Gemeinsam mit seinem Cousin war Zilan vor fast drei Jahren aus der Heimat in Syrien geflüchtet, wo der Krieg tobte. Europäischen Boden betraten die beiden erstmals in Ungarn, wo sie auch als Flüchtlinge registriert und ihre Fingerabdrücke genommen wurden. Der Weg führte weiter über Bulgarien, Serbien und Tschechien schließlich nach Dresden. Dort wäre die Reise fast schon zu Ende gewesen: Die jungen Männer hätten gemäß des Dubliner-Übereinkommen wieder nach Ungarn gehen sollen. »Und wer weiß, wie in Ungarn mit Geflüchteten umgegangen wird, der weiß auch, dass die beiden hier keine menschenwürdige Zukunft gehabt hätten. Die Jungs wären in die Obdachlosigkeit abgeschoben worden«, sagt Silvia Jühne. Die Pfarrerin beherbergte Zilan und seinen Cousin im Kirchenasyl, nachdem sie über deutsche Betreuer nach Nürnberg vermittelt worden waren.

Zeitensprung – September 2017: Zilan kommt nach anderthalb Jahren wieder zurück an den Ort, dem und dessen Menschen er so viel zu verdanken hat. Kocht einen Tee für die beiden Damen, man setzt sich, schwelgt in Erinnerungen und erzählt von dem, was seither geschehen ist und demnächst geschehen soll. Bevor Zilan im August 2015 ins Kirchenasyl nach St. Jobst in Nürnberg kam, konnte er nur ein paar Brocken Deutsch sprechen. Während seines Aufenthalts lernte er dank des ehrenamtlichen Helferkreises die Sprache. Heute hat er nach eigenen Angaben C1-Niveau, was in Schulnoten etwa einer zwei entsprechen würde.

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Erste Schritte nach dem Kirchenasyl

Nach dem Kirchenasyl wohnte das Duo in einer Flüchtlingsunterkunft im mittelfränkischen Happurg. 2016 kam dann auch die erhoffte Anerkennung und Aufenthaltsgenehmigung. Zilans Cousin hat mittlerweile eine Ausbildung bei der Telekom begonnen. Zilan ging derweil arbeiten. Zuerst als Handlanger bei Baufirmen auf Baustellen rund um Nürnberg, später in der Bar des Theaters im Nürnberger Stadtteil Gostenhof.

Dort wirkte Zilan dann auch bei einer Produktion mit: Zusammen mit anderen Geflüchteten und Mitgliedern des Theaterjugendclubs verfasste er das Stück »Hurria« (arabisch für »Freiheit«), das sich mit dem Schicksal von Flüchtlingen und dem Freiheitsbegriff befasst. In der Spielzeit 2015/16 stand er auch als Akteur mit auf der Bühne. Die Luft dort war anregend: Wahrscheinlich wird Zilan bald wieder die Bretter, die die Welt bedeuten, besteigen.

Zilan will Studium beginnen

Doch eigentlich treibt ihn etwas ganz anderes um: Zilan hofft darauf, im Herbst ein Studium des Bauingenieurwesens in Nürnberg zu beginnen. »Worauf soll ich warten? Es muss vorwärtsgehen«, sagt er entschlossen. Viele Freunde würden fragen, ob er sich dieses Studium ausgesucht habe, um eines Tages in der alten Heimat in Syrien wieder seine Stadt aufzubauen, erklärt er. Ursprünglich sei das auch ein Gedanke gewesen. Mittlerweile ist Zilan aber »auf den Geschmack« gekommen in seiner neuen Heimat Deutschland.

»Vielleicht bleibe ich hier, arbeite als Ingenieur und werde heiraten«, träumt er in die Zukunft. Bis dahin, ist Zilan überzeugt, müsse er aber noch viel lernen. Und neben Fleiß auch Glück haben: Seine Aufenthaltsgenehmigung gilt insgesamt drei Jahre. Im Anschluss kann er noch einmal ein paar Jahre beantragen und eventuell auch ein dauerhaftes Bleiberecht.

Ende des Kirchenasyls war Befreiung 

Als Befreiung habe er den Tag empfunden, als er das Kirchenasyl verlassen konnte, weil er sich nicht mehr in St. Jobst »verstecken« musste. »Die wahre Freiheit geht dann aber erst los, wenn ich es schaffe, selbstständig frei in Deutschland mein Leben gestalten zu können«, sagt er. Zu Hause rumsitzen oder lediglich auf dem Areal der Kirche bleiben, das habe wie ein Gefängnis gewirkt. Umso dankbarer sei er den haupt- und ehrenamtlichen Menschen in St. Jobst. »Wir haben den Männern etwas Struktur in den Alltag gebracht. Dafür wurden wir mit den nettesten Nachbarn belohnt, die man sich vorstellen kann«, erinnert sich Katrin Straupe.

Die Zeit vertrieben sich die beiden jungen Männer aber nicht nur mit Lernen. Kochen, Billard spielen und ein bisschen »kicken« mit dem kleinen Sohn von den Straupes standen ebenso auf der Tagesordnung. Nebenbei wurde ihm das Gitarre spielen beigebracht. Ein historisch bewanderter Helfer zeigte ihnen Bilder von Nürnberg vor und nach dem Krieg. »Da kamen Erinnerungen an Syrien hoch. Die Deutschen haben vor 70 Jahren ähnliche Erfahrungen gemacht mit zerbombten Städten. Wenn man Nürnberg im Jahr 1945 und heute sieht, glaubt man kaum, dass es dieselbe Stadt ist. Ähnlich wie Aleppo 2010 und heute.«

Zilan hat viele deutsche Freunde

Mittlerweile habe er viele deutsche Freunde, mit denen er sich trifft. Kontakte konnte er bereits früh bei seiner Arbeit in der Bar knüpfen. Und auch mit den Kollegen vom Theater-Ensemble verbringt Zilan viel Zeit, auch an den Wochenenden. »Ich umgebe mich gerne mit Deutsch sprechenden Freunden, weil ich die Sprache und die Kultur hier lernen und verstehen will. Natürlich habe ich auch Kontakte zu syrischen Leuten, aber mir ist es derzeit wichtiger, hier gut anzukommen.«

Das Leben in Deutschland ist für den jungen Mann derzeit allerdings noch schwer: Zilan ist nach wie vor auf staatliche Unterstützung angewiesen, über die er sich freilich freut, die er aber lieber auch nicht nötig haben müsste. Obwohl er bereits sehr gut Deutsch spricht und schreibt, hindert die Sprachbarriere ihn nach wie vor daran, eine höherwertige Ausbildung zu beginnen. »Aber ich kämpfe weiter, bald mein Geld mit ehrlicher Arbeit zu verdienen«, sagt Zilan. Und für das Traumziel Studium.

Filmtipp

Franken Fernsehen

Sehen Sie dazu hier einen Filmbeitrag den das Evangelische Fernsehen (efs) gedreht hat.