"Mein Land ist in die Hände von Kriminellen und Banditen gefallen. Es gibt keine Ordnung mehr, keine Regeln, kein Gesetz", berichtet im Film "Deportation Class" der Albaner und dreifache Familienvater Gezim, der es nach Deutschland geschafft hat. Für seine Familie hat er in seiner Heimat keine Perspektive gesehen. Nach Deutschland ist er mit dem Wunsch gekommen, hier ein normales Leben und eine sichere Zukunft für seine Familie zu finden: "Hier läuft alles nach Regeln und Disziplin ab. Das hat mich ja gerade angezogen", sagt er.

Zur Ironie seiner Geschichte gehört, dass er und seine beiden Söhne jetzt Opfer dieser von ihm bewunderten Rechtsstaatlichkeit geworden sind. Bei der Umsetzung von geltendem Recht werden sie jetzt unter Zwang abgeschoben. Eindrücklich schildern die Filmemacher Carsten Rau und Hauke Wendler am Beispiel der als Pilotprojekt angelegten größten Sammelabschiebung in Mecklenburg-Vorpommern das Gesamtprozedere dieser aufenthaltsbeendenden Maßnahme. Allein 2016 wurden rund 25 000 Asylbewerber aus Deutschland auf diese Weise abgeschoben.

Flüchtlingen Schutz gewähren oder nicht? Das ist auch die zentrale Frage des Beitrags "Auf dünnem Eis – Die Asylentscheider", der hinter die Kulissen des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge (BAMF) blickt. Die Regisseurinnen Sandra Budesheim und Sabine Zimmer richten ihr Augenmerk auf den vorläufigen Höhepunkt jeder Fluchtgeschichte: die Anhörung durch den Entscheider oder die Entscheiderin. Es kommt nur zu einer einzigen Begegnung mit dem Antragsteller. Anhand von vier Anhörungsverfahren skizziert der Film nicht nur die Lebensgeschichte der Antragsteller, sondern wirft auch einen prüfenden Blick auf drei Asylentscheider und zeigt, was diese nach fünf Wochen ihrer Ausbildung im Arbeitsalltag antreibt.

Glaube, Liebe, Hoffnung

Unter den Premieren auf dem Münchner Festival war "Fahr ma obi am Wasser" von Walter Steffen, eine filmische Liebeserklärung an die echte bayerische Volksmusik, das Flößerhandwerk und die reißende Isar.

"Ganz große Oper" von Toni Schmid entführte seine Zuschauer in die Münchner Staatsoper, die er als gigantische Kulturmaschinerie und Wirtschaftsbetrieb mit mehr als 500 Mitarbeitern zeigt. Dabei lässt er Weltstars wie Jonas Kaufmann und Anja Harteros aber nicht außen vor.

Georg Stefan Troller (rechts) in seinem autobiografischen Film »Selbstbeschreibung« (2001), links der Schauspieler Alexander Pschill.
Georg Stefan Troller (rechts) in seinem autobiografischen Film »Selbstbeschreibung« (2001). Als Alter Ego ist in den Spielszenen darin der Wiener Schauspieler Alexander Pschill (links) zu sehen. Einfühlsam schlüpft dieser mal mit und mal ohne Bart in Jugend- und Altersrollen des nach Amerika geflüchteten und heute in Paris lebenden Filmzauberers, Flaneurs und Holocaust-Überlebenden Troller.

Einem "Menschenfresser" galt die diesjährige Retrospektive: Das Filmfest verneigte sich vor dem großen Altmeister des Dokumentarfilms, dem 95-jährigen Georg Stefan Troller.

Nicht ohne Ironie urteilt der Filmautor und Radiojournalist über seine Zunft: "Wir sind alle Menschenfresser, die sich Leben einverleiben." Sein Gesamtwerk – weit über 1000 Film- und Fernsehporträts von Berühmtheiten wie Muhammad Ali oder Alan Delon und vielen anderen – ist dennoch geprägt von den Kardinaltugenden Glaube (an den Dokumentarfilm als Spielfilm mit anderen Mitteln), Liebe (zu seinen Protagonisten, die er interviewt, um sich so selbst auf die Spur zu kommen) und Hoffnung (dass Filmemachen fast so schön ist, wie das Leben).

Sein jüngster Film "Selbstbeschreibung" (2001) ist schon über 15 Jahre alt. Darin ruft Troller die eigenen Erinnerungen wach. In einem fantastischen, dokumentarisch-szenischen Vexierspiel, rollt der Sohn eines jüdischen Pelzhändlers aus Brünn, der im Wien der NS-Zeit groß geworden ist, sein bewegtes Leben ab. Vor der Kamera erscheint als sein Alter Ego der Wiener Schauspieler Alexander Pschill. Einfühlsam schlüpft dieser mal mit und mal ohne Bart in Jugend- und Altersrollen des nach Amerika geflüchteten und heute in Paris lebenden Filmzauberers, Flaneurs und Holocaust-Überlebenden.

 

Internet: www.dokfest-muenchen.de