Diese Geschichte ist zu schön, um sie aus dem Gedächtnis zu streichen. Die Historikerin und Volkskundlerin Irene Krauß kommt in ihrem Werk "Das große Buch der Brezel" allerdings zu einem anderen Ergebnis. Sie berichtet in der reich illustrierten Neuerscheinung, dass sich Brezeln schon früher im Mittelalter nachweisen lassen. So zeigt eine Abendmahlsszene aus dem späten 11. Jahrhundert Jesus und seine Jünger bei Tisch - Fisch und Brezel verspeisend.
Krauß ist überzeugt, dass sich die geschlungene Form über Jahrhunderte aus ringförmigen Broten entwickelt hat. Für die Verbreitung früher Brezel-Gebäcke seien die Klöster verantwortlich gewesen, die nicht nur theologisches Wissen, sondern auch die besten Rezepte miteinander teilten.
Brezel-Kult
Die meist mit Lauge umhüllte, braungebackene Brezel hat sich zum Kultgebäck entwickelt. Bei Volksfesten im Süden Deutschlands gibt es eigene Brezelstände, in der Weihnachtszeit verspeisen die Menschen Lebkuchenbrezeln, und die US-Amerikaner feiern sogar jährlich einen "National Pretzel Day". Selbst Max und Moritz, diese von Wilhelm Busch bedichteten und gezeichneten Lausbuben, konnten nicht widerstehen: "Aber schon mit viel Vergnügen / sehen sie die Bretzeln liegen".
Die faszinierende Form hat auch jenseits der Backkunst Nachahmer gefunden. Berühmt geworden ist der "Brezel-Käfer" von Volkswagen mit der geteilten Rückscheibe. Durch den im 19. Jahrhundert angelegten Frankfurter Palmengarten ziehen sich "Brezelwege", die Flaneure auf verschlungene Wegen führen. Kitschig bis peinlich wirken Bierkrüge mit Brezelgriff oder Schnapsflaschen im Brezel-Format.
Aber bitte mit Salz!
Interessanterweise hat sich die Brezel auch überall in die Wappen von Zünften und Innungen geschlichen. Ob auf Ständebüchern, Meisterbriefen oder im "Bäcker-Fenster" des Freiburger Münsters: Überall lacht dem Betrachter eine feine Brezel entgegen.
Das Buch ist nicht nur in seinen Abbildungen bunt, es bringt auch eine Fülle von Anekdoten und Skurrilem zum Leser. So bedurfte es etwa einiger Ingenieurskunst, um für die industrielle Brezelproduktion eine taugliche Schlingmaschine zu konstruieren. Wen nach der Lektüre plötzlich die Lust auf eine Brezel überfällt, dem bietet die Autorin zum Abschluss ein Rezept zum Selberbacken.