Ach, der gute alte Junggesellenabschied, im Fachjargon auch JGA genannt. Entführt werden, trinken bis zum Umfallen, im albernen Kostüm mit Bauchladen durch die Stadt ziehen, peinliche Aufgaben erfüllen, sich bis auf die Knochen blamieren – und am nächsten Morgen mit einem Kater aufwachen, schlimmer als jeder Liebeskummer.
Noch einmal so richtig auf die Kacke hauen, bevor … ja, bevor was eigentlich? Bevor man "weggesperrt" wird? Bevor das Leben vorbei ist, weil man sich – wie langweilig – für ein monogames Miteinander entschieden hat?
Junggesellenabschied: Das Ende von Freiheit und Spaß?
Wer wirklich glaubt, die Ehe sei das Ende von Freiheit und Spaß, sollte vielleicht grundsätzlich überdenken, ob er oder sie überhaupt heiraten will. Denn ganz ehrlich: Ich möchte keinen Partner an meiner Seite, der sich durch das Eheleben eingesperrt fühlt – das klingt nach Zwang, nicht nach Liebe. Dann lieber gar nicht heiraten.
Klar, vieles ist "nur ein Gag". Vielleicht bin ich zu "woke" oder "zu ernst", um das witzig zu finden. Vielleicht ist es aber auch einfach Zeit, manche Traditionen zu hinterfragen, statt sie stumpf weiterzuführen – nur weil "man das halt so macht".
Und nein – ich finde JGAs nicht grundsätzlich doof. Im Gegenteil! Ich liebe die Idee. Ich möchte selbst gerne einen bekommen – und habe kürzlich den JGA einer guten Freundin mitorganisiert. Es war wunderschön. Weil es nicht darum ging, sich zu blamieren, sondern einfach Zeit mit Menschen zu verbringen, die man liebt.
Bei Verlobung, Hochzeit und Ehe dreht sich alles ums Paar. Und das ist gut so. Aber ein JGA ist die seltene Gelegenheit, den Freundeskreis in den Mittelpunkt zu stellen – vor allem die Menschen, die einen über viele Jahre begleitet haben. Ein Wochenende mit Freund*innen, ganz ohne Hochzeitsstress, ohne Checklisten und To-dos. Einfach feiern, lachen, reden, erleben.
Damit euer JGA genau das wird – und nicht ein altbackenes Spektakel mit Fremdschamfaktor –, kommen hier meine Tipps für einen zeitgemäßen, respektvollen und trotzdem richtig schönen Junggesell*innenabschied:
1. Ladet ein, wen ihr wirklich dabeihaben wollt
Eure Party – eure Gästeliste. Keine Pflicht-Einladungen an Cousinen dritten Grades, nur weil "man das so macht". Qualität statt Quantität. Und: Geschlecht egal! Wenn euch Freund*innen aller Geschlechter wichtig sind – ladet sie ein. Punkt.
2. Sprecht offen über No-Gos
Stripshows? Trinkspiele? Verkleidungen? Was für euch gar nicht geht, muss früh und klar gesagt werden – ohne falsche Rücksicht. Und: Möchte die Braut oder der Bräutigam überrascht werden? Oder lieber wissen, wann und wohin es geht? Niemandem sollte ein Überfall aufgezwungen werden.
3. Macht den JGA individuell
Ballermann und Bauchladen? Nur, wenn die Hauptperson das wirklich liebt. Der JGA sollte zur Person passen – egal ob Wellness-Wochenende, Kochkurs, Wanderung, Festival oder Kulturtrip.
4. Klärt Wünsche und Erwartungen
Überraschung oder Planbarkeit? Action oder Ruhe? Spiele oder Gespräche? Redet offen – das vermeidet Enttäuschungen.
5. Plant bewusst Zeit ein
Wenn möglich: Verbringt ein ganzes Wochenende miteinander. Ohne Zeitdruck entsteht Raum für Nähe, Gespräche, Erinnerungen, Auszeiten und echte Verbundenheit.
6. Verzichtet auf klischeehafte Mottos
"Letzte Nacht in Freiheit", "Game Over" – das klingt mehr nach Abgesang als nach Aufbruch. Der JGA darf gerne witzig, wild oder stylisch sein – aber bitte ohne sexistische oder angestaubte Sprüche.
Hier ein paar Moderne Motto-Ideen mit Stil:
- Glück in der Liebe, Glück im Spiel (Casino, Pokern, Spiele)
- (S)he’s a Catch (Angeln, Boot fahren)
- Frisch vom Markt (Marktbesuch, gemeinsam kochen)
- Camp [Name] (Zelten, Lagerfeuer, Schnitzeljagd)
- Ciao Bella / Team Amore (Italo-Vibes mit Pizza, Pasta & Wein)
- Sandkasten bis Standesamt (Kindheit, Freundschaft, Verkleidung)
- [Lieblingsfilm/-serie] (z. B. Mamma Mia, Friends, Harry Potter, Bridgerton, How I Met Your Mother, Men in Black, Sherlock Holmes)
7. Respektiert persönliche Grenzen
Niemand sollte sich gedrängt fühlen, etwas Peinliches oder Übergriffiges zu tun – weder die Hauptperson noch die Gäste. Offen für Neues? Gerne – aber im Rahmen.
8. Besprecht euch mit dem*der Partner*in
Nicht im Sinne von "um Erlaubnis fragen", sondern aus Respekt. Der JGA sollte kein Gegenentwurf zur Beziehung sein, sondern ein schönes, eigenständiges Erlebnis. Vielleicht gibt’s von dort auch hilfreiche Hinweise zu No-Gos oder Must-Haves.
9. Spiele? Ja – mit Feingefühl!
Gute Spiele bringen Stimmung – aber bitte mit Charme und Niveau. Kein Bloßstellen, kein Drängen, kein Alkoholzwang. Gut kommen oft an: Activity, Partnerschafts-Quiz, kleine Schnitzeljagden oder Musikrätsel.
10. Alkohol ist kein Muss
Wer trinken möchte, soll das tun – aber niemand sollte sich verpflichtet fühlen. Ein gelungener JGA misst sich nicht am Promillewert.
11. Die Beziehung steht im Mittelpunkt – nicht das "letzte Mal Freiheit"
Der JGA feiert Liebe, Vertrauen und Verbindung – nicht den "letzten Abend in Freiheit". Dieses "jetzt noch mal alles mitnehmen" ist ein Relikt aus den 90ern.
12. Humor soll verbinden – nicht verletzen
Witze über "die Alte zu Hause" oder über Ehe als Freiheitsverlust? Nicht witzig, sondern respektlos. Guter Humor schafft Nähe – nicht Fremdscham.
JGA-Checkliste: Damit nichts schiefläuft
☐ Wer soll wirklich dabei sein – und fühlt sich willkommen?
☐ Was sind klare No-Gos der Hauptperson?
☐ Gibt es besondere Wünsche oder Vorlieben?
☐ Welche Aktivitäten passen zur Persönlichkeit?
☐ Gibt es sensible Themen oder potenzielle Konflikte?
☐ Wie ist das Budget? Wer zahlt was? Übernehmen alle den Anteil der Hauptperson?
☐ Wie steht es um Alkoholkonsum – was ist für wen okay?
☐ Ist das Programm respektvoll und inklusiv?
☐ Wer übernimmt welche Aufgaben bei der Planung?
☐ Gibt es Raum für Gespräche, Entspannung, Rückzug?
☐ Wie klappt die Kommunikation in der Gruppe?
☐ Ist der Termin frühzeitig abgestimmt und geblockt?
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