Sie bilden ehrenamtliche Klinikseelsorger aus. Warum sollte jemand so etwas lernen wollen?

Böhle: Weil man es brauchen kann. Viele leben doch schon in der eigenen Familie oder im Freundeskreis mit einem kranken Menschen zusammen. Dem wollen sie hilfreich zur Seite stehen. Und sie merken: Das ist gar nicht so einfach. Und man hat für sich etwas von dieser Ausbildung, denn man lernt sich selbst besser kennen, hat weniger Angst, kommt leichter in Kontakt, lernt sich und andere mehr anzunehmen. All das hilft auch im privaten Leben sehr. Wir vermitteln Fachwissen, zum Beispiel über Gesprächsführung und Selbstwahrnehmung, um Menschen in schwierigen Lebenssituationen hilfreich beizustehen.

"Ich muss wirklich hören wollen, was der sagt, denkt, empfindet, der Krebs hat."

Was soll ich zum Beispiel sagen, wenn ich jemanden in der Klinik besuche, der Krebs hat?

Entschuldigung, aber das ist gleich die größte Falle überhaupt: Ich muss überhaupt nichts sagen. Ich muss keine Antworten haben, das kann ich gar nicht. Ich muss stattdessen wirklich hören wollen, was der sagt, denkt, empfindet, der Krebs hat. Und zwar nicht nur mit den Ohren, sondern mit dem Herzen.

Dorothea Böhle
Pfarrerin Dorothea Böhle, Seelsorgerin im Nürnberger Klinikum Nord.

"Dass Ehrenamtliche gar nicht mehr in die Klinik dürfen, um Besuche zu machen, scheint mir aufgrund der politischen Lage eher unwahrscheinlich."

Während der ersten Phase der Pandemie durften die ehrenamtlichen Klinikseelsorger die Krankenhäuser nicht mehr betreten. Das war für einige sicher frustrierend. Sind Ihnen in der Zeit Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter abgesprungen?

Ja, die Ehrenamtlichen durften lange nicht in die Klinik und das war sehr schwierig. Manche haben inzwischen auch aus Altersgründen aufgehört. Die Pandemie hat viel Verunsicherung ausgelöst. Unseren letzten Kurs mussten wir in der ganzen ersten Hälfte online machen, das Experiment ist aber gut gelungen. Inzwischen haben wir ein mit der Klinik abgesprochenes Hygiene-Konzept mit klaren Vorgaben, an die wir uns halten müssen. Dass Ehrenamtliche gar nicht mehr in die Klinik dürfen, um Besuche zu machen, scheint mir aufgrund der politischen Lage eher unwahrscheinlich.