Der evangelische Landesbischof Christian Kopp geht gern neue Wege. Soviel steht fest nach diesem ersten Jahresempfang, zu dem er am Donnerstagabend in das Schloss Tutzing eingeladen hat. Kurz vor den Pfingstferien, würde das gut gehen, hatten sich manche Kircheninsider sicherlich gefragt.
Nun: Es geht. Es ist sogar wunderbar. Denn nicht nur das Schloss zeigte sich mit seiner Wiese und seiner Blumenpracht von der besten Seite. Auch das Wetter spielt mit und liefert den Gästen eine wundervolle Abendstimmung.
Aus dem Festsaal erklingt Jazzmusik, und auch das Abendprogramm ist eher lässig: Mit lockerem Schwung steigt Kopp auf die Bühne und begrüßt launig seine Gäste, die deutlich jünger und diverser sind als das übliche Tagungspublikum. Er freue sich, so kurz vor Pfingsten "vieles neu" machen zu können, meint er und grinst schelmisch in den Festsaal.
Auf dem Podium steht kein Stehpult, einen langen Vortrag gibt es ebenso wenig wie die üblichen Grußworte von Staatssekretären, die ihre Minister vertreten, weil die in letzter Minute leider doch keine Zeit haben. Dafür aber ein großes Thema, dass bei einem Podiumsgespräch diskutiert werden soll: Landesbischof Kopp, die Schriftstellerin Nora Bossong und der Sicherheitsexperte Peter R. Neumann wollen sich über nichts geringeres unterhalten als die Frage, was denn die Welt zusammenhält.
Was die Welt zusammenhält
Die Moderatorin und Tutzinger Referentin Dorothea Grass schlägt gleich zu Beginn einen großen Bogen von Goethe zu Google - und eröffnet damit ein weites Diskussionsfeld, das sich in der folgenden Stunde über Demokratie und Macht, Europa und Wahlen, Solidarität und Verständigung erstreckt.
Kopp, so macht er gleich zu Beginn in der Begrüßung deutlich, ist das "Projekt Europa" ein persönliches Anliegen. Er wolle sich dafür einsetzen, dass Europa "blüht und gedeiht", meint er. Natürlich nehme er wahr, dass das gesellschaftliche Klima rauer werde - wie die jüngsten Angriffe auf Politiker zeigten. Doch dürften diese Übergriffe nicht dazu führen, dass weniger Menschen sich für die Wahl aufstellen, so Kopp. Es sei Aufgabe von Institutionen ebenso wie der Gesellschaft, dass Europa stabil bleibe und gestärkt werde.
Die Schriftstellerin Nora Bossong spielt - wie sollte es anders sein - mit Begrifflichkeiten und der Sprache: "Unsere Gesellschaft leidet unter einer Begegnungskrise", beschreibt sie die Stimmung, die sie derzeit in der Gesellschaft wahrnehme. Es bildeten sich immer kleinere Gruppen, die immer weniger zusammen fänden. Solidarität, Gemeinschaft und Verständigung gingen zusehends verloren. Die Verhärtung der Positionen mache es schwer, in einen Dialog zu kommen.
Konflikte gibt es immer
Sicherheitsexperte Peter R. Neumann konstatiert nüchtern, dass die Gesellschaft akzeptieren müsse, dass es immer Konflikte gebe und diese gemanagt werden müssten. Rechtsextremistische Parteien hätten in der Geschichte immer dann Erfolg gehabt, wenn die Verunsicherung unter den Menschen groß sei. Doch diese "Logik der Angst" sei eine alte Erzählung, die es zu durchbrechen gelte.
Die Demokratie habe im Vergleich zu anderen Herrschaftssystemen eine besondere Stellung. "Demokratien sind kritikfähig und haben dies auch in ihr System eingebaut. Sie sind offen für Fehler und können diese korrigieren. Das macht Demokratie so stark", so Neumann. Demokratie könne sich wandeln – und sich trotzdem treu bleiben.
Auf dem Podium wechseln die Themen im raschen Tempo, mal eben schwenkt die Moderatorin zum Thema Macht, dann wird über Verschwörungstheorien gesprochen, oh, da war noch das Thema Identität, und dann erzählt Neumann noch von seinen Erfahrungen in Großbritannien (60 Prozent denken, dass Brexit ein Fehler war, aber verändern wird sich nichts mehr), aber da kommt schon die nächste große Frage um die Ecke, und dann ist die Stunde auch schon rum.
Noch schnell ein Schlusswort, alle sind sich einig, dass die Menschen wieder mehr miteinander sprechen müssen, dass die Gesellschaft durchlässig sein muss für Korrekturen. Landesbischof Kopp findet, Kirchen hätten die große Stärke, einen Ort bieten zu können, der "Sinn, Ruhe, Demut und Richtung" gebe im Leben.
Kurz bevor er von der Bühne geht, weist er noch auf das üppige Blumengesteck mit den Pfingstrosen, das auf der Bühne steht: "Das hat der Techniker gemacht", sagt Kopp und bittet um einen Applaus für den Herrn, der ganz hinten im Saal sitzt, und dann verabschiedet er seine Gäste in den Abend.
Das Schloss glimmt im letzten Abendlicht, einige Gäste huschen zum Ufer, um doch noch ein Selfie zu posten, andere spazieren zum Buffet und stapeln auf ihrem Teller überwiegend vegetarischen Köstlichkeiten. Die Salons, jetzt kommen sie vollends zur Geltung, bis spät in die Nacht sitzen die Gäste und führen die Gespräche fort.
Fast möchte man das Tanzbein schwingen, so entspannt, souverän und locker ist dieser Jahresempfang.
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