Sie sind immer wieder ein Anlass zur Belustigung: Männer, die sich beim kleinsten Schnupfen ins Bett legen und jammern. Wie es aussieht, werden sie aber zu Unrecht verspottet. "Das vermeintlich starke Geschlecht leidet tatsächlich mehr unter Infekten als Frauen", schreiben Michael und Regine Hauch in ihrem gerade erschienenen Buch "Ihr unbekanntes Superorgan – Alles über das Immunsystem".

Die mögliche Ursache: Die Evolution hat das Hormonsystem von Männern nach dem Motto "Live hard, die young" ausgestattet. So produzieren Männer jede Menge Testosteron, was ihnen Muskeln, Barthaare und Lust auf Sex beschere. Gleichzeitig unterdrücke Testosteron aber die Entwicklung zahlreicher Abwehrkräfte, sodass Männer ein schwächeres Immunsystem haben.

Dreck macht Speck?

"Evolutionär gesehen sind Männer, was die Arterhaltung betrifft, nach der Fortpflanzung ziemlich nutzlos, daher hat die Natur nicht übermäßig viel in ihr Immunsystem investiert", schreiben die Autoren. Den Kopf hängenlassen müssen Männer deswegen aber nicht.

Denn wie der Krebsarzt und die Wissenschaftsjournalistin aus Düsseldorf erklären, ist das Immunsystem kein fertiger Baukasten. Stattdessen kann es sich durch "training on the job" zu einem "maßgeschneiderten Anzug" entwickeln, der genau weiß, was sein Mensch braucht. Ein bisschen Pflege tut ihr Übriges.

Auf 320 Seiten gehen sie auf alte Mythen und neue Forschungsergebnisse ein: Welche Rolle spielen zum Beispiel Muttermilch und Impfungen in der Kindheit? Wie viel Dreck im Alltag muss sein? Und warum haben Menschen so oft das Gefühl, dass ihr Immunsystem nicht funktioniere?

Denn dieses Gefühl halten die beiden Autoren in den meisten Fällen für einen Trugschluss. Auch wenn man mehrere Erkältungen im Winter habe, bedeutete das nicht, dass das "Immunsystem kaputt" ist, schreiben sie. Täglich, rund um die Uhr, sorgt die Abwehr bei zahlreichen Menschen dafür, dass der Körper funktioniert: Wunden werden sofort geschlossen, körpereigene entartete Zellen, die sich zu Tumoren entwickeln könnten, aussortiert und angreifende Bakterien gekillt.

300 Arten Bakterien in der U-Bahn

Von den Bakterien gibt es laut einer im Buch zitierten Studie allein in einer New Yorker U-Bahn mehr als 300 verschiedene Arten auf Sitzen und an Haltestangen. Was hustende Passagiere von sich geben, noch nicht eingerechnet. Ab und an treffe der Körper da auf einen bislang unbekannten Erreger. Dann brauche er ein paar Tage, um ihn abzuwehren. Deswegen sei aber das System noch lange nicht kaputt.

Neben den vielen positiven Facetten des Immunsystems, die mit witzigen und liebevollen Bildern erklärt werden, gehen die Autoren aber auch auf die ernsten Seiten des Themas ein. Denn wenn dieses unsichtbare Organ aus der Spur kommt, ist das für die Betroffenen meist furchtbar. Die Folgen können Allergien, Autoimmunerkrankungen und Krebs sein. Alle diese Krankheiten werden in eigenen Kapiteln ausführlich diskutiert.

BUCHTIPP

Michael und Regine Hauch: "Ihr unbekanntes Superorgan – Alles über das Immunsystem", Beltz Verlag Weinheim 2018, 320 Seiten, ISBN 978-3-407-86448-2, 17,95 Euro.