche in Gebersdorf sowie die Philippuskirche in Reichelsdorf nach.
Im Stadtteil Langwasser folgen die Gemeinden einem abgestuften regionalen Konzept, nachdem dem zuerst in der Paul-Gerhardt-Kirche, in der Woche in der Dietrich-Bonhoeffer-Kirche sowie am 23. und 24. Mai jeweils die Martin-Niemöller-Kirche und die Passionskirche wieder Gottesdienste anbieten.
"Aufgrund der Abstandsregelung gilt für alle Gottesdienste eine begrenzte Teilnehmerzahl", erklärt Stefanie Reuther, Dekanats-Sprecherin. In einigen Gemeinden wie St. Jobst und St. Markus wird vorab um Anmeldung gebeten. In Laufamholz, Erlenstegen, St. Johannis, Gibitzenhof, St. Sebald und Worzeldorf wird der Gottesdienst zu mehreren Zeiten angeboten. Wer in den vergangenen Wochen schon digitale Angebote ins Netz gestellt hat, tut das meist auch weiterhin.
Die neue Normalität
Gabi Trinks ist Mesnerin in der Stadtkirche Schwabach und zufrieden mit dem bisherigen Verlauf der Gottesdienste. "Wir hatten alles gut durchdacht und vorbereitet. Neben einem Hauptamtlichen hatten wir noch einen ehrenamtlichen Mitarbeiter im Einsatz und es haben sich weitere ehrenamtliche Mitarbeitende gemeldet, die uns in der nächsten Zeit unterstützen werden", erklärt sie.
Nach den ersten drei Gottesdiensten wurde dann noch bei der Markierung der Sitzplätze etwas verändert. "Uns ist es wichtig, die Gottesdienstbesucher freundlich in die "neue Normalität" mit hineinzunehmen. Für die nächsten Wochen kann es so weiter gehen in der Hoffnung, dass sich die Abstände bald verringern dürfen", sagt Trinks.
Gottesdienst-Übertragung nach draußen
Zweigleisig fahren derzeit die Pfarrer Daniela und Stefan Merz in der Georgskirche Kammerstein. "Wir haben rund 40 Plätze in der Kirche", erklärt Stefan Merz, "und bis zu 50 Personen dürfen draußen mit zuhören. Wir übertragen den Gottesdienst auf den Friedhof." Vor dem ersten Gottesdienst nach dem Ende der strengen Ausgangsbeschränkungen hatten das Pfarrersehepaar und der Kirchenvorstand die Kirche vermessen und Sitzpläne angefertigt.
Wer zum Gottesdienst kam, wurde an der Kirchentüre empfangen und dann direkt zum Platz geführt. Für die künftigen Gottesdienste werde man "besseres Wetter bestellen, damit wir auch draußen noch Leute unterbringen können, falls mehr kommen", ergänzt Daniela Merz. Ansonsten habe das Konzept so gut funktioniert. Reservemasken lagen bereit, wurden aber fast nicht gebraucht.
"Unsere Hoffnung ist, dass die Landeskirche sich dafür einsetzt, dass bald zumindest im Freien wieder Bläsermusik und Feiern ohne Maske, dafür lieber mit etwas mehr Abstand, möglich sein wird. Die Sommersaison kommt, das würde einiges deutlich erleichtern", so die Beiden einhellig.
Gottesdienst mit Masken in Wendelstein
Ein Team bestehend aus zwei Pfarrern, der Mesnerin und einer Kirchenvorsteherin hatte die Abstände in der evangelischen Kirche in Wendelstein gekennzeichnet. "Das war nicht mühsam. Außerdem haben wir einen Desinfektionsmittelspender montiert und die Gesangbücher entfernt", meint Pfarrer Norbert Heinritz. Der Gottesdienst sei dann gut besucht gewesen.
Von den möglichen 57 Plätzen waren knapp 50 belegt. Die Besucher hätten sich vorbildlich verhalten, den Abstand gewahrt und Mund- und Nasenschutz getragen. "Es war natürlich ein sehr eigenartiges Bild, wenn man in die Gemeinde blickt, in der Masken getragen werden. Viele haben mir gesagt, dass sie glücklich und froh waren, dass wieder Gottesdienst gefeiert wurde", sagt der 56-Jährige.
Es hätte ja durchaus auch Diskussionen über die Schutzmaßnahmen geben können. "Das gemeinsame Singen und Beten hat mir sehr gefehlt", bekennt der scheidende Pfarrer, der zum 1. Oktober eine Pfarrstelle für Krankenhaus- und Altenheimseelsorge bei Diakoneo Neuendettelsau antritt. Nachholbedarf gebe es eigentlich nicht. "Die Lieder hatten wir mit zwei Beamern projiziert, von dem der eine etwas alters- und lichtschwach ist. Da müssen wir uns noch etwas überlegen."
Kleine Landgemeinden
Und dann gibt es auch die kleinen Landgemeinden wie in Wolkersdorf, wo genau 19 Personen Platz finden konnten. "Alle Plätze waren besetzt, aber wir mussten keinen abweisen", erinnert sich Pfarrer Thorsten Wolff. Künftig wolle man bei schönen Wetter vor die Kirche gehen, wo man bis zu 50 Personen unterbringen könne.
Werner Gottwald, Pfarrer in Rittersbach nahe Roth berichtet von einem ungewohnten und teils befremdlichen Gottesdiensts: "Die vereinzelt sitzenden Gemeindemitglieder, kein voller Gemeindegesang, der Mundschutz lies mir keine Mimik erkennen – sehr hinderlich gerade bei der Predigt. Irgendwie eine gedrückte Stimmung", erklärt Gottwald.
Wenngleich nach dem Gottesdienst das Gefühl aufgekommen sei, dass es doch auch wieder stärkend und wohltuend war, Gottesdienst zu feiern. Allein der vertraute Gottesdienstraum habe gut getan.
St. Martin in Fürth
Pfarrer Kuno Hauck beschreibt die ersten Gottesdienste nach der Zwangspause in St. Martin in Fürth als ein fröhliches Wiedersehen mit alten Bekannten. "Die Augen haben gelacht, den Mund hat man nicht gesehen. Wir haben weniger gesungen und dafür eine Sängerin engagiert, das kam sehr gut an und hat auch die Stimmung gehoben", meint Hauck.
In St. Martin wurden Masken gegen Spende bereitgelegt, was vereinzelt genutzt wurde, aber alle kamen mit Maske. Von den 52 markierten Plätzen im Kirchenschiff unten waren am 10. Mai 35 belegt. Ehepaare oder Familien saßen zusammen.
Christuskirche Fürth-Stadeln
Pfarrer Udo Götz aus der Christuskirche Fürth-Stadeln hat für das Sonntagsblatt einige Rückmeldungen der Gottesdienstbesucher nach dem 10. Mai zusammengetragen. Dagmar Rottmann war froh, wieder singen zu dürfen. "Allerdings hat mir unter der Maske der Atem nicht wirklich gereicht. Aber es war toll, dass ein reduzierter Chor da war! Das hat es zu einem Fest gemacht."
Doris Schrems bekennt, dass der Gottesdienst am Sonntag und die Chorproben fehlen. So sei der gemeinsame Gottesdienst nach der langen Pause, die Musik und das Singen trotz der Maske ein stärkendes Erlebnis gewesen.
Helga Willomitzer meint: "Der Sonntag ist für mich ein besonderer Tag, durch den Kirchgang, ich bin danach immer sehr ausgeglichen und fröhlich, ich spüre Gott viel näher. Ich freue mich, dass er jetzt wieder möglich ist, es hat mir sehr gefehlt, obwohl ich zu Hause auch immer gebetet und gesungen habe, aber es ist besser in der Kirche." In dieselbe Kerbe schlägt auch Sibylle Korn, die Gottesdienste über Fernsehen oder Internet zwar interessant findet, aber nicht so wie persönliche Teilnahme.
Vorteil: Stühle statt Bänke
"Wohl dem, der eine Kirche mit Stühlen hat", entfährt es Pfarrer Oliver Schürrle spontan, wenn er an seinen ersten Corona-Gottesdienst in seiner Kirche in Herzogenaurach denkt. In dem modernen Kirchenraum konnten Fünfer-Stuhlgruppen gebildet werden, es durften sich nur ganz rechts und ganz links Gottesdienstbesucher setzen.
Wer im gemeinsamen Haushalt lebt, durfte nebeneinander sitzen. So konnte sicher gestellt werden, dass alle im Zwei-Meter-Abstand sitzen. Beim ersten Gottesdienst mit Auflagen waren 41 Personen in der Kirche. Es wären noch mehr möglich gewesen. "Da die Kirche aber in diesen Stuhlgruppen gestellt war, waren überall Menschen gesessen. Es sah so luftig, aber gefüllt aus. Man konnte sich gegenseitig gut sehen. Trotz der Masken kam eine gottesdienstlich-fröhliche Stimmung auf", meint Schürrle.
Wichtig sei, dass man für jeden Gottesdienst drei Leute mindestens für die Durchführung des Sicherheitskonzeptes braucht. Das ist eine Herausforderung für die Ehrenamtlichen.
Dekanat Erlangen
Der schmerzliche Verzicht auf Gottesdienste mit persönlicher Anwesenheit in den letzten Wochen war nicht nur einer behutsamen Abwägung der hier konkurrierenden Grundrechte auf Religionsfreiheit und körperliche Unversehrtheit geschuldet, sondern begründet sich im Gebot der Nächstenliebe. So fasst Diakon Carsten Kurtz, Sprecher des Dekanats Erlangen, die Erfahrungen der vergangenen Wochen zusammen.
In der ersten Phase der Kirchen-Wiederöffnungen werden noch nicht alle gewohnten Teile des Gottesdienstes wieder möglich sein. Um der Liebe willen werden die Gläubigen in den Gemeinden aufeinander achten und einander den Schutz gönnen, den es braucht.
Konkret bedeute dies: Alle Kirchengemeinden im Dekanat Erlangen überlegen, in welcher Form sie in näherer Zukunft Gottesdienst feiern wollen und können. "Es ist eine bunte Mischung im Entstehen aus Videogottesdienste, Lesepredigten sowie Gottesdienste und Andachten mit persönlicher Anwesenheit", erklärt Kurtz. Mit diesem breiten Angebot wird für eine größtmögliche Zugänglichkeit aller – auch der Risikogruppen – gesorgt.