Das Gottesdienst-Institut der bayerischen evangelischen Landeskirche ist für die Aus- und Weiterbildung von Ehrenamtlichen in Fragen zum Gottesdienst zuständig. Sie übernimmt in Zukunft auch einen Teil der Ausbildung der Vikare, also der angehenden Pfarrerinnen und Pfarrer. Zugleich ist das Institut auch als Versand tätig, wie Pfarrer Gehrig erläuterte: Das Angebot reiche von der Lesepredigt bis zum Schlüsselanhänger.

Es gibt beim Gottesdienst-Institut Schriften, Windräder und Teelichter - das heißt, Sie sind jetzt auch der Leiter eines kleinen Unternehmens?

Stefan Gehrig: Letztlich ja - und ich bin dankbar, dass es ein tolles Team an Verantwortlichen gibt, die das in der Hand haben. Am bekanntesten in den Gemeinden sind vermutlich unsere Postkarten, die man zum Beispiel im Gottesdienst verwenden kann. Eine fand ich besonders eindrücklich. Da hat zu Beginn der Corona-Zeit der Papst ganz allein einen Gottesdienst gefeiert. Ein Pestkreuz aus dem 15. Jahrhundert stand in der Mitte des Petersplatzes, und es hat geregnet an diesem Tag. Die Kameraeinstellung zeigt das Kreuz von hinten und vorn an der Nasenspitze des Christus hat sich ein Wassertropfen gebildet. Dieses Bild wurde als Karte herausgegeben, mit der Unterschrift "Jesus weint" und einer Anregung für eine Predigt zum Karfreitag.

Bei uns gehen pro Tage im Schnitt täglich 100 Pakete in den ganzen deutschsprachigen Raum hinaus. Wir finanzieren damit unsere Stellen auch zum Teil selber. Wir sind an dieser Stelle in dem Verlagsbereich kein Zuschussbetrieb. Für die Aus- und Weiterbildung sind wir natürlich auf Bezuschussung angewiesen.

"Wir als Gottesdienst-Institut wollen nicht vorgeben und sagen, so feiert man in Bayern Gottesdienst."

Wenn der Chef eines Gottesdienst-Instituts eingeführt wird, ist der Gottesdienst bestimmt perfekt geplant, schließlich müssen Sie wissen, wie es geht, oder?

Ich hoffe nicht, dass es der Nonplusultra-Gottesdienst wird, sondern ich hoffe, dass es ein Gottesdienst wird, der zeigt, dass wir eine breite Vielfalt in unserem gottesdienstlichen Leben haben. Deswegen war es mir auch wichtig, dass Orgel, aber auch eine Band mit dabei sind. Wir als Gottesdienst-Institut wollen nicht vorgeben und sagen, so feiert man in Bayern Gottesdienst, sondern wir wollen die Gemeinden unterstützen, damit sie vor Ort gemeinsam Gemeinde leben können, gemeinsam Gottesdienst feiern.

Die Rolle der Ehrenamtlichen wird immer wichtiger, wenn es in der Landeskirche immer weniger Pfarrerinnen und Pfarrer geben wird: Werden in den Kirchen in Zukunft einfachere Gottesdienste gefeiert oder worauf muss ich mich jetzt als Gottesdienstbesucher einstellen?

Ich hoffe, es werden die Gottesdienste der Menschen vor Ort sein. Ziel ist, dass weiterhin, was ja schon geschieht, Lektorinnen und Lektoren sowie Prädikanten und Prädikantinnen Verantwortung vor Ort übernehmen und wir Gottesdienst als Gemeinde gemeinsam feiern. Nicht der Pfarrer oder die Pfarrerin feiert für die Gemeinde Gottesdienst. Ich will Menschen ermutigen, dass sie Verantwortung übernehmen, und diese Menschen sollen dafür auch qualifiziert werden, dass sie das vor Ort können.

"Warum nicht hergehen und gemeinschaftlich Gottesdienst feiern?"

Das heißt, man wird ohne den Pfarrer oder die Pfarrerin auskommen?

Wir werden Situationen haben, in denen keine Pfarrerinnen, keine Pfarrer mehr vor Ort ist oder nicht jeden Sonntag - aber warum dann nicht hergehen und gemeinschaftlich Gottesdienst feiern? Das kann in der größeren Form sein, oder in einer kleineren Form. In Uffenheim läuft gerade ein Projekt, das nennt sich "Unser kleiner Gottesdienst".

Seit der Pandemie gibt es den weiten Bereich der digitalen Gottesdienste, wie man ihn sich vor drei Jahren noch gar vorstellen konnte. Wie wird sich das Ihrer Meinung nach entwickeln?

Wir haben in Neuendettelsau, wo ich bisher verantwortlich war, sehr schnell mit digitalen Formen gefeiert, als es wegen Corona nicht in Präsenz möglich war. Eine Bekannte hier hat mir erzählt, dass sie ihren Eltern sofort einen großen Bildschirm gekauft und aufgestellt hat, damit diese am Sonntagmorgen Gottesdienst mitfeiern können. Die Eltern waren begeistert, weil sie eben ihre Gemeinde gesehen haben. Es ist nicht so professionell wie ein Fernsehgottesdienst, es ist nicht so ausgefeilt wie manche anderen Formen, aber es ist ihre Gemeinde, es ist ihr Gottesdienst, es ist ihre Kirche. Eine zweite Erfahrung, die ich machte: Eine Mutter von zwei kleinen Kindern, die gesagt hat, sie würde gerne in den Gottesdienst gehen, kann aber nicht mit den zwei Kindern. Seit wir die Gottesdienste übertragen, kann sie sich Youtube-Gottesdienste abends anschauen anstelle von Tatort, und wenn das Kind schreit, drückt sie auf Pause, geht hoch, bringt das Kind wieder ins Bett, geht runter und schaut weiter. Wir müssen Formen finden, dass diese Menschen, für die Sonntag früh einfach nicht passt, auch Gottesdienst mitfeiern können.

"Menschen sind unterschiedlich und ich glaube, dass Gott an der Stelle ein größeres Herz hat, als man es sich manchmal vorstellen kann."

Wo sind für den modernen, heutigen Gottesdienst aus ihrer Sicht die Grenzen? Darf ich Brötchen-Tüten knallen lassen und Zuckerwatte ausgeben? Wo würden Sie als Leiter des Gottesdienst-Instituts sagen, was tolle Elemente sind, die man überall mal einbauen kann und was geht gegen ihren Geschmack, oder ist es vielleicht einfach nicht würdig?

Ich glaube, es ist wenig hilfreich, wenn die Landeskirche oder der Leiter des Gottesdienst-Instituts vorgibt, was richtig ist und was falsch. Gottesdienst feiern heißt, in der Gemeinschaft vor Gott zusammenkommen und gemeinsam mit Gott und vor Gott zu feiern. Das mag für den einen passend sein und für den anderen nicht. Aber wer bin ich, dass ich entscheiden kann, was würdig ist und was nicht. Schauen Sie mal in der Praxis: Wann ist eine Konfirmationsfeier würdig? Dann, wenn ich zur Pizzeria um die Ecke gehe oder brauche ich ein Zwei-Sterne-Restaurant? Menschen sind unterschiedlich und ich glaube, dass Gott an der Stelle ein größeres Herz hat, als man es sich manchmal vorstellen kann.

"Meine ganz persönliche Grenze ist da, wo ich das Gefühl habe, Gott steht nicht mehr im Mittelpunkt."

Aber Sie persönlich, was sagen Sie zum Beispiel zu einem Yoga-Gottesdienst, bei dem sich die Menschen strecken und recken?

Die Frage ist für mich, was im Zentrum steht. Wenn Yoga im Zentrum steht, dann ist es für mich nicht adäquat. In einem Gottesdienst betrete ich ein Stück weit einen heiligen Ort und eine Gottesgemeinschaft. Meine ganz persönliche Grenze ist da, wo ich das Gefühl habe, Gott steht nicht mehr im Mittelpunkt, wenn es um die Show geht, aber nicht mehr um Gott.

Wird es den klassischen Gottesdienst immer geben, oder sagen Sie, auch die ältere Generation war mal jung und sie will irgendwann neue Formen von Gottesdienst?

Ich erlebe, dass es genug Gemeinden gibt, in denen Menschen den klassischen Gottesdienst schätzen. Und warum sollte man ihn dann wegnehmen? Das finde ich ganz, ganz schwierig. Ich finde es aber auch schwierig, zu sagen, das sei die eigentliche Form des Gottesdienstes. Diesem klassischen Gottesdienst müssen andere Formen von Gottesdienst an die Seite gestellt werden, ohne dass das eine mehr oder weniger wert ist. Wenn ich sage, ich gehe in den Gottesdienst, wird bei den meisten Leserinnen und Lesern ein Bild aufploppen: Orgel, Liturgie, vielleicht ein gesungener Introitus, das heißt Kirche. Wenn ich aber sage, ich gehe morgen in ein Konzert, dann würden Sie nachfragen, "was für ein Konzert?" Ist es ein klassisches Konzert oder ist es irgendwo in der Kneipe? Genauso möchte ich auch unterschiedliche Gottesdienstformen nicht gegeneinander ausspielen. Wo Menschen zusammenkommen und Gemeinschaft mit Gott genießen, finde ich es wunderbar.

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Diakon Klaus O… am Mo, 08.05.2023 - 09:37 Link

Lieber Herr Pfarrer Gehrig, Sie sagten, dass in Ihrem Einführungsgottesdienst natürlich Orgel und Band nebeneinander spielen sollen. Leider haben Sie dabei die äußerst wertvolle Arbeit der Posaunenchöre vergessen. Bitte sorgen Sie künftig dafür dass auch die sog. "Freiluft-Orgel" Posaunenchor in modernen Gottesdienste zu hören sind, wofür der VEP Bayern Literatur anbietet mit der Posaunenchöre sogar zusammen mit einer Band spielen können. - Die Posaunenchöre, auch in Neuendettelsau, leiden an Nachwuchsmangel. Deshalb wäre es hilfreich, wenn in modernen Gottesdiensten nicht nur Bands spielen sondern im Wechsel oder zusammen mit Bands auch Posaunenchöre, sodass diese von jungen Leuten erlebt werden können, die dadurch motiviert würden, ein Blechinstrument zu erlernen.
Diakon Klaus Oelschläger Neuendettelsau
Pressesprecher der Posaunenchöre Neuendettelsau