Open Doors stellt in ihrem jährlichen Weltverfolgungsindex die Länder vor, in denen Christ*innen am meisten Verfolgung zu befürchten haben. Der  Hilfsorganisation zufolge ist dies Nordkorea. Das asiatische Land löst Afghanistan auf der Pole Position ab – was angesichts der Machtübernahme der Taliban verwundert.

Bei der Vorstellung des Berichts hieß es, in Afghanistan sei die Situation für Christen auch weiterhin extrem gefährlich. Dass es trotzdem nur auf Rang neun des Index geführt werde, liege daran, dass oft nicht erkennbar sei, ob die Taliban Menschen aufgrund ethnischer Zugehörigkeit, der Zusammenarbeit mit westlichen Streitkräften und NGOs ermordeten, oder weil sie Christ*innen seien.

Medien greifen Weltverfolgungsindex gerne auf

Und damit sind wir auch schon beim Kern der Kritik an Open Doors und ihrem Weltverfolgungsindex. Die Organisation wurde 1955 gegründet, seit 1993 veröffentlicht sie jährlich ihren Bericht über das Ausmaß der Benachteiligung von Christ*innen. Medien greifen das gerne auf, schließlich sind Rankings und Tabellen immer beliebt. 

Doch die Methodik, mit der Open Doors den Verfolgunsindex erstellt, wird immer wieder kritisiert. Heiner Bielefeldt, damals UNO-Sonderberichterstatter über Religions- und Weltanschauungsfreiheit, erklärte bereits 2012, er habe "große Zweifel daran, dass diese Zahlen solide sind".

Der Professor für Menschenrechte und Menschenrechtspolitik an der Universität Erlangen-Nürnberg erklärte, die Organisation lege keine klaren Kriterien für den Begriff der Verfolgung zugrunde und verwende den Terminus "Christenverfolgung" zu weitläufig. Ähnlich schätzten das auch Menschenrechtsorganisationen wie Amnesty International und Human Rights Watch ein. 

Zweifel an den Zahlen

Bis 2012 hatte das Hilfswerk die Zahl der weltweit wegen ihres Glaubens verfolgten Christ*innen mit 200 Millionen angegeben. Als es kritische Nachfragen von Journalist*innen gab, korrigierte man sie auf 100 Millionen. Später kehrte man aber wieder zu 200 Millionen zurück. Im aktuellen Bericht ist von 360 Millionen die Rede. Festzuhalten ist dabei: Es handelt sich um Schätzungen.

Laut Open Doors beruht der Index auf der Erhebung von dokumentierten Übergriffen auf Christ*innen und Gemeinden in den einzelnen Ländern. Auch Unterdrückung und Diskriminierung im Privat- und Familienleben, in der Gesellschaft, im Staat und im kirchlichen Leben sollen in den Index einfließen. Zusätzlich werden laut Open Doors ortsansässige Forscher und Länderexperten befragt. Der Index soll Verfolgung sichtbar machen und verfolgten Christ*innen eine Stimme geben.

Es existiere jedoch keine allgemein anerkannte rechtliche Definition des Begriffes Verfolgung, räumt Open Doors ein. Bestimmte Situationen könnten als Verfolgung eingeordnet werden, wenn etwa Personen das Menschenrecht auf Religionsfreiheit verwehrt werde. Die Methodik des Weltverfolgungsindex folge "eher einer theologischen als einer soziologischen oder juristischen Definition".

Religiöse Freiheit in Kontext der Menschenrechte einordnen

Kritiker*innen werfen Open Doors dagegen vor, es ginge der Organisation darum, zu polarisieren. Einen ganz anderen Ansatz, Verfolgung aufgrund des Glaubens weltweit zu dokumentieren, wählt dagegen ein gemeinsamer Bericht der Evangelischen Kirche und der Deutschen Bischofskonferenz.

Im "Ökumenischen Bericht zur Religionsfreiheit von Christen weltweit" von 2017 wird sorgfältig zwischen "Verfolgung" und "Bedrängnis" unterschieden. Die Autor*innen ordnen das Thema in den größeren Kontext der Menschenrechte ein und gehen der Frage nach, in welchem Maß die religiöse Freiheit von Christ*innen und anderen religiösen Gruppen in vielen Ländern und Regionen verletzt wird.

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