Auf ihrer "Zeitreise 81/82"-Tour lässt die Band schon seit November 2023 die frühen Alben "Für Usszeschnigge!" und "Vun drinne noh drusse" in voller Länge aufleben – mit einem bewegenden neuen Akzent: Songs vom Album "Zwesche Salzjebäck un Bier" (1984), das inzwischen ebenfalls die magische 40-Jahre-Grenze überschritten hat.

Die rund 2.000 Fans freuten sich über zweieinhalb Stunden Musik – ohne Pause – bei der das einzig verbliebene Originalmitglied Wolfgang Niedecken auch mit 74 Jahren stimmlich wie emotional beeindruckte.

Bestens eingespielt auch die Band, bei der Ulrich Rode (Gitarre) mit durchdringenden Riffs, das seit 1996 mitspielende zweitälteste Mitglied Werner Kopal (Bass) als rhythmisches Rückgrat sowie Michael Nass (Keyboards), Sönke Reich (Schlagzeug) im Vordergrund standen. Besonders hervorzuheben: Anne De Wolff (Streich- und Saiteninstrumente, Percussions), die sogar eine Ocarina – eine italienische Gefäßflöte – für das Solo beim Troggs-Cover "Wahnsinn" (im Original "Wild Thing" spielte.

Warnung vor Wiederkehr des Faschismus

Kein Song an diesem Abend war jünger als 40 Jahre. Ergänzt wurde das Programm durch Raritäten und Perlen wie "Affjetaut"-Titel ("Ne schöne Jrooß", "Anna") und Stücke vom Live-Album "Bess demnähx" (1983) Als "Kristallnaach" erklang, wurde es still im Publikum – dann wütend laut. Der Song, 1982 geschrieben, warnt eindringlich vor der Wiederkehr des Faschismus, vor Gleichgültigkeit und moralischer Abstumpfung in der bürgerlichen Mitte.

Wenn Niedecken heute die Zeile "Keiner hätt' jlaubt, dat sujet jet widder passeet" singt, trifft sie ins Mark. Angesichts zunehmender rechtspopulistischer Strömungen, Angriffen auf demokratische Institutionen und enthemmtem Hass im Netz hat das Stück eine bedrückende Aktualität. Es ist keine Übertreibung: "Kristallnaach" ist aktueller denn je.

BAP am 3. Juli 2025 auf Gut Wöllried
BAP am 3. Juli 2025 auf Gut Wöllried.

Ähnlich aufrüttelnd: "Zehnter Juni". Der Song erinnert an die Massendemonstration vom 10. Juni 1982 gegen die Stationierung von US-Raketen in Westdeutschland. Doch seine Botschaft ist universell: Die Notwendigkeit, für Frieden, Demokratie und gegen politische Ohnmacht aufzustehen. In einer Zeit, in der wieder Hunderttausende gegen den Rechtsruck in Europa protestieren, gewinnt dieser Song eine zweite Jugend.

Diese beiden Stücke waren die Herzstücke des Abends – nicht nur musikalisch, sondern moralisch. Sie machten deutlich: BAPs Musik ist keine Retro-Show, sondern auch ein gesellschaftskritischer, kultureller Weckruf.

Während der Pandemie entstanden

Die Kulturtage auf Gut Wöllried haben sich seit ihrer Erstauflage 2020 zu einer festen Größe im Kulturkalender der Region Würzburg entwickelt. "Das war mitten in der Pandemie, ein ganz großes Wagnis", sagt Organisator Wolfgang Thiel. Die Veranstaltung findet auf dem Gelände des historischen Guts Wöllried bei Rottendorf statt. Ziel ist es, ein vielseitiges Kulturprogramm in einem außergewöhnlichen historischen Ambiente anzubieten. So setzen die Kulturtage auf einen Genre-Mix, der von Rock und Pop über Hip-Hop und elektronische Musik bis hin zu Kabarett reicht und in dem unter anderem Künstler wie Meute, Jethro Tull, Haindling oder Bosse auftreten können. Ergänzt wird das Musikprogramm durch punktuelle Comedy- und Literaturveranstaltungen.

1230 wurde Gut Wöllried errichtet

Hinter den historischen Mauern des heutigen Veranstaltungszentrums Gut Wöllried verbirgt sich eine fast 800-jährige Vergangenheit – und ein bedeutendes kirchliches Erbe. Bereits 1230 wurde Wöllried erstmals urkundlich erwähnt – als Siechenhaus, einem mittelalterlichen Leprosenheim. Errichtet abseits der Stadtmauern, diente es der Pflege und Unterbringung von Menschen, die an Lepra oder anderen als unheilbar geltenden Krankheiten litten. Betrieben wurde es vom Würzburger Bürgerspital zum Heiligen Geist, die seit dem Mittelalter Arme, Kranke und Alte versorgte. Geistliche Fürsorge gehörte zum Alltag – für viele war das Spital nicht nur letzte Hoffnung auf Pflege, sondern auch auf seelischen Beistand.

Das Bürgerspital war mehr als nur eine soziale Einrichtung – es war auch wirtschaftlich tätig und betrieb Landwirtschaft im großen Stil. Gut Wöllried wurde über Jahrhunderte hinweg zu einem kirchlichen Mustergut, das nicht nur Ernährungssicherheit für Bedürftige sicherstellte, sondern auch als Quelle für die Selbstversorgung der Stiftung diente.
Noch heute trägt das Gut Spuren seiner geistlichen Vergangenheit. Der "Ulrichsaal", einer der imposanten Veranstaltungsräume, verweist mit seinem Namen nicht nur auf einen früheren Gutsbesitzer, sondern erinnert auch an den heiligen Ulrich von Augsburg. Ein subtiler, aber symbolträchtiger Hinweis auf die spirituelle Herkunft des Ortes.
Heute ist das Gut Wöllried ein Ort für Hochzeiten, Konzerte und Tagungen – auch kirchliche Trauungen, Taufen und Gedenkfeiern finden hier ihren Rahmen.

Wöllrieder Hof als Veranstaltungslocation
Der Wöllrieder Hof ist eine historische Veranstaltungslocation.

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