Es darf nicht nur ums Körperliche gehen. Bei der Versorgung von kranken oder hochbetagten Menschen müssen auch deren spirituelle Bedürfnisse berücksichtigt werden. Seelsorgerinnen und Seelsorger wissen das schon lange. Künftig sollen alle Berufsgruppen, die am Versorgungsprozess beteiligt sind, für diesen ganzheitlichen Pflegeansatz sensibilisiert und entsprechend geschult werden. Das ist das Ziel von Nika Höfler, der neuen Beauftragten der bayerischen Landeskirche für Spiritual Care.

"Die Grundlage von Spiritual Care ist ein ganzheitliches Menschenbild, das heute leider vielerorts im medizinischen und pflegerischen Kontext nicht gelebt wird",

sagt die 33-Jährige. Es fehlt an Zeit. Oder Personal. Oder am Wissen. Das will Nika Höfler ändern, denn: "Jeder Mensch ist spirituell, ob er sich so bezeichnet oder nicht."

Fachstelle für "Spiritualität – Palliative Care – Ethik – Seelsorge"

Ganz neu ist das Thema nicht: 2010 übernahm der bayerische Pfarrer Traugott Roser die erste Professur für "Spiritual Care" im deutschsprachigen Raum am Klinikum Großhadern und wechselte drei Jahre später an die Uni Münster – bei ihm schrieb Nika Höfler ihre Doktorarbeit über die "Wirksamkeit von Krankenhausseelsorge".

Und bereits seit 2012 unterhält die Diakonie München und Oberbayern eine Fachstelle für "Spiritualität – Palliative Care – Ethik – Seelsorge", kurz SPES. Dorothea Bergmann leitet die Fachstelle, sie sagt: "Die meisten Beschäftigten im Gesundheitssystem denken bei Spiritualität sofort an Kirche und Religion." Tatsächlich sei Spiritualität aber "alles, was dem Leben dient". Sie wünscht sich, dass durch die neue Projektstelle der enge Spiritualitätsbegriff in der Pflege geweitet wird. Erste Kontakte zwischen der Fachstelle SPES und Nika Höfler gebe es bereits.

Auch die junge Pfarrerin kennt die Tücken des Spiritualitätsbegriffs. Natürlich hätten manche Menschen im Krankenhaus oder Pflegeheim das Bedürfnis nach einem spirituellen Ritual wie einem Gebet, sagt sie. Oft verberge sich das Problem aber zwischen den Zeilen. Einen Krebspatienten etwa, der ständig über sein Auto spricht, quäle vielleicht seine krankheitsbedingt fehlende Freiheit – auch das ist ein spirituelles Thema, abseits von Religion. "Solche Mechanismen sollten sich alle bewusst machen – egal ob Mediziner oder Pflegekraft", sagt Höfler: "Im Idealfall arbeiten alle Berufsgruppen eng zusammen, um eine ganzheitliche Versorgung zu ermöglichen."

Christlicher Glaube und kirchliches Handeln ist ohne die Sorge um das spirituelle Bedürfnis des Menschen nicht denkbar

Die Seelsorge liegt Nika Höfler nicht erst seit ihrer Beauftragung am Herzen. Sie promovierte zum Thema "Wirksamkeit von Krankenhausseelsorge". Und während ihres Vikariats in Stein bei Nürnberg legte sie einen Schwerpunkt auf die Seelsorge. Seit 1. März ist sie Pfarrerin im Probedienst – aber eben nicht im Gemeindedienst, sondern auf einer wissenschaftlichen Projektstelle. Für Nika Höfler eine sehr bewusste Entscheidung. "Ich liebe es, den ganzen Tag zu forschen. Wenn das Ganze in der Praxis genutzt werden kann, ist das natürlich perfekt."

Entstanden ist die Projektstelle aus einer Kooperation zwischen dem Landeskirchenamt und dem Dekanatsbezirk München – sehr zur Freude von Ingo Schurig. "Christlicher Glaube und dann auch kirchliches Handeln ist ohne diese Sorge um das spirituelle Bedürfnis des Menschen nicht denkbar", so der Referent für Seelsorge im Landeskirchenamt. "Daher können und wollen wir uns in diesen wichtigen, multiprofessionellen Diskurs einbringen." An Nika Höfler schätzt Ingo Schurig vor allem, dass sie nicht nur eine Theoretikerin ist, sondern ihr Herz auch für die Praxis schlägt. So versucht sie zum Beispiel, neben ihrem Vollzeitjob ab und zu auch Gottesdienste in Pflegeheimen oder Krankenhäusern zu halten.

Das Prinzip der Spiritual Care in Einrichtungen der Gesundheitsversorgung implementieren

Im Moment verschafft sich die gebürtige Fränkin einen Überblick darüber, was in der bayerischen Landeskirche an Spiritual-Care-Initiativen bereits vorhanden ist, und knüpft Kontakte zu wichtigen Akteuren aus Medizin, Pflege und Politik. Mittelfristig geht es unter anderem darum, das Prinzip der Spiritual Care in der Landeskirche sowie bayernweit in Einrichtungen der Gesundheitsversorgung zu implementieren. Und die Forschung in diesem Bereich voranzutreiben.

In der Spiritual Care sieht Nika Höfler ein wichtiges Handlungsfeld von Kirche:

"Menschen, die kaum etwas mit Kirche oder Religion zu tun haben, sie vielleicht sogar ablehnen, können hier niederschwellig die heilsame Kraft von Spiritualität erfahren."

Viele erlebten diese Möglichkeit als tröstend und Halt gebend. "Hier ist Kirche ganz im Sinne Jesu dort, wo Not ist. Ganz am Menschen, ganz nah."

Kommentare

Diskutiere jetzt mit und verfasse einen Kommentar.

Teile Deine Meinung mit anderen Mitgliedern aus der Sonntagsblatt-Community.

Anmelden