Tourneen und Einzelkonzerte, Live-Mitschnitte, die vom Bayerischen Rundfunk mitgeschnitten oder auf „arte“ gesendet werden, Auftragskompositionen für den Rundfunk und allen voran der renommierte „Neue Deutsche Jazzpreis“, den ihr Ensemble 2022 geholt hat – Rebecca Trescher und ihr Tentett sind mittlerweile gut im Geschäft. Und das mit einer Musik, die immer noch ein Nischendasein in den Kulturkalendern der deutschen Bühnen fristet. Dabei biete der Jazz ihr vollkommene Freiheit, vor allem für stilistische Vielfalt, sagt Rebecca Trescher. Grooviges, Pop- und Rock-Elemente, elektronische Beats bis hin zu minimalistischen Klängen oder bildhaften Tönen, die an Filmmusik erinnern – die Musik des Tentetts ist enorm vielfältig. „Der Sound ist stetig im Prozess und entwickelt sich immer weiter. So wie es die großen Meister wie Miles Davis oder John Coltrane auch gemacht haben“, erklärt sie.

Mit letzterem verbindet sie nicht nur eine ausgeprägte Anzahl verschiedenster Musikantennen und Forscherdrang, sondern auch Spiritualität. Trescher meditiert gerne, beobachtet auch kleine Dinge im Alltag und sucht oft nach Ruhe, auch in der Musik. „Nicht immer höher, schneller, weiter, auch den Mut zur Pause haben“, sei ihr wichtig. „Mut machen“ kommt ihr oft über die Lippen, wenn sie an ihre Schülerinnen und Schüler an der Hochschule für Musik in Nürnberg denkt – den hatte die junge Rebecca Trescher als ältestes von fünf Kindern in einem bodenständigen Elternhaus in einem Dorf bei Tübingen aufgewachsen schon früh, als sie sich für einen anderen Weg mit ihrem Instrument entschied, als weiter in einer Blaskapelle volkstümliche Weisen zu spielen.

Eigener Klarinetten-Studiengang

Initialzündung war der richtige Musiklehrer an ihrer damaligen Schule, der Jazz als Wahlfach anbot und den Jugendlichen eben Mut machte, einfach zu improvisieren, auszuprobieren und sich dabei selbst zu finden. Trescher entdeckte die vielfältigen Ausdrucksmöglichkeiten auf der Klarinette und anderen Instrumenten für sich, finanzierte sich früh Unterricht mit Nebenjobs und begann 2008 in Nürnberg Jazz-Klarinette zu studieren. „Einen Studiengang, den es damals noch gar nicht gab“, erinnert sie sich – heute doziert sie selbst.

Auf internationalen Jazz-Festivals seine eigene Musik präsentieren und anbieten zu können, wie bald beim Augsburger Jazzsommer, sei einfach „Hammer“. Rebecca Trescher wirkt im Gespräch sehr aufgeräumt und konzentriert, sodass man bei einem solchen Ausruf fast ein bisschen zusammenzuckt. Die Euphorie ist aber auch Ausdruck von Dankbarkeit für den Zuspruch von Veranstaltern und Fans nach harter, langer Arbeit am Klang ihres Ensembles. Eine Zeit mit einigen Brüchen, wie man sie gerade wohl als Jazzmusikerin, die alles selbst in die Hand nimmt wohl erlebt – und damit verbundenen Mühen, die sich nach nahezu zwei Dekaden und der Entscheidung, professionell Musik zu schaffen, nun anscheinend lohnen.

Keine Frauenquote im Jazz

Immer mehr Frauen interessieren sich für Jazz und machen es Rebecca Trescher nach – das freue die 37-Jährige natürlich. Auch wenn für sie letztlich die Musik und deren Qualität die erste Geige spielen. „Ich sitze auch oft in Jurys bei Wettbewerben, da geht es manchmal dann um Quoten für Frauen. Ich fördere natürlich Musikerinnen, allerdings geht das am Ende nicht mit der Brechstange. Und man tut den Frauen mit einer Bevorzugung letztlich auch keinen Gefallen“, meint sie. Manchmal werde sie auch gefragt, warum in ihrem Tentett keine Frauen spielen – oft auch verbunden mit dem Argument, das sei doch karrierefördernd. Damit kann Trescher nichts anfangen. „Wenn jetzt jemand aussteigen würde, schaue ich mich vielleicht nach einer Frau um. Ich habe mir meine Musiker aber bereits vor zehn Jahren ausgesucht, und zwar nach dem Klang und der Ästhetik des Tons“, erklärt sie.   

Inspiration hole sie sich vor allem in der Natur. „Sie ist oft der Nukleus für meine Ideen“, sagt die Musikerin. Ihre Stücke wie „Wildwasser“ oder „Nacht“ sind ganz klar von Naturerlebnissen beeinflusst. Daher sei der Botanische Garten in Augsburg auch der ideale Ort für ihre Musik.

Programm des Jazzsommers

Vom 3. Juli bis zum 6. August 2024 findet der 32. Internationale Augsburger Jazzsommer statt. Die Konzerte finden im Botanischen Garten und im Brunnenhof statt. Am 3. Juli eröffnet das Emile Parisien Quartet aus Frankreich die Jazzsaison im Botanischen Garten. Nachdem am 11. Juli das Rebecca Trescher Tentett gespielt hat, präsentiert am 17. Juli das Walter Smith III-Quartett Modern Jazz aus den USA. Am 24. Juli entführt Jazzpianistin Sylvie Courvoisier aus New York in die Welt des Improvisationsjazz, gefolgt von The Bad Plus am 31. Juli mit ihrem Mix aus Avantgarde, Rock und Pop. Den Abschluss bildet das Omer Klein Trio am 6. August. Der Einlass im Botanischen Garten ist jeweils um 18 Uhr, die Konzerte beginnen um 20 Uhr.

Im Brunnenhof kann man am 6. Juli den Gitarristen Mikkel Ploug aus Kopenhagen und am 13. Juli das Trio Bobby Rausch, das zwischen Jazz und Hip-Hop agiert, erleben. Am 20. Juli spiel das Paier Valcic Quartet aus Wien cineastische Klänge, gefolgt von Mirna Bogdanovic am 27. Juli mit Vokaljazz. Zum Finale am 3. August zelebriert Nora Kamm aus der Pariser Afro-Jazzszene ihre Liebe zum afrikanischen Kontinent. Der Einlass im Brunnenhof ist jeweils um 19 Uhr, die Konzerte beginnen um 20 Uhr.

Rebecca Trescher live beim Augsburger Jazzsommer
Rebecca Trescher brillierte live beim Augsburger Jazzsommer.

Wärmender Klangteppich im Botanischen Garten Augsburg

Die Reihen des Publikums waren mit rund 500 Besucherinnen und Besuchern rund um den Musikpavillon im Botanischen Garten Augsburg voll besetzt, es sollte eine laue Sommernacht mit feinster Jazzmusik werden. Die wurde es dann auch - wobei im letzten Drittel von "lau" leider keine Rede mehr sein konnte, als leichter Regen einsetzte. Das Team des Jazzsommers reagierte umgehend, verteilte Regenponchos im Publikum, sodass Rebecca Trescher mit Band bald vor eine raschelnden Menge in Ganzkörper-Plastikanzügen saß.

Die Musikerin nahms aber gelassen. "Ihr habt jetzt zusammen mit den Geräuschen der Natur hier draußen so viel Lärm gemacht, das war schon nahezu inspirierend", lachte die Bandleaderin. Vorher hatten sie und ihr Tentett bereits einen lauschigen Klangteppich im Botanischen Gaerten ausgelegt, voll von Wohlklang, der auch mal durch einige freie Töne gestört wurde. Aber genau das wollten die Fans der Musik an diesem Abend auch hören.

Trescher ist keine Frau der großen, langen Worte und lässt lieber die Musik sprechen. Wozu sollte sie auch viel reden und moderieren, drückt sie sich doch die Klarinette und ihre Kompositionen weitaus besser aus als Worte dies könnten. Mit immer wieder kleinen, kaum wahr zu nehmenden Einsätzen "dirigierte" sie ihre Männer, schenkte bei einem besonders gelungenen Solo mal ein Lächeln und kam gegen Ende selbst richtig in Fahrt, als sie ihre Musiker zu freien Improvisationen anheizte.

Trescher hatte ihre Musiker gebeten, ihr musikalische Skizzen zu liefern, aus denen sie dann neue Stücke auskomponiert. Dies erwies sich als gute Idee, kamen dabei doch erstaunliche Ergebnisse zu Gehör, und die Mitmusiker hatten jeweils auch ihren Moment. Vielleicht lag es auch mit an dieser zwischenmenschlichen Herangehensweise, dass die Band sehr homogen klang und freudig dabei wirkte. So sehr, dass es trotz dem anhaltenden Regens dann noch eine Zugabe gab.

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