Wenn Deutschland auf das individuelle Recht auf Asyl verzichten will, müsste es laut Expertenmeinung aus der Europäischen Union (EU) austreten. Dieser menschenrechtliche Standard sei in der EU in zahlreichen Verordnungen und Richtlinien fixiert, die in Deutschland Vorrang vor dem nationalen Recht haben, sagte Petra Bendel, Professorin für Politische Wissenschaft an der FAU Erlangen-Nürnberg, dem Sonntagsblatt.

Sie reagierte damit auf eine Forderung des bayerischen Ministerpräsidenten Markus Söder (CSU), der Anfang Februar gesagt hatte: "Wir müssen weg vom individuellen Recht auf Asyl hin zu einem objektiven Anspruch."

Individuelles Recht auf Asyl ist wichtig

Das individuelle Recht sei so wichtig, weil eine Person aus einem Staat kommen könne, wo nicht ganze Gruppen verfolgt werden, sondern sie persönlich verfolgt werde. Oder es könnten in einem Staat nur bestimmte Regionen betroffen sein, sagte die Mitgründerin des Center for Human Rights (CHREN) Erlangen-Nürnberg.

"Deswegen schaut man auch im Bundesamt für Migration und Flüchtlinge auf der Grundlage des Völkerrechts, des EU-Rechts und des deutschen Rechts ganz genau nach, ob eine Person selber tatsächlich verfolgt ist."

Der Ursprung des Rechts auf Asyl in Deutschland sei fest mit der Entstehung des Grundgesetzes vor 75 Jahren verbunden und auch eine Reaktion auf den Nationalsozialismus. Juden und politisch Verfolgte hätten damals das Problem gehabt, dass kaum ein Staat bereit war, sie aufzunehmen.

"Sie waren diesen Staaten gegenüber völlig rechtlos und viele von ihnen konnten deswegen Nazideutschland nicht verlassen",

sagte Bendel. 1951 folgte die Genfer Flüchtlingskonvention. Das Recht auf Asyl sei später auch in der Charta der Grundrechte der Europäischen Union verankert worden.

Kampagne gegen Asylrecht

"Es ist erschreckend, dass dieses hohe Gut zusehends infrage gestellt wird, dass es sogar eine regelrechte Kampagne gegen das individuelle Recht auf Asyl gibt", kritisierte Bendel. Bei einer Reform des Asylrechts könne es keine einfachen Lösungen geben. Stattdessen müsse man Erstaufnahmestaaten im globalen Süden besser unterstützen, Pushbacks ahnden, menschenrechtliche Regelungen bei Drittstaaten einsetzen und die Kommunen in ihrer Integrationsarbeit dauerhaft unterstützen.

Man müsse auch "in dieser ganzen Debatte um irreguläre Migration mit sauberen Aufnahmedaten argumentieren",

forderte die Wissenschaftlerin. In den letzten Jahren habe eine deutliche Mehrheit aller Menschen, die in Deutschland um Asyl ersucht haben, auch tatsächlich einen Schutzstatus erhalten.

Kommentare

Diskutiere jetzt mit und verfasse einen Kommentar.

Teile Deine Meinung mit anderen Mitgliedern aus der Sonntagsblatt-Community.

Anmelden