Die bayerische evangelische Landeskirche plant seit einem halben Jahr, die Zuständigkeiten für den Bereich des Umgangs mit sexualisierter Gewalt zu bündeln und auszuweiten, wie der Sprecher der ELKB, Johannes Minkus, auf Anfrage der Nachrichtenagentur epd sagte. In der Landeskirche gebe es die Ansprechstelle für Opfer sexualisierter Gewalt und die "Unabhängige Kommission für finanzielle Anerkennung des Leids", außerdem eine Ansprechpartnerin, die für Prävention und Schutzkonzepte in den Gemeinden zuständig sei.

"Sollte die Synode zustimmen, wird eine Fachstelle für den Umgang mit sexualisierter Gewalt in der ELKB eingerichtet", erklärte Minkus. Diese werde bei der Stabsstelle Chancengerechtigkeit angesiedelt, die dem Landesbischof unterstellt ist.

Eine Statistik, wie viele Opfer sexualisierter Gewalt gegen Schutzbefohlene es in den vergangenen Jahrzehnten in der bayerischen Landeskirche gab, hat die Kirche nicht geführt. Sie kann aber sagen, dass sich seit 2008 bisher 87 Männer und Frauen an die Ansprechstelle gewandt haben. In diesem Jahr seien elf Meldungen eingegangen, von denen drei minderjährige Opfer betrafen.

In den großen diakonischen Einrichtungen in Bayern werden Hinweise auf sexualisierte Gewalttaten überall als Chefsache betrachtet. Das teilen die Rummelsberger, die Diakonie Neuendettelsau, Innere Mission München und die Nürnberger Stadtmission übereinstimmend mit. In der Stadtmission kümmere sich derzeit eine Vorständin um ein Opfer, teilt Sprecherin Tabea Bozada mit.

"Nachdrücklich und sensibel" gehe man Vorwürfen nach, betont der Sprecher der Rummelsberger Diakonie, Georg Borngässer. Mit den Betroffenen gebe es Gespräche und Kontakte, für die auch hier der Vorstandsvorsitzende verantwortlich sei. Öffentlich bekanntgeworden ist vor etwa zehn Jahren der Fall des früheren Rektors der Rummelsberger, der gegen erwachsene Studierende sexuell übergriffig geworden war. In den vergangenen Jahren haben sich außerdem zwei Fälle herausgestellt, in denen die Opfer ehemalige Heimkindern waren, sagte Borngässer.

Schutzkonzepte der Diakonien

Ein Ombudsmann in der Jugendhilfe kümmere sich bei der Rummelsberger Diakonie unabhängig um Hinweise von Kindern und Jugendlichen. Zusammen mit dem Kinderschutzbund und der Evangelischen Schulstiftung sei man dabei, ein "umfassendes Schutzkonzept" zu erarbeiten. Einen sexualpädaogigschen Leitfaden gebe es bereits seit einigen Jahren.

Auch bei der Diakonie Neuendettelsau gibt es einen "Leitfaden zur sexualisierten Gewalt", sagt deren Pressesprecher Thomas Schaller. Die "vereinzelten Fälle" sexualisierter Gewalt, die in Einrichtungen der Diakonie Neuendettelsau in den vergangenen Jahrzehnten bekannt wurden, seien immer konsequent behandelt worden, versichert Schaller. Es gebe bei dem großen Träger "keine Struktur, die Täter decken würde", unterstreicht er.

Stadtmission Nürnberg: Null Toleranz

Null Toleranz auch bei der Stadtmission in Nürnberg, bei der nach Angaben von Sprecherin Tabea Bozada zuletzt 2014 ein Fall ans Licht kam. Dem Mitarbeiter, der die Tat begangen hatte, sei sofort gekündigt worden. Missbrauchsfälle im Martin-Luther-Haus zwischen den 1960er und 1990er Jahren, als der ehemalige Leiter der Einrichtung Kinder gedemütigt und körperlich bestraft, aber auch sexuelle Übergriffe begangen haben soll, hätten zu einer ständigen Stabsstelle "Kinderschutz" geführt, teilt Bozada mit.

Der langjährige Sprecher der Inneren Mission München, Klaus Honigschnabel, hat in seiner 15-jährigen Tätigkeit bei dem Verband nur einen einzigen Fall sexuellen Missbrauchs auf den Tisch bekommen, wie er dem epd sagte. Ein Altenpfleger hatte eine Seniorin unsittlich angefasst.

Ob der Landesverband der Diakonie Konsequenzen aus den Beschlüsse der EKD-Synode zieht, kann der Sprecher des Diakonischen Werks, Daniel Wagner, noch nicht sagen. Die Synode hatte einen "Elf-Punkte-Plan" zur Aufarbeitung und Prävention von Missbrauch beschlossen. Das Thema sexualisierte Gewalt sei dem Verband aber "nicht erst seit Würzburg wichtig", erklärte Wagner. Die landeskirchliche Kommission sei schließlich bereits in der Folge des Runden Tisches auf Bundesebene 2015 entstanden.