Mehrfach war der 73 Jahre alte Musiker, der nachweislich der deutschen Rockmusik das "Kölsch" beigebracht hat, in den USA zu Gast. Privat, mit Band, aber auch 2017 im Auftrag des TV Senders ARTE zu einer Reise auf den Spuren von Bob Dylan, dessen Texte er schon oft in seinen Kölner Dialekt umgedichtet und die Lieder des US-amerikanischen Megastars der Rock-Szene und Nobelpreisträger aufgenommen hat. Auch ein Buch hat Niedecken geschrieben: "Bob Dylan`s Amerika" handelt von Querverbindungen zu seiner eigenen Biographie und Dylan, den er seit Jahrzehnten verehrt.

Während der Corona-Jahre kam seinem Konzertmanager die Idee, Niedecken auf Solo-Tour durch Säle zu schicken, in denen man mit wenig Aufwand und viel Abstand doch noch Musik live darbieten konnte, wie es die jeweiligen Regeln gerade zuließen. Die Corona-Maßnahmen sind vorbei, die Tour geht aber weiter.

Bei der ION Nürnberg treffen Klassik und Pop aufeinander

In St. Egidien führten die Organisatoren der ION das bereits in den letzten Jahren begonnene Experiment des Crossovers von Klassik und Pop weiter und hatten zuerst gar nicht damit gerechnet, dass der erste mit Niedecken angesetzte Abend sich so schnell ausverkaufen sollte. Schnell wurde ein zweiter anberaumt. Und Niedecken, begleitet von seiner Frau und Managerin Tina und dem gemeinsamen Hund Numa, mit dem sie am Tag zwischen den Konzerten durch die Stadt schlenderten und dabei viele schöne Begegnungen mit Fans hatten, wie Niedecken im Gespräch mit dem Sonntagsblatt vor dem Konzert erklärte.

Dieses sollte dann drei Stunden (inklusive Pause) dauern und knapp 20 Songs – die meisten davon vom "Altmeister" selbst – beinhalten. Dylan-Songs wie "Like a rolling Stone" wurden dabei zu "Wie ´ne Stein", "Forever young" zu "Für immer jung" – meist in englischem Original mit kölschen Zeilen gemischt, manchmal nur in der originalen Sprache wie "The man in the black coat". Zwischendurch las Niedecken ausgewählte Passagen aus seinem Buch vor, meist launige Geschichten von den Roadtrips in die USA, die immer zu den nächst kommenden Songs passten.

Kongenialer Partner am Piano: Mike Herting

Das Ganze hätte wahrscheinlich auch nur mit akustischer Gitarre und Mundharmonika als Begleitung zum Gesang funktioniert, bei dem sich Niedecken als erstaunlich nah am Original erweist und ohnehin sehr gut bei Stimme war. Sich Mike Herting aber bei dieser Performance wegzudenken, fällt schwer und wäre ohnedies ein echter Verlust gewesen. Der alte Kollege zeigte am Flügel, das virtuose Klassik sich sehr gut mit Blues und sogar Flamenco paaren lässt und zauberte mehr als nur eine Unterlage für den Star des Abends. Das Publikum war jedenfalls begeistert – auch, weil Niedecken sich ausreichend Zeit für Autogramme gab.

Dass Bob Dylan Ende der 1970er-Jahre in eine stark vom christlichen Glauben geprägte Lebensphase trat und gleich drei Alben mit religiösen Bezügen, teils gar "Worship-Songs" aufnahm, weiß Dylan-Kenner Niedecken natürlich. "Ich konnte damals nicht allzu viel damit anfangen, obwohl es an sich tolle Musik war", erinnert er sich. Vor allem das Album "Saved" mit seinem Cover "wie aus dem Traktaten-Stand gezogen" sei sehr symbolisch und bevormundend gewesen. Niedecken gesteht Dylan aber auch diese Phase voll zu. "Wenn er ein Erweckungserlebnis hatte, muss er das natürlich in seinen Liedern verarbeiten.

Niedecken als "Rest-Katholik"

Er selbst sei streng katholisch erzogen worden, habe aber schlechte Erfahrungen mit der Institution Kirche gemacht, sei ausgetreten, bezeichne sich aber immer noch als "Rest-Katholik". "Ich habe ein Verhältnis zur Kirche, dass wohl an die Filme mit Don Camillo und Peppone erinnert", bekennt der Kölner. Manchmal gehe er an einem Kreuz vorbei und spreche dann Jesus direkt an: "Na, Chef, was meinste?" Und dann sage der "Chef" ihm immer, was er meine. An dieser Instanz überprüfe er immer wieder, ob es okay sei, was er tun wolle.

"Chef, was meinste? Das ist mein Gebet".

Immerhin wurde als Zugabe der Klassiker "Knocking on Heavens Door" angestimmt, der eigentlich aus dem Soundtrack zu Sam Peckinpahs "Pat Garrett jagt Billy the Kid" (1973) stammt, aber vor allem durch zahlreiche Cover-Versionen zu einem der bekanntesten Titel Dylans geworden ist. Gänsehaut-Stimmung pur in der Egidienkirche. Vorher im Gespräch hatte Niedecken nach Konzert 1 zugegeben, dass gerade dieser Song in einer Kirche ihn besonders packe. Vor allem vor dem Hintergrund der Kriege in der Ukraine und im Gaza-Streifen.

Die zweimal nacheinander ausverkaufte Egidienkirche war stimmungsvoll illuminiert zum Niedecken-Konzert.

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