Vor allem in ihren Anfangsjahren war die evangelische Communität Casteller Ring allerlei Vorwürfen ausgesetzt. So manchem Protestanten war die Spiritualität der Frauengemeinschaft auf dem Schwanberg am Rande des Steigerwaldes suspekt. Geradezu katholisch sei das alles, hieß es. Und heute? Im 75. Jahr des Frauenklosters setzt die bayerische Landeskirche ganz auf Spiritualität und bietet dazu ein eigenes Internetportal an. "Faszinierend", sagt Priorin Schwester Ursula Buske mit großen Augen.

 Die Anfänge der evangelischen Frauengemeinschaft reichen bis in die Jahre des Zweiten Weltkriegs zurück. Aus dem Bund Christlicher Pfadfinderinnen hatte sich "unter dem Druck der Geheimhaltung" eine geistliche Gemeinschaft entwickelt, weiß Buske. Mehrere junge Frauen wollten nach den Regeln des heiligen Benedikt zusammenleben. Maßgeblich waren für sie die drei evangelischen Räte, die Jesus seinen Jüngern gegeben haben soll: Keuschheit, Gehorsam und Armut. Deshalb leben die Schwestern in Gütergemeinschaft.

Im Februar 1950 begannen die Gründerschwestern mit dem klösterlichen Leben

Am 15. Februar 1950 begannen die beiden Gründungsschwestern Christel Schmid und Maria Pfister in Castell am Fuße des Schwanbergs mit dem klösterlichen Leben - also mit dem regelmäßigen Stundengebet. Von den Gründungsmitgliedern lebt leider keine mehr, sagt die Priorin, aber einige Schwestern aus der Gründungszeit. Was vor 75 Jahren als junges Projekt begann, ist heute "ein Vier-Generationen-Haushalt" mit knapp 30 Schwestern, allerdings mit einem deutlichen Ungleichgewicht in der Alterspyramide.

 "Wir wünschen uns natürlich sehr, dass wir auch weiterhin Frauen für unser Lebensmodell begeistern und neue Schwestern gewinnen können", sagt die Priorin.

Das klingt einerseits nachdenklich, andererseits zuversichtlich. Doch welche Frau lässt sich heute noch aus freien Stücken auf ein Leben im Kloster ein? "Die Wege zu uns sind sehr individuell", berichtet Subpriorin Ellen Reisig, die seit 1986 zu den Casteller Schwestern gehört. Sie fand über die Jugendarbeit ihrer Pfarrgemeinde zum Kloster auf dem Schwanberg.

 Bei Priorin Buske war es zunächst ein studentischer Bibelkreis in Würzburg, über den sie den ersten Kontakt zum Schwanberg bekam. Später intensivierte sich die Beziehung über die damalige Außenstelle der Schwestern in Augsburg, die es seit 2004 mangels Nachwuchs nicht mehr gibt. Und für Schwester Anke Schmidt, die heute als Magistra für die Novizinnen, also den klösterlichen Nachwuchs zuständig ist, war es die Begegnung mit katholischen Benediktinerinnen im Studium 2005, die den Weg in die evangelische Gemeinschaft ebnete.

Kein Einsiedlerleben

Den Schwestern auf dem Schwanberg war es von Anfang an wichtig, kein Einsiedlerleben zu führen. Sie wollten die Spiritualität, das benediktinische Ordensleben mit anderen teilen. "Die Gästearbeit ist für uns ein ganz wesentlicher Punkt", sagt Priorin Buske. Exerzitien, Stille, Meditation, all das und mehr bietet das Geistliche Zentrum auf dem Schwanberg seit Jahrzehnten an. Seit einiger Zeit treten die Kommunität und das Geistliche Zentrum unter der neuen gemeinsamen Dachmarke Evangelisches Kloster Schwanberg auf.

 "Wir haben heute ein anderes Selbstbewusstsein", sagt Schwester Anke Schmidt. Es sei inzwischen "viel selbstverständlicher, auch für uns selbst, dass wir als evangelische Benediktinerinnen leben". Deshalb spreche man heute auch "ganz selbstverständlich vom Kloster Schwanberg". Etwas, das noch vor zehn Jahren fast undenkbar gewesen wäre, sagt die Priorin. Damals, Mitte der 2010er Jahre, steckte die Gemeinschaft in einer Leitungs- und Sinnkrise. "Krisen durchleben heißt ja oft auch, dass danach etwas klarer wird", erklärt Buske.

 Zu diesen Klärungen gehört auch, dass die "Amtskirche" insgesamt das Thema Spiritualität neu für sich entdeckt hat. Dafür braucht sie besondere Orte wie den Schwanberg, der seit vorchristlicher Zeit als "magischer Ort" gilt. Zuletzt stellte die Landeskirche Mittel für die Modernisierung der Anlage zur Verfügung. Was viele angesichts knapper Kassen und sinkender Mitgliederzahlen für unrealistisch hielten. Doch der Schwanberg als evangelischer Ort der Spiritualität überzeugte die Kirchenleitung. 

Zum Kloster gehört ein Jugendhof

Die Schwestern sind sich bewusst, dass sie mit ihren Angeboten keinen spirituellen Massentourismus auf den Berg locken werden. "Wir müssen kein Ort für 14-Jährige sein, aber vielleicht treffen wir uns an anderen Punkten des Lebens wieder", sagt Schwester Anke Schmidt. Und doch kommen viele 14-Jährige hierher, denn zum Kloster gehört ein Jugendhof, eine Art Schullandheim. Dort kommen viele zum ersten Mal mit dem Klosterleben in Berührung:

"Das macht etwas mit den Jugendlichen. Viele kommen in den Tagen bei uns zur Ruhe."

 Nicht ganz so ruhig wird es am 15. Februar auf dem Schwanberg zugehen. Um 11 Uhr feiern die Schwestern in der Michaelskirche mit Landesbischof Christian Kopp auf den Tag genau ihren 75. Geburtstag. "Das ist natürlich eine große Ehre für uns", sagt die Priorin. Da der Platz in der Kirche allerdings begrenzt ist, wird die große Feier auf den 20. Juli verschoben: Beim Schwanbergtag in und um das alte Fürstenschloss feiert die Kommunität dann mit allen, die dabei sein wollen.

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