Jericho haben Generationen von musikliebhabenden Christinnen und Christen begleitet. Vielleicht auch, weil die Band für Kontinuität steht. Da ist zum einen der Sound, der von meist zweistimmigen, weiblichen Gesang bestimmt ist, der sich über eingängige Songs legt, die von dezentem Schlagzeug, folkigen bis rockigen Gitarren, viel Tasteneinsatz und einer Querflöte bestimmt sind. Da sind zum anderen aber auch die Texte mit tiefgründigem Lobpreis, die nicht nur vom Glauben, sondern auch von konkreten Lebensphasen handeln. In den Liedern über Gott wird auch von Hoffnung und Zweifel erzählt, manche Songs bauen augenzwinkernd auf, andere sind meditativ.
"Wir sind schon mit einem Auftrag unterwegs", bekennt Frank Seifert. Der 67-Jährige ist Journalist, Theologe, Coach und seit 1977 Bassist und Flötist bei Jericho – und Texter. Die Band entstand zwei Jahre vorher im Umfeld der Dreieinigkeitskirche im Schweinfurter Musikerviertel – das so heißt, weil die Straßen nach bekannten Komponisten benannt wurden. Die Besetzung von Jericho wechselte zwar im Lauf der Jahre, blieb aber weitgehend konstant. Schlagzeuger Johannes Neugebauer ist das letzte verbliebene Gründungsmitglied. Seifert kam von der Band der benachbarten katholischen Pfarrkirche St. Michael dazu, wo der für seine Offenheit bekannte Pfarrer Roland Breitenbach auch ein offenes Ohr für junge Bands gefunden hatte.
Asyl für Jugendliche in Gemeinderäumen
"Überhaupt waren das ganz andere Zeiten – Kirchengemeinden boten uns Jugendlichen quasi Asyl. Hier traf man sich in den Gemeinderäumen wie in einem Jugendzentrum. Hier durften wir proben, laut sein, danach gings noch was trinken oder in die Pizzeria", erinnert sich Seifert an diese Jahre. "Und wir haben geprobt, dass die Schwarte kracht." Lieder für die Begleitung von Gottesdiensten, in denen im Gegenzug freilich auch gespielt wurde – vor allem die damals modernen.
Wenn man mit "Ins Wasser fällt ein Stein" oder "Danke für diesen guten Morgen" durch war, kamen aber die Rolling Stones oder Bob Marley an die Reihe. Und irgendwann auch eigene Stücke. "Ich weiß noch wie stolz ich war, als ich meinen ersten eigenen Text geschrieben habe", strahlt Seifert. "Gott ist Leben" heißt eines der ältesten Stücke, aus der Setliste der Band bis heute nicht wegzudenken. Die eigenen Stücke machen den Löwenanteil eines Konzerts aus. Dazu gesellen sich ausgewählte Coverversionen von Künstlern wie Leonard Cohen, Mercedes Sosa oder Inga Rumpf.

2000 Konzerte gespielt
1982 gab es dann die erste Langspielplatte mit eigenen Stücken. Bis heute haben Jericho 14 Tonträger mit eigenen Stücken veröffentlicht und rund 2000 Konzerte gespielt. Von der Gemeinde ging es bald hinaus ins Dekanat, von da aus in die unterfränkische Nachbarschaft, durch ganz Bayern von Hof bis an den Bodensee und irgendwann auf die Kirchentage. 1981 wurden Jericho in Nürnberg noch abgelehnt, 1983 in Hannover waren sie aber mit dabei. Und gehörten bald zum festen Inventar dieser "evangelischen Festspiele." "Vielleicht auch, weil wir uns immer kooperativ gezeigt haben, eigene Stücke für den Kirchentag schrieben oder die aus den Liederheften bei Gottesdiensten gerne begleiteten, kurz, nie den Künstler raushängen ließen", meint Seifert. Vielleicht aber auch, weil ein Jericho-Konzert keine Song-Revue war, sondern durch eine behutsame Moderation Nähe zum Publikum hergestellt wurde.
Zu den Konzerten ging es anfangs gemütlich im alten VW-Bus. Dann war die eigene Anlage mitsamt Technikern da. 1989 beim Kirchentag in Berlin wurde aber eine riesige PA gestellt: Zum Eröffnungsgottesdienst spielten Jericho vor rund zwei Millionen Menschen auf dem Breitscheidplatz – live übertragen vom ZDF. "Da fühlten wir uns riesig, und die Leute zuhause haben es kaum glauben können, dass wir im TV sind", blickt Seifert zurück. Ein anderer, denkwürdiger Auftritt war der vor wenigen Jahren im Kleinwalsertal, auf 2000 Metern Höhe in der Kanzelwand. "Die Anlage fuhr mit uns mit der Gondel hinauf."
Über ganz Bayern verstreut
1995 gründeten Mitglieder der Jericho-Band mit Freunden sogar einen Verein, der als Träger der Bandprojekte sowie als Kooperationspartner anderer Schaffender kirchlicher Kultur fungiert. Die habe sich im Lauf der Jahrzehnte doch stark gewandelt. "Früher galten wir als Rebellen innerhalb der kirchlichen Kulturszene. Heute scheint dagegen alles erlaubt zu sein. Da muss man andere Zwischentöne finden. Und natürlich werden auch wir älter und unsere Themen ändern sich", meint Seifert.
Heute leben die Jericho-Mitglieder teils weit verstreut in Bayern. Die Proben in Schonungen sowie die Konzerte sind schwierige Organisationssache. Für die 13 Stück im Jubiläumsjahr kommt die Band an Orte zurück, mit denen sie eine enge Verbindung über die Jahre gewonnen hat. Nach dem Auftakt am 11. Januar in Remlingen geht’s am 8. Februar nach St. Michael in Hammelburg, wo Seifert Pfarrer war. "Auch nach dem Jubiläumsjahr wird es wieder Konzerte geben", versichert der leidenschaftliche Musiker. Für Musiker gibt’s eben keine "Rente". Schon gar nicht, wenn man in einer waschechten Verkündigungsband spielt.
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