Von außen sieht die Rogatekirche aus wie viele andere Kirchen auch: roter Ziegelbau, längliches Kirchenschiff und ein Kirchturm mit goldener Uhr. Neu ist die Fensterfront zur Straße, die vom Boden bis zur Gebäudemitte reicht. Noch hat sich die Rogatekirche nicht komplett in Münchens erste evangelische Jugendkirche verwandelt. Doch beim Anblick des weiträumigen Kirchenraums mit der weißen Baldachindecke, die an ein Garten-Pavillon aus Beton erinnert, entsteht das Gefühl: hier ist vieles möglich.

Noch steht alles voll, aber bald wird aus dem Umzugschaos die erste evangelische Jugendkirche in München.

Seit 2005 ist die Idee einer Münchner Jugendkirche von der Evangelischen Jugend München (EJM) und dem Dekanat München diskutiert worden. Nach anfänglichen Startschwierigkeiten bei der Ortsfindung und der endgültigen Klärung der Finanzierung, wurde 2015 der erste Spatenstich gesetzt. Insgesamt haben die Umbauarbeiten zwei Jahre gedauert, denn abgesehen von der Sanierung der Rogatekirche zu einem neuen modernen Jugendkirchenraum mit Café, gibt es auch ein Bürogebäude für die Verwaltung der EJM.

"Das ist das einzigartige an dem Konzept der Münchener Jugendkirche: dass eine Kirchengemeinde zusammen mit der Evangelischen Jugend ein Kirchengebäude bewohnt und belebt", erklärt Jugendkirchenleiterin Judith Amend-Knaub. "Dass das Fachpersonal auch in das Gebäude mit einzieht, wird das inhaltliche Konzept sicher mitbeeinflussen", ist sie überzeugt. Mit dem Umzug hat die Evangelische Jugend endlich einen Kirchenraum für den spirituellen Aspekt ihrer Arbeit bekommen, der in dem Bürogebäude in der Birkerstraße 19 nicht vorhanden war. Für Amend-Knaub bietet sich dadurch den Jugendlichen eine "Kirche der Möglichkeiten", wie sie es nennt. "Hier können sie kreativ sein".

Die Jugendkirchenleiterin Judith Amend-Knaub freut sich schon auf die vielen Möglichkeiten, die ein eigener Kirchenraum für die Jugendarbeit bietet.

Spirituell, gesellschaftlich und ökologisch: Auf allen Ebene sollen sich die Jugendlichen einbringen. Sie können für sie passende neue Gottesdienstformen gestalten, gemeinsam über Politik diskutieren und sich überlegen, ob ihr ökologischer Beitrag beispielsweise in einem Bienenvolk bestehen soll, erklärt die Jugendkirchenleiterin. Für sie sei wichtig, dass die Jugendlichen ihre eigene Vorstellung von Kirche einbringen und ihre Ideen umsetzten.

Gemeinsam etwas zu gestalten und zu lernen, wie man miteinander diskutiere, sei tief christlich. "Die Jugendkirche ist auch eine Ausprobierkirche", erklärt die 39-Jährige. Die jungen Leute sollen hier Kirche formen und die Gesellschaft. Das Ziel sei, denn jungen Menschen zu sagen: "Denkt doch ihr mal Kirche!" Noch wirkt das Konzept etwas diffus: Schließlich werden erst die nächsten Monate zeigen, was die Jugendlichen aus ihren neuen Möglichkeiten machen wollen.

Die jungen Christen selbst vermissen ihre alte "Heimat" in der "B19" noch sehr. Tamara, 16 Jahre, sehnt sich nach der vertrauten Atmosphäre in der Birkerstrasse. Suvi, 17, geht es ähnlich. Doch alle stimmen der 16-jährigen Somayea zu, wenn sie sagt, das das neue Gebäude "supercool" ist.

Im Video erzählen Felix, Suvi, Maria, Tamara und Somayea ausführlicher, was sie an der "B19" vermissen und was sie jetzt schon an der neuen Jugendkirche mögen:

Felix, Suvi, Maria, Tamara und Somayea erzählen, was sie jetzt schon an Münchens erster evangelischer Jugendkirche gut finden und dass sie ihre altes »Zuhause« trotzdem noch etwas vermissen.

Neue "Mitbewohner" sollen neue Impulse bringen

Auch für die Rogategemeinde mit ihren rund 1.200 Mitgliedern ist die Umstellung auf die Situation mit den neuen "Mitbewohnern" nicht ganz leicht. Doch mit irgendwem musste sich die die kleine Gemeinde in Ramersdorf zusammentun. Denn allein hätte sie die Sanierung der seit dem Jahr 2000 denkmalgeschützen Kirche nicht stemmen können.

"Wir erhoffen uns neue Impulse für die Gemeinde", sagt Pfarrerin Wiltrud Schulz. Rogate sei eine Gemeinde mit vielen Menschen um die 30 Jahre, deswegen könne sie sich vorstellen, dass die Jugendarbeit auch gut in die Gemeinde hinein wirke, erläutert die Pfarrerin. Verärgert ist sie aber darüber, dass die Gottesdienste für die afrikanischen Mitglieder der Oromogemeinde wegfielen. "Diese Arbeit wollte der Kirchenvorstand unbedingt erhalten."

Neben Oromo gab es auch Gottesdienste auf Lingala, das hauptsächlich im Kongo gesprochen wird. "Das Ostbahnhofviertel hat viele Afrikaner und die Vielsprachigkeit hat uns ausgezeichnet", erklärt Schulz. Die Oromo müssen nun in die Nachbargemeinde Offenbarung ausweichen, aber Quartiersarbeit lasse sich nicht so einfach verpflanzen, findet Schulz. Da auch die Pfarrerin selbst im August in den Ruhestand geht, steht der Gemeinde ein völliger Neuanfang bevor. Ihre Nachfolgerin wird Verena Übler, momentan noch Pfarrerin an der Lutherkirche in Giesing.

Vom Zweckverband in die Kirchen-WG

Auch wenn der Übergang vom Zweckverbund in eine Kirchen-WG für beide Seiten noch etwas holprig erscheint, sieht Ute Frohmader-Tekalgin vom Kirchenvorstand in der neuen "Wohngemeinschaft" viele Chancen. Natürlich bestehe im Kirchenvorstand bei einigen Mitgliedern auch die Befürchtung, dass die alte Gemeinde verdrängt werden könne, sagt sie.

Auch bei der Frage nach Nutzungsrechten und Kostenträgern gab es ein Tauziehen. Ein Beispiel ist der Brunnen im Innenhof der Kirche. Den hat die Gemeinde nun selbst bezahlt, weil er Teil des Rogatekonzeptes ist, aber in den Bauplänen nicht vorgesehen war.

Was man sich für die Zukunft in der Gemeinde wünscht, sei nicht nur ein friedvolles Nebeneinander, sondern ein aktives Miteinander, sagt Frohmader-Tekalgin. Erste Schritte werden dafür auch gemacht. Im Mai feiert die Gemeinde das Brunnenfest rund um den kleinen Brunnen im Kirchenhof. Natürlich gemeinsam mit der Jugend. "Wasser ist das Symbol für Leben" sagt Pfarrerin Schulz. Und das soll ja mit der Jugend kommen.

Hintergrund

Jugendkirchen in Bayern

In München wird Ende April eine neue Jugendkirche eingeweiht. Damit gibt es in Bayern insgesamt drei evangelische Jugendkirchen mit eigener Kirche. Daneben gibt es weitere Jugendkirchen ohne eigenes Gebäude - wie etwa die Nikolai Youth Church in Neuendettelsau.

Jugendkirchen als neue Profilkirchen

In Deutschland entstehen Jugendkirchen als eine Art neue Profilkirchen. Bundesweit gibt es um die 230 Jugendkirchen, von denen ein Drittel evangelisch ist, ein Drittel katholisch und ein Drittel freikirchlich. Sie sollen jungen Christen eine zu ihrer Lebenssituation passende Glaubensheimat bieten. Der Begriff "Jugendkirche" bezeichnet alle Projekte, die mit einem traditionellen Kirchenraum arbeiten. Alle Jugendkirchen verfügen über einen Sakralraum mit Kanzel, Altar, Taufbecken und Kreuz, der zu Gesprächen über den Glauben anregen soll.

LUX in Nürnberg

LUX in Nürnberg wurde 2009 als erste bayerische Jugendkirche eröffnet. Der dafür notwendige Umbau der St. Lukas Kirche kostete rund 2,2 Millionen Euro. Zu dem 400 Quadratmeter großen Kirchenraum gehört eine hochwertige Licht- und Tontechnik. Außerdem gibt es im Eingangsbereich einen Tresen mit Café-Lounge. Lux will Jugendliche und junge Erwachsenen von 15 bis 27 Jahre ansprechen. Zum Kern des Lux-Konzeptes gehören sogenannte Aktivteams, in denen die jungen Leute sich engagieren: Theater, Programm, Security, Multimedia etc. Die Teams organisieren Veranstaltungen, Konzerte und Gottesdienste.

Jugendkirche München

Auch in München wurde kräftig investiert: der Umbau von Rogate zur Jugendkirche kostete 4,9 Millionen. Trotz ebenfalls beeindruckender Licht- und Tonanlage will sie aber keine "Eventkirche" sein. Im Vordergrund stehen inhaltliche Ideen. Die Jugendlichen sollen sich mit der Frage auseinandersetzen, was sie unter Kirche verstehen, erklärt Judith Amend-Knaub, die Leiterin der Münchener Jugendkirche.

LUV – Junge Kirche Lindau

"LUV – Junge Kirche Lindau" ist die dritte evangelische Jugendkirche in Bayern und besteht seit 2013. Ihr Kirchengebäude soll 2019 fertig sein. Derzeit steht den Jugendlichen ein Tipi-Zelt zur Verfügung. Die Aktiven von LUV kommen aus einem Umkreis von 40 Kilometern, berichtet Jugendpfarrerin Johannetta Cornell. Vieles spiele sich draußen ab, durch das Tipi sei man momentan eher eine Outdoor-Kirche. LUV sehe sich als ein Hotspot für Jugendliche mit überkonfessioneller Ausrichtung. Da keine Universität in der Nähe ist und viele Jugendliche nach dem Abitur wegziehen, hat die Jugendkirche eine hohe Fluktuation.

Jugend baut Kirche

Auch ohne das offizielle Label Jugendkirche schafft sich die christliche Jugendarbeit immer mehr eigene Räume. Zum Beispiel in Sulzbach-Rosenberg: Dort baut sich die Dekanatsjugend eine eigene Kapelle neben ihr Jugendhaus. Im April ist die Grundsteinlegung, von Mai bis August 2017 soll die Holzkapelle in mehreren Workshops entstehen. Die Einweihung ist für 26. November 2017 geplant. Die Baukosten von 139.000 Euro sollen durch Förderung, Zuschüsse, Eigenleistung und Spenden aufgebracht werden.

Bayerns Jugendkirchen

Von Pia Jaeger