Wie ist die Lage für die Krankenhaus-Seelsorge aktuell, im dritten Jahr Corona?

Harald Richter: Unterschiedliche Häuser und Krankenhäuser haben zum Teil noch unterschiedliche Regelungen. Ich kann es also nicht für jedes Haus in Bayern oder sogar über Bayern hinaus sagen. Aber in den meisten großen Kliniken hat die Klinikseelsorge wieder Zugang. Zum Teil sind auch Ehrenamtliche wieder auf Station.

"Vor einem halben Jahr ging das noch nicht."

Das entscheiden letztlich die Kliniken selbst?

Die haben dort auf jeden Fall bestimmte Möglichkeiten. Bei uns fällt die letzte Entscheidung immer auch die Hygiene-Abteilung. Letzte Woche hatten wir einen dreiwöchigen Fortbildungskurs für Theologie-Studierende, und da mussten wir im Juli, August noch einmal mit der Hygiene verhandeln, ob das funktioniert. Und das hat es. Vor einem halben Jahr ging das noch nicht.

Es ist also wieder viel mehr möglich?

Ja, und mit wenigen Ausnahmen und für eine kurze Zeit am Anfang der Pandemie haben gerade die großen Klinikseelsorge-Teams eigentlich meistens Zugang behalten.

Pfarrer Harald Richter

Harald Richter ist Vorsitzender der Evangelischen Krankenhausseelsorge Bayern. Er ist ausgebildeter Pastoralpsychologe und seit 1997 Teil des ökumenischen Seelsorge-Teams am Rhön-Klinikum und im Heilbad in Bad Neustadt an der Saale.

"Die Kirchen sind in einem enormen Umbruchsprozess. Und das geht natürlich auch mit Veränderungen im Bereich der Stellen einher."

Wo sehen Sie in dieser Post-Corona-Phase die größten Baustellen für die Krankenhaus-Seelsorge?

Zunächst: Viele Kliniken stehen nicht nur wegen Corona, sondern auch wegen der Energiekrise finanziell ziemlich schlecht da. Auch das spüren wir in der Seelsorge. Ein Thema, das wir beobachten, ist, dass durch Corona der Personalmangel an den Kliniken weiter zugenommen hat – in der Pflege, aber nicht nur dort. Und dann muss man natürlich sagen, dass nach zwei, drei Jahren Ausnahmesituation, selbst bei Kolleginnen und Kollegen, die lange stabil waren, Ermüdungserscheinungen auftreten. Ein weiteres Problem, das nichts mit Covid zu tun hat, ist, dass die Kirchen in einem enormen Umbruchsprozess sind. Und das geht natürlich auch mit Veränderungen im Bereich der Stellen einher.

Das heißt, Sie befürchten Kürzungen bei der Klinik-Seelsorge?

Man kann noch nicht so genau sagen, was das für uns mittelfristig bedeutet. Hier in Bayern war die letzte Landesstellenplanung noch relativ stabil, was die Klinikseelsorge angeht. Wobei, manches wird sich jetzt herausstellen, wenn auch die Dekanate ihre Entscheidungen gefällt haben. Aber dieser Prozess geht ja weiter. Und die Frage ist, ob die Kirchen auch in Zukunft bereit sind, in diesem Feld kirchlicher Arbeit weiterhin ausreichende Ressourcen zu stellen.

"Halte ich für eine fatale Entscheidung, wenn man sich so aus der Gesellschaft zurückzieht."

Haben Sie Zweifel, ob die Landeskirche dazu bereit ist?

Im Moment sieht es in Bayern wie gesagt noch ganz gut aus. Aber man kann in manchen Landeskirchen beobachten, dass man sagt: Wir müssen vor allen Dingen unsere Ortsgemeinde versorgen und ziehen uns aus anderen Bereichen raus. Halte ich für eine fatale Entscheidung, wenn man sich so aus der Gesellschaft zurückzieht. Aber das muss man abwarten.

"Das ist eine strukturelle Schwächung der Seelsorge durch die Hintertür."

Sie schauen also vorsichtig optimistisch in die Zukunft?

Weitgehend, ja. Ein anderer Punkt, der mir allerdings auch Sorgen macht, ist, dass Klinikseelsorgestellen eine Art Degradierung erlitten haben. Die waren früher normale Gemeindepfarrstellen und sind jetzt in den allgemeinkirchlichen Dienst übergeführt worden. Und damit fallen bestimmte Privilegien weg, zum Beispiel, dass keine Dienstwohnung mehr gestellt wird. Das bedeutet, wenn jemand in den Ballungszentren in München, Nürnberg oder Augsburg Rufbereitschaft machen und in einer halben Stunde in der Klinik sein können soll, dann braucht es für Neubesetzungen eine Wohnung, die kliniknah und bezahlbar ist. Wie soll das gehen? Das ist eine strukturelle Schwächung dieses Arbeitsbereichs durch die Hintertür.