Sonja Scherle-Schobel hat Lust auf Aufbruch. "Ich glaube, dass manches einfach Ballast ist", sagt sie. "Aber die Schätze, die sollten wir behalten – und heben." Am 26. Oktober wird die 49-Jährige von Regionalbischöfin Elisabeth Hann von Weyhern in der Stadtkirche Pappenheim in ihr neues Amt als Dekanin eingeführt.
Das Dekanat Pappenheim steht vor einem Umbruch: eine geplante Fusion mit den Nachbardekanaten Weißenburg und Gunzenhausen, die in den nächsten Jahren vollzogen werden soll. Noch gibt es keinen festen Zeitplan, "aber wir können nicht mehr jahrelang warten", sagt sie mit einem Lächeln. Im November trifft sich erstmals eine Arbeitsgruppe aus Haupt- und Ehrenamtlichen, um die Weichen zu stellen. Ziel sei es, "eine stabile Struktur zu schaffen, die länger trägt – und nicht alle zehn Jahre wieder neu verhandelt werden muss".
Für Scherle-Schobel ist dieser Prozess eine Chance. Sie spricht von einem "agilen Management", von Offenheit und Gestaltungsfreude. "Wir leben in Zeiten des Wandels", sagt sie. "Wir merken in allen Gemeinden, dass die Zahlen zurückgehen – bei Mitgliedern, Pfarrpersonen, Ehrenamtlichen. Aber gerade jetzt, wo wir noch handlungsfähig sind, müssen wir nach vorn schauen." Das Wichtigste dabei: Information, Transparenz und Beteiligung. "Es kursieren schnell Gerüchte – vom Abriss von Kirchen bis zu angeblichen Schließungen. Da hilft nur, ehrlich zu sagen, was ist, und zu zeigen, wo Spielräume bleiben."
Und diese Spielräume möchte sie nutzen, um Menschen zu ermutigen, selbst Kirche zu gestalten. "Es wird nicht mehr in jeder Kirche jeden Sonntag einen Gottesdienst geben", sagt sie nüchtern. "Aber diese Gebäude, diese Räume, diese Menschen – das sind unsere Schätze. Die wollen wir zeigen, pflegen, zugänglich machen." Und zugleich möchte sie Menschen ermutigen, Verantwortung zu übernehmen. "Nicht warten, bis jemand von oben sagt: Jetzt richten wir Bibelkreise ein. Wenn sich drei Leute finden, die Lust haben – dann sollen sie einfach anfangen."
Von Kleinhaslach hinaus in die Welt
Wer Sonja Scherle-Schobel begegnet, spürt sofort, dass ihre Frömmigkeit etwas Bodenständiges hat. Kein verkopftes Theologisieren, sondern eine ruhige, zugewandte Haltung, die aus Erfahrung gewachsen ist. Ihre Wurzeln liegen im mittelfränkischen Dorf Kleinhaslach, einem Ort mit rund 250 Einwohnern. "Da war die Kirche einfach der Mittelpunkt", erinnert sie sich. "Kindergottesdienst, Kirchenchor, Mutter-Kind-Gruppe – alles war da. Da habe ich gemerkt: Das, was ich kann, wird gebraucht." Schon als Jugendliche leitete sie Gruppen, sang, musizierte, organisierte. "Ich konnte reden, Musik machen, mit Menschen umgehen – und das war genau dort gefragt."
Diese frühen Erlebnisse waren prägend. "Da wurde das, was mir Spaß machte, wertgeschätzt", sagt sie. "Ich habe erlebt, wie unter den eigenen Händen Gemeinde wächst." Aus dieser Erfahrung erwuchs der Wunsch, Theologie zu studieren. "Ich musste alle drei alten Sprachen nachlernen", erzählt sie lachend. "Da muss man einfach machen." Dieses "Einfach-machen" zieht sich durch ihren Lebensweg – und erklärt vielleicht, warum sie keine Angst hat vor Veränderung.
Nach dem Studium absolvierte Scherle-Schobel ihr Vikariat in der Oberpfalz, ihre erste Pfarrstelle führte sie nach Mitterteich, unweit der tschechischen Grenze. "Das war Diaspora pur", sagt sie rückblickend. "Da mussten wir immer schauen, dass wir sichtbar sind – dass man uns überhaupt wahrnimmt." 2008 wechselte sie in die Thomaskirche in Ingolstadt-Friedrichshofen, wo sie 15 Jahre blieb. "Eine tolle Gemeinde, mit ganz viel Engagement", sagt sie. Nebenbei engagierte sie sich auch am Gottesdienstinstitut in der Ausbildung von Lektorinnen und Prädikanten, als Mentorin und Fachprüferin im landeskirchlichen Kontext. In Ingolstadt lernte sie auch ihren Mann kennen; gemeinsam bekamen sie eine Tochter, Helena. Trotz der Zufriedenheit in Ingolstadt kam irgendwann der Punkt, "wo man spürt, es ist Zeit, etwas Neues anzufangen". Das Neue kam aus einer unerwarteten Ecke.
Es war ein Seminarwochenende im Evangelischen Bildungs- und Tagungszentrum Pappenheim. Ihr Mann und ihre Tochter begleiteten sie. Am Abend saßen sie auf der Terrasse, sahen die Sonne hinter der Burg untergehen. "Mein Mann sagte: Wenn hier mal eine Stelle frei wird, das könnte ich mir vorstellen", erzählt sie. "Und ich habe gesagt: Vergiss es! Hier wird so schnell nichts frei." Doch kurz darauf stand die Dekansstelle offen. "Wir hatten Lust auf etwas ganz anderes", sagt sie. "Raus aus der Stadt, rein ins Land – dahin, wo Kirche noch mitten im Ort steht."
Die neue Aufgabe – und ihr Blick auf Kirche
Als neue Dekanin tritt Sonja Scherle-Schobel in große Fußstapfen: Ihr Vorgänger Wolfgang Popp war zwei Jahrzehnte lang im Amt und prägte die Region. "Ich habe schon oft erlebt, dass es schwer ist, in solche Strukturen hineinzukommen", sagt sie. "Aber hier habe ich gespürt: Die Menschen sind offen, neugierig, freundlich." Ihr erstes Ziel ist es, die Gemeinden kennenzulernen. "Ich habe mir vorgenommen, einfach zuzuhören und zu schauen: Was brauchen die Leute, was läuft gut, wo ist Bewegung drin?"
Dabei denkt sie Kirche ganz praktisch. Ein Beispiel aus Ingolstadt zeigt, was sie meint: Als Einschulungsgottesdienste kaum noch besucht wurden, verlegte sie den Segen kurzerhand auf den Schulhof. Unter einem Pavillon segnete sie Kinder und Eltern – auch muslimische Familien kamen. "Das war Überwindung, sich da einfach hinzustellen", sagt sie. "Aber am Ende war’s wunderbar. Da wurde Kirche sichtbar und relevant." Diese Erfahrung möchte sie mitnehmen nach Pappenheim: Kirche dort gestalten, wo die Menschen sind.
Wenn Sonja Scherle-Schobel am 26. Oktober in der Stadtkirche Pappenheim eingeführt wird, dann steht sie nicht nur am Anfang eines neuen Amtes – sondern mitten in einem großen Wandel, den sie mit Zuversicht angeht. "Natürlich wäre es schöner, neue Gemeindehäuser zu bauen und sie einzuweihen", sagt sie lachend. Aber das scheint genau ihre Stärke zu sein: den Wandel nicht zu beklagen, sondern als Gelegenheit zu sehen. "Schätze behalten, aber vom Ballast befreien" – dieser Satz, der so schlicht klingt, könnte das Leitmotiv für ihre Arbeit werden.