Christine Stöhr setzt sich manchmal in den Ankunftsbereich am Flughafen und beobachtet die Menschen. "Wenn ich sehe, wie sich alle freuen, dass jemand, der lange weg war, wiederkommt, berührt mich das", bekennt die Pfarrerin der Evangelischen Flughafenseelsorge am Flughafen München. Sie ist interessiert am Thema "Ankommen" und anderen "Lebensbewegungen": Warum geht man, und warum kommt man wieder? Wo ist Heimat?

Heimat und Fremde sind Themen, die sie privat wie dienstlich umtreiben. Mit einem kongolesischen Mann führt sie eine internationale Ehe, zum andern ist ein Arbeitsbereich der Flughafenseelsorge die Transitarbeit. Stöhr begleitet dabei ankommende Geflüchtete, die Asyl beantragen.

"Sie dürfen nicht nach Deutschland einreisen und warten am Flughafen in einer Unterkunft ihr Asylverfahren ab."

Aufteilung in die Evangelische und Katholische Seelsorge

Die kirchlichen Dienste am Flughafen München sind aufgeteilt in die Evangelische und Katholische Seelsorge. Die Evangelische Seelsorge kümmert sich vor allem um die Mitarbeitenden am Flughafen und um die Flüchtlinge. Mit der Flughafengesellschaft wurde das Projekt ASiMA, (Aufsuchende Soziale Arbeit im Münchner Airport) gegründet: "Wir begleiten Menschen, die sich im Flughafen aufhalten, weil sie obdachlos oder in anderen Schwierigkeiten sind." Damit ist vor allem die Sozialpädagogin Jessica Gürtler beschäftigt.

"Das ist ein Spagat, denn solche Menschen versuchen hier einen trockenen und sicheren Aufenthaltsort zu finden. Aber das will die Flughafengesellschaft nicht."

In Notfällen vermittelt die Flughafenseelsorge eine Notunterkunft.

Die katholische Seite kümmert sich vorwiegend um den Sozialdienst für Passagiere. Trotzdem wird Christine Stöhr auch vom Lufthansaschalter angerufen: Wenn ein Reisender kein Handy dabei hat oder kein Ticket oder kein Geld. "Dann helfen wir weiter." Manchmal steht jemand am Schalter und ist psychisch auffällig, und das Personal hat Zweifel, ob die Person flugfähig ist.

"Vom Flughafen wird geschätzt, dass wir Zeit haben und uns um diese Menschen kümmern."

Flughafenseelsorge heißt auch einfach präsent sein

Das alles ist nur bedingt planbar. Flughafenseelsorge heißt auch einfach präsent sein, um spontan handeln zu können. Dazu kommt als Aufgabe die PSNV, die Psycho-Soziale-Notfallversorgung, wenn am Flughafen eine große Notfalllage eintritt, ein Flugzeugunglück oder eine Terrordrohung. "Dann werden wir dazugerufen."

Die Hauptaufgabe von Christine Stöhr ist jedoch die Seelsorge an den 38 000 Mitarbeitenden des Flughafens. Jemand war vor Kurzem bei ihr, der von seiner Frau verlassen worden war, was ihn sehr belastet hat. "Mit ihm spreche ich darüber und sortiere zusammen mit ihm, was das für ihn und sein weiteres Leben bedeutet." Ob Entlassung, Probleme mit dem Vorgesetzten oder der Todesfall eines Kollegen: Stöhr sucht mit ihren Gesprächspartnern nach den persönlichen Ressourcen und versucht diese zu stärken.

"Manchmal hilft auch der Glaube desjenigen und stärkt ihn."

"Wir sind Kirche und haben Schweigepflicht"

Aber auch weiterführende seelsorgerliche Beratung wird gebraucht. "Während Corona rief mich ein Mitarbeiter an, weil er für den Flughafen im Ausland längere Zeit arbeitet. Seine Ehefrau war mit den Kindern alleingelassen und mit der Situation überfordert. Ich höre erst einmal zu. Reden allein hilft oft schon viel." Dann aber kann Stöhr die Familie zu weiterführenden Beratungen, beispielsweise bei Einrichtungen der Diakonie, vermitteln.

"Was die Bediensteten bei alldem schätzen: dass wir unabhängig sind und kein Angebot des Arbeitgebers, des Flughafens sind. Wir sind Kirche und haben Schweigepflicht."

Natürlich ist sie auch Pfarrerin und bietet geistliche und kirchliche Angebote. Manchmal sind es auch unkonventionelle Ideen, die sie hat. So hielt sie in der Passionszeit kreative Andachten über aktuelle Popsongs zu modernen Lebensfragen. Am 1. Mai gab es im Airbräu – eine große Gastwirtschaft am Airport – eine Andacht. Bald tauft sie die beiden Kinder eines Flughafenmitarbeiters. Eines von beiden geht schon zur Kindertagesstätte des Flughafens, den "Airport-Hoppsern". Für die Kinder der Kita hat sie einen Ostergottesdienst gehalten. Auch bei Todesfällen wird sie gerufen und führt Gespräche mit den Kollegen. Besonders wichtig ist diese Begleitung, wenn jemand plötzlich stirbt oder sich das Leben nimmt.

Vergangene Woche fand die erste Probe des Flughafenchors statt, den Stöhr auf die Beine gestellt hat. Und schließlich wird auch gefeiert: Am 24. Juli, dem Tag des Heiligen Christophorus, wird es einen Jubiläumsgottesdienst zum 30-jährigen Bestehen des Flughafens geben.

Serie "Mitten im Leben – Seelsorge und Beratung"

SeelsorgeIn der neuen Serie "Mitten im Leben – Seelsorge und Beratung" stellen wir je einen Bereich der Seelsorge der Evangelischen Kirche in Bayern vor.

Innovation in der evangelischen Kirche in Bayern

In der evangelischen Kirche in Bayern gibt es derzeit verschiedene Fördermittel-Töpfe, die von Kirchengemeinden, Einrichtungen, Werken und Diensten angefragt werden können. In unserem Dossier "Innovation in der Kirche" stellen wir die Projekte vor - und geben Tipps für Gemeinden.

  • MUT-Projekte: Diese Projekte möchten Mission, neue Ideen und Kooperationen stärken. Für diesen Fördertopf liegen 60 Interessensbekundungen vor, insgesamt zehn Initiativen wurden genehmigt. Hier geht es zum Dossier.
  • Digitalisierungsprojekte: Der Digitalisierungsfonds der bayerischen Landeskirche ist für digitale Projekte gedacht, die im Raum der Kirche umgesetzt werden.
  • Kasual-Projekte: Damit sind Projekte gemeint, die sich explizit mit den Kasualien beschäftigen wie Taufe, Hochzeit oder Beerdigung. In Bayern gibt es derzeit 49 Kasualprojekte.
  • PuK-Projekte: Diese Projekte entstanden aus der Initiative "Profil und Konzentration", mit der die bayerische Landeskirche langfristig den Wandel der Organisation vorantreiben will. Der PUK-Prozess wurde 2023 abgeschlossen. Hier geht es zum Dossier.

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