Anfang Juli saß Heidi Wolfsgruber in mittelalterlicher Kostümierung als Lagerpfarrerin bei den Uffenheimer Rittertagen mittendrin im Geschehen auf der Diversitäts-Schaukel. Den Doppelsitzer hatte sie wenige Wochen zuvor günstig bei Ebay erstanden und so umgebaut, dass die robuste Holz-Schaukel leicht auf- und abbaubar ist und in den Kofferraum ihres Kombis passt.

In ungezwungener Atmosphäre lud die Pfarrerin jeweils zwei Menschen ein, miteinander ins Gespräch zu kommen und Fragen rund ums Thema Diversität und Vielfalt zu besprechen. Wolfsgruber ist für die evangelische Bildungsarbeit in den vier Dekanaten Bad Windsheim, Neustadt/Aisch, Rothenburg und Uffenheim zuständig.

"Diversitäts-Schaukel" als Gesprächseinstieg

"Dabei geht es nicht nur um Genderfragen oder sexuelle Orientierung, sondern auch um Klassismus, Frauenbilder oder einfach Vorurteile", sagt sie. In Uffenheim gelang der niederschwellige Zugang zu solchen Gesprächen über die Zeit des Mittelalters mit ihrer Ständegesellschaft, den Hexenverbrennungen, der Heiratspolitik und der Macht der Kirche.

"Selbstreflexion war schon immer das Markenzeichen von evangelischer Erwachsenenbildung", meint Wolfsgruber. Und die müsse auch mit unkonventionellen Methoden erreicht werden, "damit die Leute raus aus ihren Blasen kommen und lernen, einander besser zu verstehen."

Die Schaukel sei hierzu ein erstes Vehikel. Sie soll beispielsweise auch im Museum "Kirche in Franken" in Bad Windsheim aufgestellt werden, wo derzeit die Ausstellung "Evangelische Migrationsgeschichten" gezeigt wird. Ziel: Die Besucherinnen und Besucher sollen Platz nehmen und miteinander von ihren eigenen Erfahrungen mit Ein- oder Auswanderung, aber auch mit dem Aufeinandertreffen verschiedener Kulturen sprechen.

Standorte für die Schaukel

Denkbar wäre für sie auch, mit der Schaukel nach Neustadt/Aisch zu der neuen Container-Siedlung in einem Gewerbegebiet zu gehen, in der bald Geflüchtete auf den Ausgang ihres Asylverfahrens warten. "Dann vor Ort mal über die Vorstellungen der eigenen Sexualmoral oder der von Menschen aus dem afrikanischen oder arabischen Raum zu sprechen, das stelle ich mir sehr spannend vor", erklärt die Pfarrerin.

Das Projekt "Ich sehe was, was Du nicht siehst" ist eines von hundert "Miteinander reden"-Projekten der Bundeszentrale für politische Bildung, die unter dem Stichwort "Kontroversen führen - Vertrauen bilden" mit jeweils 10.000 Euro gefördert werden.

Kathrin Okafor, Integrationslotsin bei der Diakonie Neustadt, und Diakon Jürgen Rotter vom Beratungszentrum der Diakonie in Uffenheim wollen zudem Workshops auf Grundlage der "Anti-Bias"-Idee anbieten, mit dem gerade Kinder für Diskriminierung sensibilisiert und auf eigene Vorurteile aufmerksam gemacht werden sollen.

Voreingenommenheit gegenüber Menschen

In den kommenden Wochen will man möglichst viele Institutionen zum Mitmachen animieren. Sie sollen "spielerisch divers sehen lernen und Vielfalt wertschätzend sichtbar machen", so der Untertitel des bis Ende 2024 laufenden Projekts.

"Auch in den ländlichen Regionen ist Vielfalt längst Realität", ist Wolfsgruber überzeugt. Dennoch herrsche oft eine auch unbewusste Voreingenommenheit oder Unsicherheit gegenüber Menschen, die den eigenen Normvorstellungen nicht entsprächen.

"Diese kann sich auf Menschen beziehen, die beispielsweise aus nicht-europäischen Herkunftsländern kommen, sich für nicht-binäre Beziehungen entscheiden, als Patchwork- oder Ein-Eltern-Familien leben oder auf Menschen unterschiedlichster körperlicher oder seelischer Behinderung", zählt die Initiatorin auf.

Notwendig seien Bemühungen seitens der evangelischen Bildungswerke in diese Richtung, weil das Miteinander in der Gesellschaft wachsen und Abwehrhaltungen abgebaut werden sollen. Dazu dienen Workshops, runde Tische oder künstlerische Projekte. "Keine Angst" laute ohnehin das Credo von Heidi Wolfsgruber. "Also auch nicht vor dem Nächsten."

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