Angesichts steigender Preise, der Corona-Pandemie und des Ukraine-Kriegs sind Ängste immer häufiger das Thema in Gesprächen mit der Telefonseelsorge. Zu Beginn des Angriffskriegs hätten die Menschen noch über das Geschehen in der Ukraine gesprochen, sagte der Beauftragte für Telefonseelsorge der hannoverschen Landeskirche, Daniel Tietjen dem Sonntagsblatt.

Inzwischen gehe es häufiger um die Folgen: Im Mittelpunkt der Gespräche stünden nun auch finanzielle Sorgen, wie die Angst, die Gasrechnung nicht mehr bezahlen zu können oder nicht zu wissen, wie man den Einkauf finanzieren soll.

Telefonseelsorge: Ängste nehmen zu

Der Anteil der Gespräche zum Thema Ängste habe sowohl in den Telefon-Angeboten (von 15 Prozent im Januar auf 18 Prozent im Juni) als auch in den Gesprächen per Chat (von 24 Prozent im Januar auf 28 Prozent im Juni) zugenommen, sagte Tietjen. Häufig helfe den Menschen bereits ein anonymes Gespräch, in dem es nicht um konkrete Ratschläge gehe.

"Es ist mitunter ja nicht so leicht, über seine Sorgen zu sprechen oder auszusprechen, dass man kein Geld mehr hat, um die Dinge zu bezahlen."

Diffuse Ängste oder konkrete Sorge?

Manchmal gelinge es auch, im Gespräch herauszufinden, ob es eher diffuse Ängste sind oder ein konkreter Anlass für die Sorgen vorliege, betonte Tietjen, der auch die Telefonseelsorge Elbe-Weser mit Sitz im niedersächsischen Bad Bederkesa leitet.

"Dann kann man überlegen, ob und wie die Betroffenen die Sachen angehen und verändern möchten."

Was gegen Ängste helfen kann

Ein hilfreicher Gedanke in diesen Zeiten sei es, die Informationsflut zu reduzieren:

"Auch wenn heute zu jeder Uhrzeit ein Nachrichten-Update verfügbar ist, kann ich nur empfehlen, diese bewusster anzugehen."

Auch Bewegung wie Spazierengehen könne helfen, um den Kopf freizubekommen und sich nicht den ganzen Tag mit möglichen Sorgen zu beschäftigen. Soziale Kontakte und der Austausch seien ebenfalls wichtig.

Darüber reden hilft auch schon

In einem Gespräch mit dem Sonntagsblatt sagte der Münchner Seelsorger Norbert Ellinger bereits im April, ein gutes Mittel sei es, über Ängste zu reden und sie nicht in sich hinein zu fressen: 

"Indem man über die Ängste spricht, gewinnt man schon ein bisschen Kontrolle über sie."

Man nehme eine andere Perspektive ein und merke, dass man die Angst anschauen und über sie reden könne. Und damit gewinne man ein bisschen mehr Macht über die Angst: "Allein das ist schon mal eine Hilfe."

Was auch helfen können: Zu versuchen, vom Negativen ins Positive zu kommen. Ellinger erklärte auch, was er damit konkret meinte: "Ich will nicht krank werden, ich will mich nicht infizieren, ich will keine Angst haben – das sind lauter Verneinungen." Zudem habe niemand großen Einfluss auf diese Dinge. Stattdessen solle man sich überlegen: Was sind denn meine Bedürfnisse? Was tut mir gut?

"Das ist einfach gesund für das Selbst: Mich nicht bestimmen zu lassen von dem, was ich nicht will, sondern zu schauen, was ist mir denn wertvoll?"

7.700 Ehrenamtliche bundesweit

Zum bundesweiten Telefonseelsorge-Netzwerk gehören insgesamt 104 Stationen mit mehr als 7.700 Ehrenamtlichen. Bundesweit kommen nach Angaben des Netzwerks auf jedes Gespräch vier bis fünf Anrufversuche.

Menschen über 35 Jahre griffen vornehmlich zum Telefon, diejenigen unter 35 Jahre schrieben eher eine Mail oder wendeten sich per Chat an die Berater.

Kontakt zur Telefonseelsorge

Sie erreichen die Telefonseelsorge unter:

Telefon (0800) 111 0 111 oder
Telefon (0800) 111 0 222

Oder online per Mail und Chat unter www.telefonseelsorge.de

Krisen Kompass: die App der Telefonseelsorge zu Soforthilfe, Kontakten und Unterstützung bei Suizid

Mehr Informationen: handlungsfelder.bayern-evangelisch.de/handlungsfeld4.php