Sie brauchen viel Wissen, müssen verstehen wollen und intuitiv spüren, was das Gegenüber gerade braucht: Seelsorger in einer Klinik für psychisch kranke Menschen. Hartmut Grosch hat diese Herausforderungen angenommen. Seit Oktober 2021 gehört der evangelische Pfarrer dem ökumenischen Seelsorgeteam des Uniklinikums Würzburg an. In erster Linie kümmert er sich um Patienten in Hautklinik und Psychiatrie.

Unsichtbare Krankheit

Depressive sind oft so müde und erschöpft, dass sie kaum fertig werden mit dem, was dringend zu erledigen ist. Das erlebte Grosch bei einem jungen Mann: "Er erzählte mir, dass er wie gelähmt ist." Als wäre das nicht schon schlimm genug, leidet er unter dem Unverständnis seiner Familie. Der junge Mann wirkt kräftig. Äußerlich scheint ihm nichts zu fehlen. "Seine Lähmung ist nicht sichtbar", sagt Grosch. Und darum für sein Umfeld nicht nachvollziehbar.

Warum kommen Phasen von Depressivität immer wieder? Je öfter der Klinikseelsorger mit dem Patienten spricht, desto mehr Gewicht erhält diese Frage. Wobei der Theologe kein Gespräch zur Suche nach den Ursachen des Leidens forciert: "Ich höre in erster Linie zu." So erfuhr er, dass der Patient offenbar von Beginn seines Lebens an keine einzige sichere Bindung zu irgendeinem Menschen hatte.

Bewegung und Meditation bringen Ausgleich

Viele Patienten können nur in einer Psychiatrie die nötige Hilfe bekommen. Die allerdings können Ärzte und Pfleger alleine nicht leisten - auch wegen des Kostendrucks: "Die Patienten sind oft nur drei bis sechs Wochen in der Psychiatrie", weiß Grosch. Aus Sicht der Medizin ist es in dieser Zeit am wichtigsten, die medikamentöse Einstellung hinzubekommen. Der Theologe kümmert sich um das, was außerdem wichtig ist. Um das, was der Seele guttut.

Grosch hat evangelische Theologie und Sport studiert. Bis heute sind ihm Sport und Bewegung wichtig. So gelingt ihm, all das zu verarbeiten, womit er im Beruf konfrontiert wird.

"Mich täglich zu bewegen, zum Beispiel, indem ich Volleyball spiele, laufe oder Tennis spiele, ist für mich von großer Bedeutung", sagt er.

Seine Arbeit sei kräftezehrend. Um sich innerlich auf diese Arbeit vorzubereiten, meditiert Grosch jeden Morgen: "Das stärkt mich für den Tag."

Der Pfarrer trifft Menschen, die krankheitsbedingt alles pessimistisch sehen oder verzweifelt sind. Er lässt sich auf Patienten ein, die sich auf verstörende Weise anders verhalten. Eine seiner Patientinnen hatte unlängst etwas Schockierendes erlebt, verbunden mit massiven Schuldgefühlen. Sie könne seither an fast nichts anderes mehr denken. "Fast so, als wenn es nun ein Teil ihres Seins wäre." Ihr Umfeld ist davon zunehmend genervt, aber Grosch hört weiter zu.

Nicht jede*r kennt die Seelsorge

Auch abseits der Psychiatrie kann die Klinikseelsorge stark fordern. Manche Chirurgie-Patienten haben vor bloßen Routineeingriffen Angst. Zumal, wenn sie das erste Mal unters Messer kommen. Auch zu solchen Patienten geht Grosch. "Nicht selten muss ich dann erklären, wer ich überhaupt bin", sagt er. Das ist einer der großen Unterschiede zum Gemeindedienst: Nicht jeder Patient weiß, was ein Seelsorger ist.

Das geht so weit, dass Hartmut Grosch hin und wieder gefragt wird, ob er denn unterwegs sei, um für die Kirche Spenden zu sammeln. Nein, sagt er und lächelt. Er sei unterwegs, um Kranken beizustehen, in ihren Ängsten, bei Zweifeln, Fragen oder in existenziellen Nöten.