Vorsichtig hebt der Künstler Andreas Horlitz das Glas auf Augenhöhe: "Ein Spiegelglas, so dick wie die Scheibe eines Schaufensters, aber mit einem besonderen Verfahren beschichtet", sagt er und streicht über glitzernde Erhöhungen, die rasterartig das Glas überziehen. Mit solchem Glas will Horlitz die Eingangstür des Landeskirchenamts in München bestücken. Die Herstellungstechnik? "Bleibt mein Geheimnis", sagt Horlitz und lächelt. Die Glasinstallation soll aus Anlass des Evangelischen Kirchbautags, der von 9. bis 12. Oktober in München ausgerichtet wird, eingeweiht werden. Dann will der Künstler auch das Geheimnis lüften und verraten, wie das Glas hergestellt wird.

Resonanz und Reflektion, Ausdehnung und Begrenzung

Die Eingangstür bildet den Mittelpunkt für die Installation, die im Rahmen eines Wettbewerbs von der Landeskirche ausgewählt wurde. Ein knapp viereinhalb Meter hohes Glasportal wird die bisherige Türe ersetzen. Darauf sind Kreissegmente zu sehen, die sich wellenartig ausbreiten. Das Motiv erinnert ganz bewusst an eine Schall- oder Lichtwelle, denn Horlitz geht es in seinem Glaskunstwerk um die Erfahrung von Resonanz und Reflektion, Ausdehnung und Begrenzung.

"Gott schmeckt sich selbst in allen Dingen"

Inspiration für sein Kunstwerk fand Horlitz bei Meister Eckart: "Got smacket ime selber in allen dingen", heißt es bei dem Mystiker in einem Text - "Gott schmeckt sich selbst in allen Dingen". Dieser Gedanke und die vielen Anspielungen des Mystikers auf Licht, Spiegelungen und Sonnenschein gefallen Horlitz: "Licht symbolisiert Offenheit, Einladung, Kommunikation", erläutert er. Es stehe aber auch für das göttliche Licht oder das Sonnenlicht, das Leben spende. Diesen Gedanken wolle er auch fortführen, indem er die Glasfläche der Eingangstür nachts von innen mit LED-Lampen beleuchte. Wer dann an der Katharina-von-Bora-Straße entlangkomme, werde ein schwaches Glimmen aus dem Inneren des Gebäudes erkennen - ein Abglanz des Sonnenlichts, das tagsüber auf die Fassade leuchtet.

Die Kraft des Sonnenlichts

Die Kraft des Sonnenlichts nutzt Horlitz gerne für seine Kunstwerke. In der katholischen Kapelle des Dominikuszentrums in München hat er die imposante Glasfassade mit einer hellgrauen, teilweise durchscheinenden und spiegelnden Fläche versehen, die das Licht moduliert. Auf der Außenseite des knapp fünf Meter großen Fensters leuchten die ersten Worte des Glaubensbekenntnisses: "Credo in unum Deum" (Ich glaube an den einen Gott), nachts werden die kleineren Textelemente, die auf der Innenseite angebracht wurden, beleuchtet. Horlitzs Kunstwerke sind vielschichtig - so wie das Glas, das er verwendet. Licht und Schatten, Text und Farbe wechseln ihre Bedeutung nach Tageszeit. Die Glasflächen, die als Tore den Altbau mit dem Neubau verbinden, spiegeln ihre Umgebung wieder.

Insgesamt fünf Glaselemente verbinden die verschiedenen Gebäude des Landeskirchenamts miteinander. Auf den schimmernden Oberflächen spiegelt sich die Umgebung wieder - das Haus der Kulturinstitute, das während des Nationalsozialismus' als Reichsarchiv der NSDAP diente, oder die Musikhochschule, der ehemalige sogenannte Führerbau. Diese Verbindung von Vergangenheit und Gegenwart, alten und neuen Bauwerken ist beabsichtigt, als "lebendig wirkende Reflektionsfläche der Umgebung und des Betrachters".

Lebenswege

Andreas Horlitz ist kein Künstler, der ausschließlich für die Kirche arbeitet. Allerdings interessiert ihn die Auseinandersetzung mit Religion und Glaube. "Ich bin evangelisch, mein Vater war Kunsttischler, meine Mutter führte ein Buchwarengeschäft, unsere Familie floh während des Zweiten Weltkriegs aus Schlesien nach Bad Pyrmont", erzählt er über seine Wurzeln. Zur Kunst kam er über seinen Kunstlehrer: "Der brachte mir Joseph Beuys nahe und nahm uns mit zur Documenta nach Kassel", erinnert sich Horlitz.

Nach dem Abitur studierte er vier Jahre Fotografie an der Gesamthochschule Essen. Bei Otto Steinert und Erich vom Endt lernte er sein Handwerk. Die Konzeptkunst faszinierte ihn, und obwohl um ihn herum alle von Dada und Popart schwärmten, blieb Horlitz bei der Fotografie. Mit seinen Arbeiten hatte er bald Erfolg, kam über Stipendien nach Paris, Rotterdam und Maastricht. Er interessierte sich für Collage- und Montagetechniken. Von dort war es ein kurzer Weg zu den Glaskästen mit transluziden Fotos, mit denen er große Erfolge in Galerien und auf Kunstmärkten erzielte.

Inzwischen gehört Horlitz zu den gefragten Künstlern, wenn es um historisch-tiefgründige Inhalte geht. Für die Gedenkstätte zum Ersten Weltkrieg auf dem 956 hohen Hartmannswillerkopf im Elsaß schuf der Künstler eine Installation, die an die gefallenen Soldaten erinnert und den Blick öffnet für die Zukunft. Mal präsentiert er seine eigenwilligen Glaswerke in Galerien, dann arbeitet er wieder im öffentlichen Raum. Mal gestaltet er den Eingang einer Parkgarage, dann versieht er die Räume einer Luxus-Privatwohnung mit seinen Glaskunstwerken.

ÜBER ANDREAS HORLITZ

Geboren 1955 in Bad Pyrmont, gestorben am 9. August 2016 in München

Ausbildung/Stipendien:

1975-1976: Studium Grafik Design/ Fotografie an der Fachhochschule für Gestaltung, Hannover (bei Heinrich Riebesehl)

1976-1980: Studium Visuelle Kommunikation/ Fotografie an der Gesamthochschule Essen (bei Otto Steinert und Erich vom Endt)

1996: Stipendium der Gisela und Erwin von Steiner – Stiftung, München

1997: Projektstipendium, Goethe-Institut, Kuala Lumpur

Aktuelle Werke und Ausstellungen:

CATHARSIS, 2015: Digitaldruck auf Glas und Spiegel 2015

TRANSPOSITION, 2015: Kunstareal, Katharina-von-Bora-Straße, München Installation für das Evangelische Landeskirchenamt Bayern in München: vier Tore und eine Tür, teilverspiegelte und gravierte Gläser

MEMORIAL ST. BENNO, 2015: Installation zum Totengedenken in der Stadtpatronatskirche St. Benno, Ferdinand von Miller Platz, München mit Platin teilverspiegelte und schwarz bedruckte Gläser, 5,80 x 2,50 m

www.andreas-horlitz.de