Mit seinem typisch steifen Gang, den Hals wie immer von einem bunten Tuch gehüllt und verkniffen hinter der dicken Brille drein schauend schlurft er auf die Bühne: Heinz Rudolf Kunze, wie ihn seine Fans seit Jahren kennen. Setzt sich an den Synthesizer, dem er scharfe Mixtur-Orgelklänge entlockt. Ein Kirchenchoral, der in eine Deep-Purple-mäßige Improvisation mündet. Die Band kommt auf die Bühne, stimmt die ersten rockigen Takte der Eröffnungsnummer an. "Der Prediger" heißt das Stück. Passend dazu schreitet Kunze von Musiker zu Musiker und markiert mit der Hand seinen Segen, wie es ein Priester tun würde. Und dann singt er von seinem Prediger, der überall in Deutschland anzutreffen sein könnte. Auf dem Ku´Damm, dem Stachus oder sogar auf dem Nürnberger Reichsparteitagsgelände – das zufällig an diesem Abend in Sichtweite ist.

Doch der Song ist keine Kirchenkritik. Kunze besingt alle Arten von Menschen, die uns vom richtigen Weg, von falschen Entscheidungen und von allem von der Selbstverständlichkeit, mit dem der Prediger seine Botschaft an die Hörerschaft bringt. Eigentlich fast ein selbstparodierendes Lied. Kunze plädierte für eine Quote deutschsprachiger Musik im Radio, spricht sich vehement gegen Gender-Sprache ebenso wie gegen Rechts aus und war lange Jahre Mitglied der SPD. Wiederholte Äußerungen zu gesellschaftlichen Strömungen, sein Engagement für den Erhalt der deutschen Kultur sowie Bemerkungen zur Tagespolitik machten ihn wiederholt angreifbar. Er setzt dagegen zumeist eine künstlerische Auseinandersetzung in Wort und Musik.

Kunze: Zynischer Beobachter des gesellschaftlichen Geschehens

So hat man den Songwriter über Jahrzehnte hinweg als scharf zynischen Beobachter des gesellschaftlichen Geschehens um ihn herum, manchmal auch als Mahner und Wachrüttler in Erinnerung. Was mitunter auch an seiner meist düsteren Miene liegt, mit der er hinter den strengen Brillenrändern durchschaut. Kunze hat einmal in einem Interview gesagt, dass er gar nicht so bierernst sei, er sehe halt so aus. Man nimmt es dem 65-Jährigen ab, dass er eigentlich doch locker ist. Das liegt zum einen an der Musik, dieser Mischung aus schnellen Rockern mit Mitsing-Refrains und den oft gefühlvollen Balladen. Feinster Deutschrock der alten Schule, muss man sagen, wie ihn ähnlich auch andere heimische Sänger a lá Maffay, Westernhagen oder Grönemeyer servieren. In deren Liga spielt Kunze rein erfolgstechnisch nicht ganz mit. Den Serenadenhof mit seinen rund 1000 Sitzplätzen macht der Barde an diesem Abend aber voll, und die Fans hält es immer wieder nicht auf den Stühlen, oft auch angestachelt von der bestens gelaunten Band, die zum Klatschen und Hüpfen animiert.

Songwriter Kunze: "Nie wieder Krieg"

Kunzes Texte sind immer ein stückweit verkopfter als die mancher andren Kollegen, gehen lyrische Wendungen in nicht immer eindeutigen Bildern, die aber einen gehörigen Nachhall besitzen. Kunze schreibt nach eigener Aussage weitaus mehr Prosa und Lyrik, als er vertonen kann. Manche dieser Texte liest er auch an diesem Abend zwischen den Liedern vor. Wie seine satirische Auseinandersetzung mit "gleiches" und "selbes", bei der sein lakonischer Witz aufblitzt. Und dann erzählt er von dem 96-jährigen Ukrainer, der vier deutsche Konzentrationslager überlebt hat, um durch Putins derzeit laufender "Entnazifizierungsmaßnahme" und einer Bombe dann doch noch erwischt zu werden. "Nie wieder Krieg" ist ein der vielen Botschaften, die Kunze in Nürnberg für sein Publikum bereithält. Ein oft gesagter Satz, der aber gar nicht phrasenhaft wirkt.

Zwei Stunden lang gibt’s in der lauschigen Atmosphäre des "Hofes" der Nürnberger Symphoniker beste Unterhaltung mit Liedern fürs Gemüt, die auch die grauen Zellen kitzeln. Das verspricht ein toller Konzertsommer an dieser Spielstätte zu werden, die bis Ende August noch so unterschiedliche Events wie Gerhard Polt, Verdis Nabucco oder eine ABBA-Nacht zu bieten hat.

Heinz Rudolf Kunze
Heinz Rudolf Kunze, wie man ihn kennt. Die Texte treffen messerscharf in Herz und Hirn.