Ein bisschen Wehmut schwang am Dienstag in seiner Stimme schon mit, als der zum 1. Juli in den Ruhestand gehende Generaldirektor des Germanischen Nationalmuseums (GNM) in Nürnberg, Ulrich Großmann, das Jahresprogramm vorstellte. Gerne wäre er sicher noch dabei gewesen, wenn 2021 das Tiefdepot fertiggestellt sein soll, in dem das größte kulturgeschichtliche Museum des deutschsprachigen Raums dann auf fünf Stockwerken sein Archiv beherbergen wird.
Und gerne hätte Großmann als Direktor auch die Reaktionen der Besucher auf sein "Vermächtnis" miterlebt, die große Sonderausstellung "Abenteuer Forschung", mit der das GMM ab dem 27. Juni tiefe Einblicke hinter die Kulissen der Forschungsarbeit im Museum geben will. Doch die kommenden sieben Sonderausstellungen für 2019 tragen zumindest noch die Handschrift Großmanns, und eine achte bereits die seines Nachfolgers Daniel Hess.
Mammutprojekt mit Hindernissen
21 Meter tief in die Erde reichen die Betonpfeiler für das dringend benötigte Tiefdepot unter dem Großen Klosterhof, in dem rund 1,3 Millionen Objekte von der Frühzeit bis zur Gegenwart sowie Technikzentralen untergebracht werden sollen. Bereits 2013 war Spatenstich. Zuerst wurden Skelette gefunden, dann machten die Bohrer nicht mehr mit, der Zeitplan der Fertigstellung ist bereits jetzt um anderthalb Jahre überschritten.
"Immerhin wurden keine Blindgänger ausgegraben. Stellen Sie sich vor, was dann bei uns im Haus los gewesen wäre", sagte Großmann. Einen "Tag der offenen Baustelle" hätte er längst gerne angeboten. Allerdings seien die baurechtlichen Auflagen so hoch, dass man wahrscheinlich erst im Spätsommer soweit sei, wenn die Arbeiten soweit abgeschlossen sind.
Alte Geschichten bieten Diskussionsstoff für heute
Dann doch lieber die vielseitigen Ausstellungen des Hauses besuchen. Wie die Sonderschau "Helden, Märtyrer, Heilige. Wege ins Paradies", die ab dem 11. April Helden- und Heiligenfiguren des 13. bis 15. Jahrhunderts im Kontext der interreligiösen, modernen Heiligenverehrung zeigen will. "Wir wollen erzählen, dass die Helden damals durchaus nicht nach den Regeln des Katechismus lebten, sondern in ihrem Handeln durchaus den vermeintlich Heiligen von heute gleichen. Übrigens gilt das nicht nur für das Christentum", erklärte Daniel Hess. Die alten Geschichten könnten viel Diskussionsstoff für die Gegenwart bieten. Nürnberg biete sich als neben Köln wichtigste deutsche Stadt mit spätmittelalterlichen Funden dafür geradezu an.
Neue Erkenntnisse über Franz Marc
Als weiteren Höhepunkt des Museumsjahres werde eine intensive Nabelschau in die Arbeit des expressionistischen Künstlers Franz Marc den 1916 im Alter von nur 36 Jahren in Verdun gefallenen Künstlers den Mitbegründer des "Blauen Reiters" in ein bisher nicht gekanntes Licht rücken. Kuratorin Yasmin Doosry erläuterte die Erkenntnisse nach der Restaurierung der 1984 vom GNM erworbenen 26 Skizzenbücher Marcs, aus denen dessen Witwe Maria immer wieder Seiten heraus gerissen hatte, um sie zu Geld zu machen. Neben Porträts und Tierstudien seien nun auch Aktzeichnungen aufgetaucht, die man Marc bisher nicht zugerechnet hatte. Zusammen mit originalen Briefen werde man viele bisher unbekannte Facetten Marcs und die Entwicklung der modernen Kunst in Deutschland zeigen.
Den Lehrer des Meisters im Blick
Ab 20. Dezember rückt Albrecht-Dürer-Experte Daniel Hess dann den Dürer-Lehrer Michael Wolgemut anlässlich dessen 500. Todestags in den Fokus. Tafelbilder werden im Kontext ihres zeitgenössischen Umfelds im GNM gezeigt, während im Albrecht-Dürer-Haus zeitgleich die Zeichnungen Wolgemuts und seiner Mitarbeiter aus dem Bestand der Universitätsbibliothek Erlangen-Nürnberg sowie sein druckgraphisches Werk ausgestellt werden.
Mit rund 320.000 Besuchern fanden im vergangenen Jahr rund 80.000 Menschen weniger als im Vorjahr ihren Weg ins GNM. Großmann machte dafür das Fehlen eines echten Magneten im Museumsprogramm sowie den heißen Sommer verantwortlich. Mit knapp 180.000 Besuchern sei das Kaiserburgmuseum unverändert gut besucht gewesen.