Die Berliner Rapperin Ikkimel sorgt mit ihren provokanten Songs regelmäßig für Diskussionen. Aktuell wegen einer Textstelle, in der sich auf das Christentum bezieht: 

"Aber fang’n an zu zittern, hör’n sie das Wort ‚queer‘, haha
Sie sind sauer, holt die Mistgabeln raus.
Ich kann machen, was ich möchte, weil ich bin eine Frau.
Und noch ein kleiner Ratschlag, wenn du willst, dass ich stoppe:
Nimm das Kreuz aus deiner Bio, du *****."

Solche Aussagen sorgen auf TikTok, Reddit und Instagram für hitzige Debatten. Wird hier das Christentum beleidigt – oder scharf kritisiert? Und wie weit darf Kunst gehen, wenn es um Religion geht?

Ikkimel: Keine pauschale Ablehnung von Religion

Ikkimel selbst hat sich zu dem Song bisher nicht direkt geäußert. In früheren Interviews  betonte sie jedoch, dass es ihr nicht um eine pauschale Ablehnung von Religion geht. Vielmehr gehe es ihr um die Doppelmoral mancher Gläubigen: Menschen, die einerseits christliche Werte wie Nächstenliebe betonen, andererseits aber Hass verbreiten oder sich über queere und feministische Themen echauffieren.

Auch in ihrem Song "Sweet Baby Jesus" stellt sie eher sarkastisch als spöttisch die Frage:

"Uh, Sweet Baby Jesus – ich hab’ gesündigt, komm ich trotzdem in den Himmel?"

Ein klassisches Stilmittel der Kunst: religiöse Bilder brechen, um gesellschaftliche Widersprüche sichtbar zu machen. Doch wo verläuft dabei die Grenze?

Zwischen Zustimmung und Shitstorm

Dass Ikkimel mit dieser Haltung nicht allein dasteht, zeigt ein viraler Beitrag der Bloggerin und ehemaligen Freikirchen-Anhängerin Daniela-Marlin Jakobi:

"Ich bin selbst Christin und feier @ikkimel42 dafür, dass sie die Doppelmoral mancher (vor allem fundamentalistischer und ultrakonservativer) Christ*innen outcalled.
Die schlimmsten Hassnachrichten erhalte ich als Freikirchen-Aussteigerin und ehemalige AfD-Wählerin für meine Aufklärungsarbeit – von Leuten mit Kreuz (und manchmal auch Deutschlandflagge) im Profil.
Dabei checken diese Leute vermutlich nicht mal, wie hasserfüllt sie gegenüber marginalisierten Gruppen wie Queers, Schwarzen/POC, FLINTA, Neurodivergenten, Kranken und Co. sind.
Ich bin sehr traurig, dass im Namen meiner Religion so viel Hass & Hetze verbreitet wird, anstatt für Liebe, Gerechtigkeit & Freiheit für alle Menschen zu sorgen – wie Jesus es gewollt hätte."

Ein deutliches Statement: Nicht der Glaube wird kritisiert – sondern das Verhalten mancher Menschen, die sich auf ihn berufen, aber das Gegenteil dessen leben, was sie predigen.

In den Kommentarspalten gehen die Reaktionen weit auseinander. Zustimmung kommt von vielen jungen Christ*innen, queeren Menschen und Feminist*innen, die sich in Ikkimels Haltung wiederfinden.

Kritische Stimmen hingegen empfinden die Wortwahl als verletzend – und werfen ihr vor, das Christentum pauschal zu verunglimpfen, ohne die gesellschaftliche Botschaft dahinter zu reflektieren.

Provokation als künstlerisches Mittel

Wie viele Rapper*innen ihrer Generation nutzt Ikkimel Provokation und Schimpfwörter nicht nur zur Show, sondern als feministisches Statement: Selbstbestimmung, Lust, Geld, Macht, Glaubensfreiheit – all das steht auch ihr zu. Dass das aneckt, liegt nicht zuletzt daran, dass gerade queere oder migrantische Frauen sich noch immer erklären müssen, wenn sie laut, politisch oder unbequem sind.

Dabei ist es keineswegs neu, dass im Rap mit derben Worten gearbeitet wird – vor allem von männlichen Künstlern. Dass sexistische oder frauenverachtende Sprache dabei oft als "normaler Slang" durchgeht, während eine Frau wie Ikkimel für ihre Ausdrucksweise harsche Kritik einstecken muss, zeigt ein doppeltes Maß. Sie nutzt dieselbe Sprache – aber mit anderer Stoßrichtung: um Begriffe zurückzuerobern, Tabus zu brechen, Bedeutungen zu verschieben.

Ob einem ihre Musik gefällt oder nicht: Dass Ikkimel die Kunst der Provokation beherrscht, lässt sich kaum bestreiten. Und: Sie nimmt die Reaktionen, die sie auslöst, bewusst in Kauf. Sie will irritieren, hinterfragen, wachrütteln – ob bei Frauenbildern, patriarchalen Strukturen oder queeren Identitäten. Auch Religion nimmt sie dabei nicht aus.

Zwischen Kritik und Instrumentalisierung

Christ*innen pauschal zu verurteilen – das kann und darf nicht das Ziel sein. Doch es ist legitim, ja notwendig, zu hinterfragen, wie religiöse Symbole und Begriffe – gerade in sozialen Medien – manchmal für menschenfeindliche Botschaften missbraucht werden.

Wer seinen Glauben ernst nimmt und für Toleranz, Gerechtigkeit und Vielfalt eintritt, sollte solche Kritik nicht als persönlichen Angriff verstehen – sondern als Chance zur Selbstreflexion. Oder, etwas zugespitzt formuliert: "Getroffene Hunde bellen."