Es waren gerade unruhige, vorrevolutionäre Zeiten, als der aus dem Allgäu stammende Ornamentenbildhauer Joseph Gabriel Mayer (1808-1883) ein neues Unternehmen gründete. Heute würde man sagen: eine Einrichtung der Jugendhilfe. Der fromme Katholik und Akademie-Künstler war bereits Vorstand der staatlichen Erziehungsanstalt für körperbehinderte Kinder. Nun, 1847, gründete er gewissermaßen eine Behindertenwerkstatt der Künste: die "Mayer’sche Kunstanstalt für kirchliche Arbeiten".
Mit dem zeittypisch idealisierenden Blick auf das Mittelalter schwebte ihm eine Auferstehung der Bauhüttentradition vor. Alle bildenden Künste – Architektur, Bildhauerei und Malerei – sollten in dem Unternehmen vereinigt sein.
Der Sturz des kunstsinnigen bayerischen Königs in der März-Revolution 1848 bedeutete für Mayer nicht das Aus. Im Gegenteil. Als der Staat die verwaiste "Königliche Glasmalereianstalt" privatisierte, schlug Mayer zu: Seit 1860 gehört auch die Glasmalerei zum Firmenportefeuille.
Bald wuchs vor den Toren der damals noch sehr viel kleineren bayerischen Hauptstadt ein Imperium der Kunst und des Kunsthandwerks heran. 1865 gründete Mayer in London eine erste Auslandsfiliale. Der Beginn einer Blütezeit, vor allem unter dem Sohn des Firmengründers Franz Borgias Mayer (1848-1926): Bis zu 500 Mitarbeiter arbeiteten für die "Kgl. Bayer. Hofkunstanstalt". So durfte sich das Unternehmen nennen, weil man mit guter Arbeit in Neuschwanstein den "Kini" Ludwig II. glücklich gemacht hatte.
In der ganzen Welt bekannt, in München nicht
Heute sind es noch 30 Mitarbeiter, aber die internationalen Aufträge und Beziehungen sind geblieben. Die Büros in London und Paris gibt es schon lange nicht mehr, aber die USA bringen noch immer rund die Hälfte der Umsätze. Aufträge kommen dort auch von Kirchengemeinden – anders als in Deutschland, wo kirchliche Neubauten oder ambitionierte christliche Bauprojekte selten geworden sind.
Künstler aus der ganzen Welt gehen heute in dem Idyll der Kunst und des kunstvollen Handwerks ein und aus. Sie schätzen die familiäre Atmosphäre, sagt Michael C. Mayer, und die einzigartige, inspirierende Umgebung. Als Besucher ist man hingerissen von all der Schönheit, den vielen Farben, Gläsern, Materialien, der Geschichte und den Möglichkeiten, die sich Künstlern und Kunden hier bieten. "Wir sind schon auch Blumenkinder", sagt Petra Mayer, die Firmenchefin, und lacht.
Das alte Hauptgebäude ist selbst schon ein Schmuckstück. Mit einer an Bauhaus-Architektur erinnernden Glasfront entstand es 1923 nach Plänen des großen (evangelischen) Architekten Theodor Fischer. In Jugendstilnischen verbirgt sich ein historisches Archiv mit gewaltigen Vorlagenbänden. Ihr Inhalt vermittelt den Eindruck, dass der neogotische Buntglasstil ein großes Geschäft war. "Munich-style stained glass" ist ein fester Begriff im englischen Sprachraum. Er meint die Kirchenfenster aus der Mayer’schen Hofkunstanstalt.
In Spilimbergo Mosaizist gelernt
Werke aus der Hofkunstanstalt befinden sich auf der ganzen Welt. Von Anchorage in Alaska bis Zwickau in Sachsen. Die Mayer’sche hat die Mosaikböden im Pompejanum von Bayernkönig Ludwig I. in Aschaffenburg restauriert und den Palast des jordanischen Königs in Amman mit einem Mosaikbrunnen und prächtigen Bleiglasfenstern ausgestattet. Mosaikwerke von "Mayer of Munich" schmücken in U-Bahnstationen von Los Angeles und New York. Und am Münchner Odeonsplatz. Doch das Mosaik im Zwischengeschoß, eines der letzten Kunstwerke des Bildhauers Karl Knappe aus dem Jahr 1970, ist bedroht. Es soll demontiert werden, weil Platz für die Tür einer Behindertentoilette fehle, sagt Petra Mayer. Der achtlose Umgang der Stadt mit der Kunst empört sie.
Für die Künstler von heute halten die Mayers eigens drei kleine Wohnungen parat. In die kann sich kostenlos einquartieren, wer mit den Glas- und Mosaikkünstlern der Werkstatt an einem Projekt arbeitet. Viele von denen, die in der Werkstatt arbeiten, sind selbst Künstler. Die Atmosphäre ist familiär, aber konzentriert und kreativ. Für viele Projekte müssen dabei erst technisch-handwerkliche Lösungen gefunden werden. Die Hofkunstanstalt hat sich deshalb – bei allem historischen Charme – auch zu einem innovativen Hightech-Labor der Glaskunst entwickelt.
Firmenchef Michael Mayer ist die nun fünfte Mayer-Generation. Er hat das Handwerk des Mosaizisten gelernt – an der berühmten Schule für Mosaikbildner in Spilimbergo im Friaul. Er ist der einzige Meister des Handwerks in Deutschland. Nur an der Hofkunstanstalt kann man also das seltene Handwerk lernen. Dass die Lehrlinge dann mit den Fliesenlegern in die Berufsschule müssen, findet nicht nur Mayer absurd.
170 Jahre, 17 Künstler, 17 Editionen
"Kunst ist schön, macht aber auch viel Arbeit", hat das Münchner Original Karl Valentin gesagt. In der Hofkunstanstalt gilt der Satz in beide Richtungen: "Alle finden es so pittoresk hier", sagt Petra Mayer, "aber dann verlieren wir den Domrestaurierungsauftrag." Das tat dem Unternehmen weh, denn die Mayers der dritten Generation waren es, die die kostbaren Fenster des Münchner Doms auf eigene Kosten auslagerten und damit vor der Zerstörung im Zweiten Weltkrieg retteten. Kurz: Auch die Hofkunstanstalt muss sich als Wirtschaftsunternehmen rechnen. Und weil das, was hier gemacht wird, so viel Arbeit ist, ist das, was man hier bekommt, auch nicht ganz billig.
Ihren 170. Geburtstag im Jahr 2017 feiert die Mayer’sche Hofkunstanstalt nun mit Kunst und Künstlern und – wie es dem schrägen Jubiläum angemessen ist – mit einer Vernissage am 17. Oktober 17.
Die sich anschließende Ausstellung ist für das Publikum eine gute Gelegenheit, einmal hineinzuschnuppern in diesen schönen Ort, der sonst Besuchern verschlossen ist. Aber künftig soll es, verspricht Michael Mayer, auch wieder öffentliche Führungen durch das bunte Reich der Glaskunst und der Mosaike geben.
MAYER'SCHE HOFKUNSTANSTALT
17. Oktober 17 – 17 Künstler
2017 feiert die Mayer’sche Hofkunstanstalt in München ihr 170-jähriges Bestehen – mit kleinen Kunstauflagen von 17 ihrer Lieblingskünstler. Die kleine Ausstellung bietet die Gelegenheit, einen Blick in die Mayer’sche Hofkunstanstalt zu werfen, die Besuchern sonst verschlossen ist.
Besuchstermine
18.-21. Oktober, jeweils 10-16 Uhr
Danach vom 26. Oktober bis 21. Dezember jeden Donnerstag, jeweils 10-16 Uhr.
Mayer’sche Hofkunstanstalt, Seidlstraße 25, 80335 München
Anmeldung erbeten unter: (089) 54 59 62-0
Internet: www.mayersche-hofkunst.de