Die bayerische evangelische Landeskirche zeigt sich besorgt über die fortlaufenden Ermittlungen gegen Pfarrer, die Flüchtlingen Kirchenasyl gewähren. Inzwischen würden sogar Ermittlungen "in ganz alten Fällen" eingeleitet, sagte der zuständige Oberkirchenrat Michael Martin am Mittwochabend vor der in Coburg tagenden Landessynode. Als Beispiel nannte er einen Fall, der bereits vor Monaten mit dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) gelöst worden sei.

Die Einleitung solcher Ermittlungsverfahren sei unverhältnismäßig, beklagte Michael Martin. Die Kirchenasyle seien schon lange bekannt und zunächst kein Anlass für Ermittlungen gewesen. Rein rechtlich sei das Vorgehen - soweit die Fälle nicht verjährt sind - allerdings nicht angreifbar. Derzeit wisse die Landeskirche von 17 Ermittlungsverfahren, die Zahl dürfte aber inzwischen höher liegen, sagte Martin. Die Zahlen sollte man unaufgeregt sehen, "aber aufmerksam auf andere Zeichen möglicher Eskalation achten".

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Die Landeskirche meldet Kirchenasyle umgehend den zuständigen Ausländerbehörden und dem BAMF. Geheime Kirchenasyle lehnt sie ab. Die Behörden sind also über den Aufenthalt der betroffenen Flüchtlinge informiert. Trotzdem sieht der Staat in diesem Instrument eine "Beihilfe zum unerlaubten Aufenthalt". Werden den Staatsanwaltschaften Kirchenasyle bekannt, müssen sie laut Justizminister Winfried Bausback (CSU) gemäß dem Legalitätsprinzip tätig werden.

Derzeit sind 65 Kirchenasyle in evangelischen Kirchengemeinden in Bayern mit 88 Geflüchteten bekannt. Nach Landeskirchenangaben wurde der Großteil der Ermittlungen ab Herbst 2016 aufgenommen. Das Verhältnis zwischen Landeskirche und Staatsregierung sei nach den Vorfällen rund ums Kirchenasyl jedenfalls "nicht ungetrübt", sagte Martin dem epd bereits am Montag. Am 13. April soll es ein Treffen zwischen Landesbischof Heinrich Bedford-Strohm und Justizminister Bausback geben.

Hintergrund: Kirchenasyl in der bayerischen Landeskirche

Kirchenasyl wird nur in humanitären Ausnahmefällen gewährt, ist also "ultima ratio". Die Strategie der bayerischen evangelischen Landeskirche zielt darauf ab, Kirchenasyle möglichst zu vermeiden. So konnten im vergangenen Jahr laut dem zuständigen Oberkirchenrat Michael Martin 700 Fälle von Kirchenasyl durch landeskirchliche Beratungen vermieden werden, weil andere Möglichkeiten gefunden wurden, den Flüchtlingen zu helfen. Derzeit sind der Landeskirche 65 Fälle von Kirchenasylen mit insgesamt 88 Geflüchteten bekannt. Ähnliche Zahlen gibt es aktuell für katholische Kirchengemeinden. Im vergangenen Jahr gab es 225 Kirchenasyle in bayerischen evangelischen Gemeinden.

Ob Flüchtlingen Kirchenasyl gewährt wird, ist letztlich eine Gewissensentscheidung des jeweiligen Pfarrers im Abstimmung mit dem Kirchenvorstand. Dennoch macht die Landeskirche Vorgaben: So braucht es laut Michael Martin eine "inhaltliche und zeitliche Perspektive", das Kirchenasyl muss also erfolgversprechend sein. Des Weiteren darf kein Pfarrer zum Kirchenasyl gezwungen werden. Außerdem dürfen Kirchengemeinden Flüchtlinge nicht mit dem Ziel aufnehmen, politischen Druck auszuüben. Das wäre laut Oberkirchenrat Martin ein Missbrauch von Kirchenasyl.

Die Landeskirche meldet Kirchenasyle umgehend den zuständigen Ausländerbehörden und dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF). Geheime Kirchenasyle lehnt sie ab. Die Behörden sind also über den Aufenthalt der betroffenen Flüchtlinge informiert. Trotzdem sieht der Staat in diesem Instrument eine "Beihilfe zum unerlaubten Aufenthalt". Geraten Pfarrer oder Kirchenvorsteher wegen Gewährung von Kirchenasyl ins Visier der Staatsanwaltschaften, übernimmt die Landeskirche Anwalts- und Prozesskosten, allerdings keine Geldstrafen.