Ludwig II. hängt kopfüber auf der Bühne. Lichteffekte machen glauben, der König ertrinke im See: Das Theater Regensburg hat das Füssener Musical-Mammutwerk "Ludwig II. - Sehnsucht nach dem Paradies" in eine konzentrierte Theaterfassung gebracht. Sie feiert am 7. Dezember Premiere.

Im Zeitraffer erzählt die Ouvertüre die Vorgeschichte dieses tragischen Herrschers, der sich eher als Kunst-Verwirklicher denn als Monarchen sah. Dann der plötzliche Tod seines Vaters, der Ludwig aus seinen Träumen reißt und auf den Boden der Realität befördert: Er besteigt mit nur 19 Jahren den Thron.

Kaum eine historische Figur hat so zu Spekulationen Anlass gegeben wie der bayerische Märchenkönig Ludwig II.

Bis heute ranken sich Legenden um sein Leben und Sterben. "Ludwig hat so viele Punkte in seiner Biografie, die untypisch für einen Monarchen sind, die zur Spekulation einladen und die lange verschwiegen wurden, wie zum Beispiel seine Homosexualität", sagt Dramaturgin Christina Schmidt. Kaum eine Figur der Geschichte starb so viele Tode: ertrunken, erschossen, Suizid, Herzinfarkt. Jede dieser Theorien mystifizierte ihn noch mehr. Das mache Ludwigs Faszination bis heute aus.

Ludwig beauftragt riesige Bauten, seine Traumschlösser verschlingen Unsummen. Aufgrund seiner Verschwendungssucht wird er für "geisteskrank" erklärt und entmachtet. Doch der Psychiater, der seinen "Wahnsinn" attestiert, tut dies in Abwesenheit des Patienten - noch ein weiteres Feld für Spekulationen.

Regisseur Sam Brown erzählt alles in gewaltigen Bildern.

In einer Szene, genannt "Die Luftmusik", schwebt ein Fesselballon über der Bühne, unter ihm die politischen Staaten, mit denen Ludwig diplomatisch in Beziehung steht. Ludwig schwebt über den Dingen, ein Fantast, dessen Interesse weniger dem politischen Geschäft als den schönen Künsten gilt. Er wird zum Förderer von Künstlern und Musikern, allen voran Richard Wagner. Nebenbei testet er Erfindungen, setzt eine Dampfmaschine ein für die Beleuchtung der Bayreuther Festspiele.

Die Opulenz von Ludwigs Bauten und Architektur erkennt man im Bühnenbild wieder: Der historische Saal wird perspektivisch auf die Bühne geholt, bleibt aber fragmentarisch. Das Bett, der Thron sind aus Plexiglas, mit Lichteffekten beleuchtet, und sollen die Prunksucht des egomanisch agierenden Potentaten widerspiegeln.

Intendant Jens Neundorff von Enzberg wollte das Musical auf die Theaterbühne stellen. Dafür musste es in eine Fassung gebracht werden, die für das Regensburger Theater spielbar sein würde. Das Personal wurde verknappt, Dialoge fokussiert. Es gebe keine echten Pferde mehr, die Ludwigs Schlitten ziehen, kein Wasserbecken, in das Ludwig am Ende steigt, um zu sterben. "Alles musste ein wenig auf die kleineren Dimensionen eingedampft werden", sagt Dramaturgin Christina Schmidt.

Drei Jahre wurde an dem Mammutprojekt gearbeitet.

Der auf deutschen Theaterbühnen gefeierte Komponist Franz Hummel, zu dessen 80. Geburtstag das Stück aufgeführt werden soll, hat sein Musical zusammen mit Susan Oswell überarbeitet und neu für das philharmonische Orchester unter Leitung von Generalmusikdirektor Chin-Chao Lin instrumentiert. In der Füssener Fassung war noch mit Toneinspielern gearbeitet worden - in Regensburg steht der komplette Opernchor auf der Bühne.

Hummels Musik zu diesem Werk ist so facettenreich wie Ludwigs Persönlichkeit. Zu Wagner'schen Klangwogen, bayerischer Blasmusik, zu Polkas, Walzer, Arien und großangelegten Chören spielt sich das schicksalsschwere Leben des Königs auf Neuschwanstein und sein geheimnisvolles Sterben im Starnberger See ab. Hummel gibt dem bayerischen Kini eine romantische Note. In einer Szene wird eine Wagneroper angespielt, aber von Hummel avantgardistisch verfremdet. "Damit man das Gefühl bekommt, wie sich Wagner in der romantischen Zeit angehört haben mag", sagt der Komponist.

"Sehnsucht nach dem Paradies" nannte Theaterautor Stephan Barbarino das Musical. Dieses Sehnen und Verlangen nach einer besseren Welt sei dem Stück immanent, sagt die Dramaturgin. In dem Moment, in dem die Minister erwarten, dass der König seine Regierungserklärung hält, zerreißt Ludwig die vorgefertigte Rede.

Ludwig führt keine Kriege, stattdessen singt er den Song "Du holde Kunst!".

Vor 20 Jahren in Füssen regten sich noch Besucher über den "Canabis-Song" auf, darunter auch der frühere Ministerpräsident Edmund Stoiber. "Das können Sie doch nicht machen", soll der Politiker zum Komponisten gesagt haben. Hummel hielt dagegen: "Kunst kann das machen." Heute würde sich niemand mehr darüber ereifern. Und Neuschwanstein ist kein Fantasia-Land mehr, sondern Pflichtprogramm einer jeden Europa-Tour.

Sam Brown stellt Ludwig, gespielt von Johannes Mooser, als einen kunstaffinen, träumerischen Visionär auf die Bühne, dem die Welt abhandengekommen ist. "Alles, was denkbar ist, kann man träumen und auch realisieren", lautete Ludwigs Devise. Darin sieht Dramaturgin Schmidt Parallelen zur heutigen Zeit: Parallele Realitäten zu erleben und zu kreieren, sich in andere, virtuelle Realitäten zu begeben - "Ludwig hat das ohne 3D-Brille gemacht, er hat die Visionen einfach gebaut."