Der Himmel ist wolkenlos blau an diesem Morgen in Gaimersheim. Es fühlt sich für mich wie ein herrlicher Spätsommertag an. Eifrige Ehrenamtliche verwandeln innerhalb von Minuten den weißen Pavillon vor der Kirche in eine Aperitifbar. Sie stellen einen quadratischen Kühlschrank bereit sowie Eiswürfel, Orangen-Scheiben, grüne Minzblätter, bunte Strohhälme und Sektgläser mit Zuckerrand.
Als die ersten Neugierigen um Viertel vor zehn Uhr kommen, können sie zwischen drei alkoholfreien Aperitifen wählen: "Darf es ein blauer 'Swimmingpool' sein, ein bitterer 'Aperol' oder doch lieber ein beeriger 'Lillet Wildberry'?", tönt es von einer der Ehrenamtlichen hinter der Bar.
Gottesdienst erleben: Aperitifgottesdienst in Gaimersheim
Mit dem Aperitif-Glas in der Hand geht es in die Kirche. Jazzige Loungemusik läuft im Hintergrund. "Huch… Das sieht ja hier ganz anders aus als sonst! Jetzt muss ich mich erstmal orientieren!", staunt ein wöchentlicher Kirchgänger, als er die Kirche betritt. Er hat recht: Die Sitzordnung ist anders als sonst.
Die wöchentliche Lieblingsbank wird man heute früh nicht wiederfinden können. Denn die Kirchenbänke sind gemeinsam mit Biertischen längs zum Altar in Tischgruppen gestellt. "Wir machen das heute zum ersten Mal so im Gottesdienst”, erklärt Pfarrer Ulrich Eckert.
"Das ändert die Perspektive auf den gesamten Kirchraum und lädt zum Gespräch ein."

Gottesdienst im Wohnzimmer-Stil
In der kommenden Stunde feiern mein Kollege Pfarrer Ulrich Eckert und ich zusammen mit den Besuchenden einen Gottesdienst. Dazu gibt es Aperitif, Grissini, Nüsschen, Gesangbuch und Gesprächsimpulse. Die Liturgie enthält viele Elemente eines typischen Gottesdiensts – vom Tagesgebet über die Lesung bis hin zu den Fürbitten und dem Vaterunser sowie dem Segen.
Gleichzeitig ist die Liturgie aber auch am Gottesdienstformat der sogenannten Wohnzimmerkirche aus Hamburg orientiert: Denn irgendwo in der Mitte gibt es nach zwei kurzen Predigtimpulsen zum Thema "Neuanfang" Zeit, sich an den Tischen zu Gesprächsimpulsen auszutauschen.
Kennenlernen
Ein halbes Dutzend Gesprächsimpulse liegen auf den Tischen bereit. Auf Zetteln stehen Sätze wie "Das habe ich neu beim letzten Neuanfang über mich gelernt" oder "Da bräuchte ich dringend einen Neuanfang". Alle sind im Gespräch vertieft. Die Stimmung könnte kaum besser sein.
"Ich habe alte Bekannte heute nochmal von einer anderen Seite kennengelernt. Das hätt’ ich ja nie gedacht", lacht eine Frau, als wir nach dem Gottesdienst wie viele andere bei einem zweiten Aperitif-Glas noch zusammenstehen.

Erstmalige Gottesdienstbesucher*innen
Ich frage Gregor K., einen der Neuzugezogenen, was ihn angesprochen hat, mit seinen vier Kindern und seiner Frau heute zu kommen.
Er antwortet: "Die Einladung von euch war sehr ansprechend, mich hat das sofort neugierig gemacht! Ich dachte, bei so was Lockerem können wir auch unsere Kinder mitbringen!"
Auch Elke W. und ihre Tochter wurden als Neuzugezogene im Vorfeld per Post eingeladen. Elke W. erzählt: "Das war jetzt ein guter Anlass, nach dem Umzug unsere neue Gemeinde kennenzulernen. Wir kommen bald wieder!" Tochter Julia W. ergänzt:
"Ja, das war spannend, sich mal im Gottesdienst gegenüberzusitzen und an den Tischen zu unterhalten. Eine super Atmosphäre!"
Am Ende ist Pfarrer Ulrich Eckert sichtlich zufrieden mit dem ersten Aperitifgottesdienst in Gaimersheim: "Ich kann mir sehr gut vorstellen, auch im nächsten Jahr wieder einen besonderen Gottesdienst im September zu machen. Das ist ein guter Opener für den Start in die Saison nach der Sommerpause. Ein Opener für Gottes Nähe und Begleitung im Alltag. Ein Opener für das Erleben von Gottesdienst und Gemeinde."
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