Antonie Nopitsch: In aller Kürze
Antonie Nopitsch, geboren am 3. August 1901 in Traunstein, ist nach dem Studium der Volkswirtschaft in München zunächst als Dozentin für Sozialwissenschaften und Fürsorgerecht an der Evangelischen Sozialen Frauenschule in Nürnberg tätig. 1933 wird sie arbeitslos und gründet den Bayerischen Mütterdienst, der bis heute unter dem Namen "FrauenWerk Stein" Frauen in Not unterstützt. Gemeinsam mit Elly Heuss-Knapp öffnet sie 1950 das Deutsche Müttergenesungswerk – einen Vorreiter für diakonische Arbeit in Deutschland. Jährlich nehmen rund 50.000 Mütter, 2.000 Väter und mehr als 70.000 Kinder an den Angeboten der Kurkliniken teil. Nopitsch setzt sich auch innerhalb der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) für Frauenrechte ein und ist Vorsitzende des von ihr initiierten "Synodalausschusses für Arbeit und Stellung der Frau in der Kirche". Für ihr Schaffen wird sie unter anderem mit dem Bundesverdienstkreuz ausgezeichnet. Nopitsch stirbt am 10. Januar 1975 in Nürnberg.
Mütter mit Burn-out sind heute keine Seltenheit. Die Belastung fällt in Krisensituationen oft besonders hoch aus, das zeigten unter anderem Studien zur Corona-Pandemie. Eine, die das früh erkannt hat, ist Antonie Nopitsch. Als Mitgründerin des Müttergenesungswerks gilt Nopitsch als Vorreiterin der evangelischen Sozialarbeit. Zugleich gelang es ihr mit ihrer Arbeit, die Leistung von Müttern aufzuwerten und ihnen im Sozialsystem mehr Raum zu geben.
Antonie Nopitsch: Gründung des Mütterdiensts und erste Entwürfe des Müttergenesungswerks
Nopitsch sah als junge Frau das Elend von Müttern in der Nachkriegszeit. Viele waren körperlich erschöpft, litten an Krankheiten. Für Mütter gab es aber kaum Angebote zur gesundheitlichen Erholung. Selbst in der frühen Bundesrepublik waren Kuren in erster Linie Erwerbstätigen vorbehalten. Nopitsch studierte als eine der ersten Frauen in Deutschland Nationalökonomie. 1933 verlor sie ihre Stelle als Dozentin an der Evangelischen sozialen Frauenschule in Nürnberg. Da fasste sie einen Entschluss: Mit ihren Freundinnen Liselotte Nold und Maria Weigle gründete sie noch im selben Jahr den Bayerischen Mütterdienst in Stein.
Ziel war es, Frauen Erholung, Bildungsangebote, aber auch theologische Impulse zu bieten. Nopitsch wollte Müttern zu mehr Unterstützung im Alltagsleben verhelfen, und dazu strebte sie pragmatische Lösungen an. Im Kontakt zu Elly Heuss-Knapp, der Frau des Bundespräsidenten Theodor Heuss, entwickelte sie schließlich die Idee des Müttergenesungswerks. Die Zusammenarbeit mit Heuss-Knapp war nicht zuletzt durch deren Prominenz ein geschickter Schachzug: Am Geburtstag ihres Mannes verkündete die "First Lady" die Gründung übers Radio. Schon im ersten Jahr kamen durch Spendensammlungen 2,5 Millionen Mark zusammen. 26.000 Frauen konnten damit versorgt werden – mit medizinischen Angeboten, aber auch sozialen Hilfen.
Antonie Nopitsch: Die Netzwerkerin
Nopitsch war erfolgreiche Netzwerkerin, und das Jahrzehnte bevor es so etwas wie Instagram oder TikTok gab. Sie verstand sich allerdings nicht als Influencerin im heutigen Sinne; Nopitsch hielt ihre Persönlichkeit im Hintergrund, legte aber umso mehr Wert darauf, ihre Idee und die Marke "Müttergenesungswerk" in der Öffentlichkeit zu promoten. Ihre Strategie war es, weitreichende Beziehungen zu anderen Fraueninitiativen, kirchlichen Institutionen und auch Politikern zu pflegen – und damit Rechte für Frauen unmittelbar in die Praxis umzusetzen.
Ihre engen Beziehungen zu Elly Heuss-Knapp verhalfen beispielsweise Nopitsch dazu, Frauenrechte auch in politischen Diskussionen zu platzieren. So kämpfte die "First Lady" erfolgreich dafür, dass Frauen im sogenannten Kriegshilfenfolgengesetz stärker berücksichtigt wurden. Auch Kriegswitwen bekamen daraufhin Kuren zugesprochen.
Auch in kirchlichen Institutionen wurde Nopitsch durch ihr weitreichendes Kontaktnetz deutschlandweit zu einer gewichtigen Stimme. Der Theologe Hanns Lilje etwa schätzte ihre Arbeit und verhalf ihr zu wichtigen Beziehungen in der Ökumene. Von 1952 bis 1963 war sie Mitglied der "Kommission für Haushalterschaft und Gemeindeleben" des Lutherischen Weltbunds. Und als Synodalin in der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) setzte sich Nopitsch über zehn Jahre lang für die Rechte von Müttern ein.
Müttergenesungswerk als ökumenisches Projekt mit christlicher Motivation
Ihr Engagement war nicht konfessionell gebunden. Bis heute versteht sich das Müttergenesungswerk als ökumenisches Projekt, für das evangelische wie auch katholische und nicht-konfessionelle Institutionen zusammenarbeiten. Nopitsch kämpfte für die Rechte der Frau auf gesundheitlichen Schutz auf gesellschaftlicher Ebene. Auch die Kirche sah sie dominiert von Männern. In ihrem Bericht auf der EKD-Synode 1950 forderte sie mehr Beteiligung: "Die Frau kann nur dann wirklich arbeiten, wenn sie eine Verantwortung hat und wenn man ihr etwas zutraut."
Sie tat das allerdings aus christlicher Überzeugung, die sie so auch in Diskussionen vortrug. Nopitsch war bekannt für ihr Charisma – aber auch ihre strategisch geschickte Argumentationsweise: Die Rechte der Frau sah sie begründet in der Schöpfung und den gottgegebenen Gaben der Frau. Als evangelische Vertreterin auf dem Frauenkongress in Frankfurt klagte sie 1948:
Es ist eine einzige unerhörte Gelegenheit, daß die Frauen eines ganzen Volkes sich vom Haß zur Liebe wenden, daß sie, die Gott der Herr vom innersten Wesen her anders geschaffen hat als den Mann, daß sie wirklich als Frauen handeln und entscheiden, daß sie es nicht mehr ertragen können, daß die einen alles haben und die anderen nichts.
Nopitschs Appell für mehr Wertschätzung für Frauen hat nichts an Aktualität verloren. Heute gelten berufstätige Mütter als normal. Allerdings tragen immer noch Frauen einen Großteil der Sorge um die gemeinsamen Kinder. Alleinerziehende sind überwiegend weiblich, die Belastung hat sich damit für viele Frauen noch erhöht.
Schon Nopitsch sah die Dauerbelastung von Frauen in der "Überforderung, die in der Situation der Mutter in der modernen Gesellschaft begründet ist". Inzwischen leisten auch immer mehr Väter Familienarbeit. Der Druck hat damit in vielen Fällen auch für sie weiter zugenommen. Nopitsch konnte diese Entwicklungen nach ihrem Tod 1975 nicht mehr mitverfolgen – es läge aber vermutlich ganz in ihrem Bestreben, "einen kleinen Bezirk eigenen Lebens [zu] bewahren": Seit 2013 bietet das Müttergenesungswerk auch Kuren für Väter und pflegende Angehörige.
Weitere Informationen über Antonie Nopitsch
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Zum Weiterlesen: "Des Erinnerns wert: Antonie Nopitsch" auf der Seite des Deutschen Evangelischen Frauenbundes Landesverband Bayern e.V.
"Rebellinnen": Die Ausstellung über starke Frauen
Dieser Text ist Teil der Wanderausstellung "Rebellinnen". Sie stellt Frauen aus dem deutschsprachigen Raum vor, die für ihre Überzeugungen und Rechte kämpften, die Gesellschaft prägten, sie verändern wollten.
Als Medienpartner von "Rebellinnen" veröffentlicht sonntagsblatt.de Porträts und weiterführende Informationen zu allen Frauen, die in der Ausstellung gezeigt werden.
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