Am 17. September beginnt nach zwei Jahren Corona-Pause das Münchener Oktoberfest. Mittendrin sind auch Schausteller-Seelsorger. Doch die Zukunft der evangelischen Circus- und Schaustellerseelsorge ist nach den Worten ihres Leiters Torsten Heinrich ungewiss.

Zum wievielten Mal betreuen Sie denn die Schausteller auf der Wiesn?

Torsten Heinrich: Das siebente Mal, weil ich jetzt sieben Jahre bei der Circus- und Schausteller-Seelsorge bin und das Oktoberfest natürlich ein fester Termin ist.

"Wir haben in den zwei Jahren als Circus- und Schausteller-Seelsorger viel damit zu tun gehabt, das Drama mit zu verarbeiten."

Wie haben Sie dann die letzten beiden Jahre erlebt, als das Oktoberfest nicht stattfinden konnte?

Es ist ein Drama gewesen, und wir haben in den zwei Jahren als Circus- und Schausteller-Seelsorger viel damit zu tun gehabt, das Drama mit zu verarbeiten. Wir haben mitgelitten und wo es ging mitgeholfen. Aber mit mitgeholfen heißt: Anrufe, Telefonate, Gespräche, aber eben keine Besuche. Und wir haben einen kleinen Nothilfe- Fonds aufgebaut und Spenden gesammelt, um in der allergrößten Not ein bisschen finanziell helfen zu können. Es war sehr wichtig, den Kontakt zu halten, trotz der schweren Zeit. Denn es haben alle in der Hoffnung und in der Zuversicht gelebt: Wir kommen wieder.

Dann spüren Sie jetzt wahrscheinlich bei vielen eine große Erleichterung?

Genau, dieses Jahr läuft es bei ganz vielen Festen so, dass zu spüren ist, dass vielen etwas gefehlt hat. Die Feste waren in diesem Jahr oft besonders gut besucht. Also, es war ein großes Aufatmen. Die Befürchtungen, die vielleicht der eine oder die andere auch hatten, dass zwei Jahre Pause das eine oder andere Fest zunichtemachen könnten, haben sich fast nirgendwo bewahrheitet. Das ist zum Glück nicht eingetroffen. Und die Feste, wenn sie dieses Jahr stattgefunden haben, waren in aller Regel richtig gut besucht – die Schausteller haben wieder voll im Leben gestanden.

"Oktoberfest ist für die Schausteller volle Kanne Arbeitszeit."

Ein Pfarrer tauft ein Baby in der Manege eines Circus'
Pfarrer Torsten Heinrich bei einer Taufe im Circus.

Sind Sie beim Oktoberfest die ganze Zeit vor Ort als Ansprechpartner?

Nein, das stellen Sie sich falsch vor. Oktoberfest ist für die Schausteller volle Kanne Arbeitszeit. Da ist es nett, wenn der Pfarrer mal vorbeischaut. Aber darüber hinaus ist es vor allen Dingen Arbeit. Ich drehe ein oder zweimal eine Runde über den Platz und besuche alle, die ich kenne, kurz und wechsle ein paar Worte. Ich bin auch bei dem Gottesdienst mit dabei, obwohl der stark von der katholischen Kirche geprägt ist.

Färbt das eigentlich ab, wenn man beruflich vor allem mit Schaustellern zu tun hat?

Wenn es nicht so wäre, hätte ich meinen Beruf verfehlt. Ich habe das Glück, dass ich es mit einer relativ homogenen Gruppe von Menschen zu tun habe, deren Lebensumstände besonders sind. Und genau diese Besonderheiten muss ich begreifen und erfassen.

Wollten Sie als Kind selbst mal Schausteller werden?

 Nein. Ich bin ja ein Ost-Gewächs, aus der Region Leipzig. Als Kind war ich der ganz normale Rummel.-Besucher und habe da versucht, mit dem Autoscooter den nächsten übern Haufen zu fahren. Ich war auch im Zirkus und hatte als kleines Kind riesengroße Augen. Aber dann gab es eine Zeit in meinem Leben, da war ich Leistungssportler und das ist relativ nah dran am Artisten. Mich hat fasziniert, was man mit dem eigenen Körper an Ästhetischem, an Schönem zeigen kann. Und das ist ja nun auch das Leben der Artisten. Von daher gibt es da zumindest eine Affinität.

"Die EKD-Synode will die Circus- und Schausteller-Seelsorge abschaffen."

Wie sehen Sie denn die Zukunft der Circus- und Schausteller-Seelsorge?

Es gibt etwas, was mir und meinen Kolleginnen und Kollegen in der Circus- und Schausteller-Seelsorge unglaublich schwer auf der Seele liegt: Wir leben mittlerweile mit einem Beschluss der EKD-Synode, der das Ganze abschaffen will. Denn weitere Haushaltskürzungen um 71 % heißt im Grunde abschaffen. Ich fürchte, wir sind etwas unter dem Radar der kirchlichen Wahrnehmung. Aber demgegenüber steht eben eine sehr lebendige, ungefähr 15 bis 20.000 Mann starke Gemeinde auf der Reise. Das ist eine Gemeinde, die in einer traditionellen, hochverbundenen Art und Weise mit Kirche lebt, fromm ist auf eine eigene Art und Weise und dass man die rausschicken will aus einer Kirche, ist komplett unverständlich und meines Erachtens realitätsfern und unvernünftig. Es ist nebenbei auch so, dass man damit vielen, die ihre Kirchensteuern zahlen, dann kein Angebot mehr macht.