Wenn eine Band auf drei Jahrzehnte zurückblickt, liegt die Versuchung nahe, sie in Nostalgie zu ertränken. Doch wer mit Chris und Andi von den Broilers spricht, merkt schnell: Diese Band hat ihre Geschichte nicht hinter sich – sie trägt sie auf der Brust wie ein Ehrenabzeichen. Mit Stolz, mit Schrammen, mit Haltung. Und immer mit einem verschmitzten Lächeln.

Gegründet wurde die Band von Sänger Sammy und Schlagzeuger Andi, als beide gerade einmal zwölf Jahre alt waren. "Das war eine ganz klassische Schülerbandgeschichte", erinnert sich Andi. "Wir haben eine andere Schülerband gesehen und fanden das so cool, dass wir gesagt haben: Das wollen wir auch." Die Eltern zogen mit, es gab Instrumente zu Weihnachten – und dann ging’s los: erste Akkorde, erste Songs, erste Bandproben im Keller.

"Wir haben Songs von The Exploited oder den Ramones nachgespielt", sagt er. "The Clash war zu schwierig – da scheitern wir heute noch dran." Aus der Schülerband wurde eine eingeschworene Truppe. Chris kam später dazu – "ich bin der Neue, seit 20 Jahren" –, und spätestens ab da begann der Aufstieg, langsam, organisch, Schritt für Schritt.

Von kleinen Bühnen zu großen Momenten

"Wir sind nie von heute auf morgen explodiert", erzählt Chris. "Es ging immer in Etappen. Erst die kleinen Clubs, dann 500 Leute, dann 1.000. Und jedes Mal dachten wir: Jetzt ist es das Größte." Der erste Auftritt in der Westfalenhalle, der erste Gig in der Waldbühne, ein volles Stadion in Essen – alles Meilensteine. Und doch nie Endstation."

"Klar, wenn du in einer Halle spielst, in der du früher selbst auf Konzerten warst, ist das ein Flash", sagt Andi. Besonders in Erinnerung geblieben ist ihm der Auftritt in der Düsseldorfer Mitsubishi Electric Halle (ehemals Philippshalle), wo er als Kind oft vorbeifuhr. "Ich hab immer gesagt: Da spielen wir irgendwann mal. Und dann haben wir sie zweimal hintereinander ausverkauft. Das war schon Gänsehaut."

Oder auch ihre Open-Air-Shows 2024, mit Zehntausenden Fans, reihten sich nahtlos in diese Kette ein. "Das ist so ein Gefühl, das kannst du nicht simulieren", sagt Chris. "Du stehst auf der Bühne, schaust in dieses riesige Meer aus Menschen – und weißt: Das hier ist echt."

Kein Sound von der Stange

Dass die Broilers heute zu den großen Namen im deutschsprachigen Rock zählen, liegt nicht an Formeln, sondern an Haltung. An Authentizität. "Wir machen keine Musik nach Schablone", betont Andi. "Es wäre doch lächerlich, wenn wir heute noch versuchen würden, wie 17-jährige Punks zu klingen."

Dabei sind die Wurzeln unverkennbar. Punk, Ska, Streetrock – alles da. Aber eben nicht stehen geblieben. "Wir haben uns da freigeschwommen", sagt Chris. "Heute ist es einfach Rockmusik. Mit Punk-Attitüde."

Die Entwicklung lässt sich auch an den Alben ablesen. Santa Muerte etwa: "Als das rauskam, gab’s viel Gegenwind", erinnert sich Andi. "Zu poppig, zu weich – hieß es. Aber jetzt sagen viele: Das ist euer bestes Album." Ein Langzeit-Statement – damals wie heute.

Texte mit Tiefgang

Thematisch hat sich vieles verschoben. "Früher ging’s um Saufen, Party, Wochenende", sagt Chris. "Heute schreibst du Songs über Verlust, Verantwortung, Lebenswege." Kein Wunder – die Jungs sind inzwischen Väter, Familienmenschen, mitten im echten Leben. "Morgens um sieben aufstehen und der Tochter ein Schulbrot schmieren – das ist genauso Teil unseres Alltags wie das Tourleben", sagt Andi.

Die Songtexte schreibt in erster Linie Sänger Sammy – aber die Themen entstehen gemeinsam. Und wenn dabei mal religiöse Bilder auftauchen, dann nicht aus Glaubensgründen. "Das sind starke Metaphern", erklärt Andi.

"Aber Religion ist für mich was Privates. Ich will da niemandem auf den Sack gehen."

Haltung zeigen – nicht predigen

Aber wenn es um gesellschaftliche Entwicklungen geht, kennt die Band klare Linien. Die Broilers beziehen Stellung gegen Rechts, gegen Hass, für eine offene Gesellschaft. "Gerade in den letzten Jahren sind so viele schräge Ideen und Ansichten wieder salonfähig geworden", sagt Chris. "Da musst du als Band mit Öffentlichkeit einfach den Mund aufmachen."

Andi ergänzt: "Wir haben eine Bühne. Also nutzen wir sie. Wenn wir nur ein paar Leute zum Nachdenken bringen, hat sich’s schon gelohnt."

Kritik bleibt da nicht aus – aber die beiden nehmen’s gelassen. "Klar, es gibt Mecker. Aber das meiste ist halt Meckern ohne Substanz", sagt Andi. "Wenn jemand sachlich diskutieren will – gerne. Aber auf dummes Rumgebrülle haben wir keine Lust mehr."

Eine Band wie eine Familie

Wie schafft man es, über 30 Jahre beieinander zu bleiben, ohne sich zu zerfleischen? Chris hat eine einfache Antwort:  "Wir sind nicht nur Kollegen, wir sind Freunde, von Anfang an. Und das ist schon ein Unterschied."

" Man kenne sich in- und auswendig, wisse, wann jemand Ruhe braucht – oder einen Arschtritt. "Wir reden über alles. Und wenn’s mal kracht, dann klären wir’s."

Die Broilers sind mehr als eine Band – sie sind ein soziales Gefüge. "Es gibt Differenzen, klar. Aber es gibt auch dieses tiefe Verständnis füreinander", sagt Andi. "Wir wissen, dass das hier nicht selbstverständlich ist."

Ausblick: Noch lange kein Schlussakkord

Die Broilers sind eine Live Band seit Jahren rocken sie die Bühnen, da wird geschwitzt und alles gegeben. Und danach? Durchatmen. Urlaub mit der Familie, ein paar Wochen ohne Tourbus, ohne Lautstärke. Aber ganz ohne Musik? Kaum vorstellbar. "Wir gucken einfach, was passiert", sagt Chris. "Wenn es wieder juckt dann geht’s weiter."

Und genau das tut es. Für 2026 steht das bislang größte Konzert der Bandgeschichte auf dem Plan: ein eigenes Open-Air in Düsseldorf, der Broilers Ultrabowl in der Arena. Für Andi ein Kreis, der sich schließt: "Unsere Stadt. Unser Publikum. Unsere Songs. Größer wird’s nicht."

Ein Abend, der nicht nur laut, sondern auch leuchtend werden soll. Und wieder einer dieser Momente, die sich tief ins Gedächtnis brennen – für die Band. Und für alle, die dabei sind.

Hier beginnt etwas Neues

Die Geschichte der Broilers ist eines dieser seltenen Musikmärchen, die man als Journalist über Jahre hinweg begleiten darf – in meinem Fall seit über zwei Jahrzehnten. Vom ersten Interview im verrauchten Keller eines Studios in Bamberg bis heute ist viel passiert. Die Hallen wurden größer, die Bühnen breiter, die Setlists länger. Und doch hat sich etwas Entscheidendes nie verändert: Die Haltung dieser Band.

Sie sind gewachsen – ohne sich zu verbiegen. Sie haben sich entwickelt – ohne sich selbst zu verlieren. Was geblieben ist, sind Freundschaft, Klarheit, Haltung. Und dieses eine Gefühl, das sich schwer in Worte fassen lässt: Wenn man da oben steht, vor Tausenden, und einfach nur weiß – die ganzen Menschenmassen sind unseretwegen da. 

Und wer dabei ist, wenn beim Ultrabowl 2026 die ersten Akkorde durch die Düsseldorfer Arena peitschen, spürt vielleicht: Hier endet nichts. Hier beginnt etwas Neues.

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