Eine stade Zeit?  

In Bayern gibt es den Ausdruck "staden Zeit", der die Adventszeit beschreibt. Stad heißt so viel wie still. Und das ist ja auch ein schöner Gedanke.  

Am Adventskranz sitzen und Lebkuchen essen, Weihnachtskarten schreiben, im Schnee spazieren gehen und auf dem Christkindlmarkt heiße Maroni aus der Papiertüte schälen. Die Adventszeit als Zeit der Ruhe und Besinnung, der Einstimmung auf Weihnachten, mit Lichterketten und Tannennadeln – wer möchte das nicht?  

Die Realität ist gar nicht stad 

Doch die Realität sieht meist ganz anders aus. In 24 Tagen Geschenke für die ganze Familie besorgen, nach langen Arbeitstagen wenigstens noch Vanillekipferl backen und sich auf dem Weihnachtsmarkt durch Menschenmassen drängen, um eine Tasse Glühwein für 9 Euro zu ergattern. Da ist der Ausdruck "stade Zeit" im Sinne Karl Valentins plötzlich nur noch ironisch zu verstehen: ""Wenn die stade Zeit vorüber ist, wird's auch wieder ruhiger."

Denn das Leben geht weiter. All die schönen Erlebnisse, das Backen und Spazierengehen und Kartenschreiben, das muss ja noch passieren, während die meisten von uns arbeiten, Kinder betreuen, den Haushalt schmeißen. Da ist Stress vorprogrammiert.  

Macht hoch die Erwartungen  

Eine Schwierigkeit in der Vorweihnachtszeit sind wohl auch die hohen Erwartungen.  Das fängt bei der Suche nach dem perfekten Geschenk an und hört beim Schmücken des Weihnachtsbaums auf. Ganz zu schweigen von der Hoffnung auf Schnee, die das deutsche Wetter höchstens mit grauem Matsch am Straßenrand erfüllt.

Irgendwie muss in der Vorweihnachtszeit alles besonders stimmungsvoll, besinnlich, gemütlich oder entspannend sein.Da hilft es auch nicht, dass Weihnachten oft als "die schönste Zeit des Jahres" bezeichnet wird. Wer mit solch hohen Erwartungen in die stade Zeit startet, kann nur enttäuscht werden. Denn Weihnachtsmärkte sind oft überfüllt und teuer, Geschenkekaufen war noch nie stressfrei und Plätzchen nach Omas Rezept waren schon immer sehr mürbe.    

Stade Momente 

Nicht zu viel erwarten - das ist natürlich leichter gesagt als getan.  Und die Vorweihnachtszeit soll ja auch etwas Besonderes sein, Kitsch hat seine Daseinsberechtigung und natürlich tut es uns allen auch gut, wenn wir uns am Ende des Jahres entspannt und besinnlich fühlen. Die Idee der besinnlichen Zeit abzuschaffen, wäre also auch schade.

Aber vielleicht hilft es ja, sich weniger vorzunehmen, statt einer staden Zeit lieber ein paar stade Momente? Momente, in denen wir uns nicht zu viel Weihnachtliches vornehmen, sondern vielleicht einfach nur eine Kerze anzünden, etwas lesen, einen Moment zum Durchatmen und Innehalten finden. Ich persönlich habe im letzten Jahr für mich entdeckt, die Adventgottesdienste in meiner Gemeinde zu besuchen und kann das nur empfehlen. Denn in der Kirche, da ist es wirklich stad.

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