Die evangelischen Landeskirchen in Bayern, Baden, Württemberg und der Pfalz planen eine gemeinsame Aufarbeitungskommission für Fälle sexuellen Missbrauchs. Die Konstituierung ziehe sich noch etwas hin, sei aber auf dem Weg, sagte der Sprecher der Evangelischen Landeskirche in Württemberg, Kirchenrat Dan Peter, am Mittwoch in Stuttgart auf Sonntagsblatt-Anfrage.

Ein Sprecher der evangelischen Landeskirche in Bayern sagte, die Kommission sei noch nicht so weit.

"Alles ist in Bearbeitung". 

In Württemberg habe bereits ein Betroffenenforum stattgefunden, und für den Frühherbst sei ein weiteres Betroffenenforum explizit zur Beteiligung in Kommissionen und Gremien geplant, so Peter.

Württemberg: Alle bekannt gewordenen Fälle aufgearbeitet

Die Evangelische Landeskirche in Württemberg sei schon seit vielen Jahren an den Themen Missbrauch und sexualisierte Gewalt, schreibt die Beauftragte für Chancengleichheit, Ursula Kress, auf der Internetseite der Anlaufstelle für Betroffene.

Alle bekannt gewordenen Fälle seien aufgearbeitet und in der gesamten Landeskirche Präventionsmaßnahmen eingeführt worden, erläutert Kress, die auch vor der am Freitag und Samstag in Stuttgart tagenden Landessynode einen Bericht geben wird.

Fast 200 Meldungen seit 2010

Seit 2010 seien in der Anlaufstelle etwa 190 Meldungen von Beratungsanfragen bis zu Vorfällen eingegangen, heißt es auf der Homepage. Bereits seit 2015 gebe es für Württemberg eine unabhängige Kommission ohne kirchliche Funktionsträger, die in bisher 174 Fällen Betroffenen von sexualisierter Gewalt sogenannte Anerkennungsleistungen in Höhe von insgesamt 2,6 Millionen Euro zugesprochen habe.

Im vergangenen November hat die württembergische Landessynode ein Gewaltschutzgesetz beschlossen, das Intervention, Prävention, Aufarbeitung sowie Hilfe und Anerkennung regelt.

Bayern: Entschädigungen von 1,1 Mio bezahlt

Der bayerischen Landeskirche sind zwischen 1950 und November 2021 166 Fälle sexualisierter Gewalt bekannt geworden. Die Anerkennungskommission, die Betroffenen sexualisierter Gewalt Leistungen wegen erlittenen Unrechts gewährt, habe bisher 54 Fälle beschieden und eine Summe von 1,1 Millionen Euro ausgezahlt, teilte Sprecher Michael Mädler mit.

In der bayerischen Landeskirche sei ein Team von zehn Personen an dem Thema Aufarbeitung und Prävention dran. "Es ist eine Aufgabe, der wir uns selbstverständlich stellen, das bereits seit vielen Jahren, und die uns leider noch länger beschäftigen wird", so Mädler.

Dunkelziffer schwer einzuschätzen

Die badische Landeskirche hat sich mit 92 Fällen sexualisierter Gewalt seit 1950 befasst. Das erfuhren die Gemeinden im März aus einem Schreiben des damaligen Landesbischofs Jochen Cornelius-Bundschuh. Wie hoch die Dunkelziffer sei, lasse sich nicht einschätzen, schrieb der Bischof. Die Landeskirche ermutige Betroffene weiterhin, sich zu melden.

Alle 56 gestellten Anträge auf Anerkennung als Opfer sexualisierter Gewalt seien anerkannt worden. 36 Personen hätten keine Anträge gestellt oder seien gestorben. Der Bischof betonte, seit 2010 werde in Baden viel getan, um sexualisierte Gewalt und Machtmissbrauch in Kirche und Diakonie aufzuarbeiten und zu verhindern.